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Kämmerer, Christian [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0092
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gangs verläuft seit alters her eine schmale,
von den hohen Bruchsteinmauern des Kreuz-
gangs und des benachbarten Grundstücks
gesäumte Gasse, die hier zwischen Johannis-
straße und -freiheit vermittelt. Man gelangt
über sie von der Johannisstraße zum heutigen
Pfarramt von St. Johann, das 1906/07 an der
Stelle einer älteren Kurie (vgl. die Inschriften-
tafel am Hause) errichtet wurde, einem zwei-
geschossigen Hausteinbau, der seinen in
neugotischen Formen gestalteten und ge-
treppten Giebel dem Kapitelhaus von St. Jo-
hann zuwendet (Johannisfreiheit 12). Südlich
und östlich der Johanniskirche befand sich
ehemals der zugehörige Kirchhof. Seine Flä-
che ist heute gepflastert bzw. als Straße aus-
gebaut und besitzt als originellen Platz-
schmuck südlich des Kirchenschiffs die 1931
durch den Architekten Theo Burlage errichtete
Abluftsäule.
Südlich gegenüber der Kirche befindet sich
das ehemalige Rathaus der Neustadt, das bis
zur Aufhebung der Selbstverwaltung des
Stadtteils zu Beginn des 19. Jh. die Amtsräu-
me des Rates beherbergte (Johannisstraße
36/37). Das Gebäude, das im Kern dem 16.
Jh. entstammt, verdankt seine heutige Gestalt

einem Umbau des 18. Jh., der nach den Zer-
störungen des Zweiten Weltkrieges wieder-
hergestellt wurde. Das zweigeschossige
Haus ist mit seiner langgezogenen Traufe zur
Johannisstraße ausgerichtet und wendet Kir-
che und Freiheit einen schlichten Doppelgie-
bel zu. Zwei firstparallel angeordnete Sattel-
dächer überdecken den ohne repräsentativen
Anspruch errichteten Bau. In seinem rückwär-
tigen südwestlichen Teil, der noch heute Ruine
ist, hat sich aus dem ältesten Bestand ein
Bauteil mit gotischem Portal und rechteckigen
Fenstern, die gekehlte Laibungen aufweisen,
erhalten.
Die Südwestecke des von Johannisstraße
und -freiheit gemeinsam gebildeten Platz-
raums südlich der Kirche wird von der Bau-
gruppe Johannisstraße 92/93 und Süsterstra-
ße 3 eingenommen. Auf dem Eckgrundstück,
auf dem sich im 18. Jh. eine Kurie befand, do-
miniert das breite, mit seiner Fassade zur Sü-
sterstraße hin orientierte Haus Johannisstra-
ße 92/93, ein dreigeschossiger verputzter Bau
mit Sandsteingliederungen und -einfassun-
gen, der nicht ohne repräsentativen Anspruch
ist und, offenbar als Umbau älterer Bausub-
stanz, gegen 1800 entstanden sein dürfte. In

Johannisstraße 36/37, ehern. Rathaus der Kollegienwall 15, Neue Mühle
Neustadt


Johannisstraße 10/11 Johannisstraße 4,1803


stilistisch reizvollem Gegensatz steht das ihm
benachbarte kleine Wohnhaus Süsterstraße
3. Dieses gegen 1860 erbaute eingeschossi-
ge Haus, das seine schöne, reich in Sandstein
gearbeitete Giebelseite dem heute gepflaster-
ten Vorgarten des Nachbargebäudes zuwen-
det, ist eines der qualitätvollsten Zeugnisse
des romanisierenden Historismus in Osna-
brück, dessen Fassadendurchbildung motivi-
sche Verwandtschaft zum 1855 erbauten
Empfangsgebäude des Hannoverschen
Bahnhofs deutlich werden läßt.
Am Ostende der Johannisfreiheit befand sich
ehemals der bischöfliche Martinshof, der vor-
übergehend im 14. und 15. Jh. die Residenz
des Bischofs darstellte. Seine letzten bauli-
chen Reste verschwanden erst zu Ende des
19. Jh. Auf dem Grund und Boden des Hofes
ließ der Bischof 1253 die Neue Mühle am lin-
ken Haseufer errichten, eine der drei alten
Mühlen der Stadt. 1802 wurde sie, wie die bei-
den anderen, in geistlichem Besitz befind-
lichen Hasemühlen, verstaatlicht, 1850 er-
warb sie die Stadt. Ihre baulichen Anlagen
wurden im Laufe der Jahrhunderte wiederholt
erneuert und verändert. In größerem Umfange
ließ der Bischof 1732 die damals in Verfall ge-
ratene Mühle wiederherstellen. Das Mühlen-
haus erhielt seine gegenwärtige Gestalt durch
den Wiederaufbau 1948/49, der unter teilwei-
ser Verwendung der Substanz des Vorgän-
gerbaus erfolgte (Kollegienwall 15). Aus älte-
rem Bestand blieben Teile des Mühlenwehrs
erhalten, deren in Sandsteinquadern ausge-
führte Bögen heute von einer Straßenbrücke
unseres Jahrhunderts begleitet werden.
JOHANNISSTRASSE
Die Hauptachse des Stadtteils wies bis zu ih-
rer fast restlosen Zerstörung im Verlauf des
Zweiten Weltkrieges noch einen beachtlichen
Bestand an Bürgerhäusern des 16.-20. Jh.
auf. Es verblieb die schöne Sandsteinfassade
Johannisstraße 4 von 1803, ein dreigeschos-
siges Fünfachsenhaus des traufenständigen
Typus, wie er für das wohlhabendere Bürger-
haus der Zeit in Osnabrück üblich war. Über
einem als Sockelgeschoß ausgebildeten und
durch ein breites Gesimsband abgesetzten
Erdgeschoß wird die Fassade durch ein klares
Gerüst aus Pilastern, Ecklisenen und ab-
schließendem kräftigen Gebälk gegliedert und
reich geschmückt mit Motiven aus dem orna-
mentalen Formenschatz des Klassizismus,
wobei wie gewöhnlich die Mittelachse eine be-
sondere Zuwendung erfährt. Das Haus über-
deckte ursprünglich ein hohes Walmdach.
Heute ist die Fassade, die um ihrer Qualität
willen eine bessere Behandlung verdient hät-
te, in wenig glücklicher Weise in einen Neubau
einbezogen. In der Nähe besitzt Nr. 10/11 eine
sorgfältig in Sandsteinquadern vorgeblendete
Fassade wohl der sechziger Jahre des 19. Jh.
Der ursprünglich zweigeschossige Bau von
fünf Achsen wurde 1886 um ein Geschoß auf-
gestockt. Einher mit klassizistischen Gestal-
tungselementen der Fassade geht das romani-
sierende Motiv der dünnen gedrehten Säul-
chen, die in die Ecken der beiden unteren
Geschosse eingestellt sind. Im Erdgeschoß
fallen die vorzüglich angepaßten späteren La-
deneinbauten auf.

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