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Dudík, B.; Weselsky, J. [Editor]
Die Kleinodien des Deutschen Ritterordens: beschrieben und geschichtlich erläutert — Wien, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.21286#0152
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Das ohne Deckel 38.7 Cent, hohe, an dem Mundrande 16.8 Cent, breite Trinkgefäss ist
durchgängig aus starkem geschlagenen Silberblech so künstlich zusammengestellt, dass die ge-
triebenen Ornamente den glockenförmig aus doppeltem Silberbleche gearbeiteten Becherkern panzer-
artig umschliessen und nach Ablösung einer einzigen Schraube bequem abgenommen werden
können, um die Betrachtung im Detail zu erleichtern. Wir wollen eben dieser Betrachtung wegen
uns die einzelnen Theile vergegenwärtigen. Es besteht nämlich der Prunkpokal A. aus dem Deckel,
B. aus dem Becherkörper und C. aus dem Fusse.

A. Der Deckel hat drei Theile: a) den Knopf, b) den eigentlichen Deckel, oder, wie das
XVI. Jahrhundert sagte, den Luck, und c) den Boden des Deckels.

a) Der Knopf, 6 Cent, im Durchmesser, zeigt das Brustbild eines Kaisers. Eine Bügel-
krone ziert das knapp geschorene Haupt mit einem ausdrucksvollen Gesichte, aus welchem eine
markirte Adlernase heraustritt, ein starker Schnur- und doppelter langer Kinnbart geben dem
Gesichte den Charakter des Ehrwürdigen und Männlichen. Der ungemein reich verzierte „ge-
blümte“ Panzer mit dem charakteristischen Rüsthaken auf der rechten Seite, zeichnet sich be-
sonders durch seinen oberen Armzeug mit dem hohen Stosskragen oder Stauchen aus, die da
dienten, um die Stösse und Hiebe des Feindes gegen den Hals aufzufangen. Ebenso reich ge-
schmückt sind die Mäuseln, um die Ellbogen zu schützen. Die Kette des goldenen Vliesses hängt
vom Halse auf die Brust herunter. Vom Schwerte ist nur der mächtige Knopf sichtbar. Die
Hinterwand deckt eine auf Ringen befestigte Tapete, deren Stab auf zwei Postamenten ruht.
Oberhalb dieser Tapete erblickt man eine Turnierlanze und ein Reiterschwert in’s Kreuz gelegt.
Rechts von der hochgetriebenen Figur ist in roher Schrift eingegraben: Ko. KM1LO. Dieses Wort
sagt uns, dass der Künstler unter dieser Büste sich Kaiser Karl V. dachte, dessen Heldenthaten
er eben zu verewigen beabsichtigte. Wir werden in dieser Ansicht bestätigt durch die Wahr-
nehmung, dass der Künstler auf einem andern Bilde, welches Karl V. und Franz I. vor Pavia
darstellt, sich Mühe gab, das Porträt Karl’s V. dieser hochgearbeiteten Büste ähnlich darzu-
stellen. Die untere convexe Seite des Knopfes hat vier Medaillons; in jedem ist eines den vier
Cardinal-Tugenden entgegengesetztes Laster durch zwei Figuren sinnbildlich dargestellt; z. B. die
der Treue entgegengesetzte Falschheit, durch Dalila, wie sie Samson um sein Haar betrügt;
die Ungerechtigkeit ist versinnlicht durch David und Bethsabe, die Feigheit durch eine Frau,
welche ihren Mann peitscht u. s. w.

b) Der Luck, d. i. der lose nicht an den Becher befestigte Deckel hat 16 Cent, im Durch-
messer und stellt in getriebener Arbeit das sehr lebendig erfasste Bild einer Schlacht dar. Welche
Schlacht dies sei, darüber gibt die am Rande dieses Lucks eingeritzte Schrift die Auskunft. Sie
lautet: KEISER (ein Weinblatt als Unterscheidungszeichen) IvAROLVS DIE SCHWEIGER GE-
SCHLAGEN VOR BIGOGA. Wir haben demnach vor uns das Treffen vom 27. April 1522 bei
Bicocca, einem in der Nähe Mailands gelegenen Orte, ein Treffen, das zwischen den kaiserlichen
und französischen Söldnern zum Nachtheile der Letzteren geschlagen wurde. Statt jeglicher Be-
schreibung des geistreich und naturtreu erfassten Schlachtbildes geben wir die Worte, mit denen
Leopold Ranke’s deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation die Schlacht bei Bicocca

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