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Duhn, Friedrich
Ein Ritt durch den nördlichen Peloponnes vor vierzig Jahren — Stuttgart, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.43815#0025
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auch nach andern Richtungen laufende dunkle Streifen: die Gräben, mit denen
wir nach damals noch geübtem älterem System das Ausgrabungsgebiet durch-
furchten, um zunächst nach den wichtigeren Bauten zu suchen. Am Rande des
Grabungsfeldes Holzschuppen zur Aufnahme der Fundstücke, andre kleinere längs
des Kronionabhanges, die für Unterkunft und Verpflegung der vielen Arbeiter
dienten. Ueberall reges Leben, Grabende und Schiebkarrenzüge, diese ein bis
dahin in Griechenland unbekanntes Bild; die Schiebkarre, seitdem auch dort
überall eingeführt, verdankt das Land erst unsern Olympiaarbeiten. Be-
sonders wurde unser Blick gefesselt durch den Transport einer hell leuchtenden
Marmorsſtatue eines Jünglings von augenſcheinlich weichen, von der uns ſchon
durch Photographien, die wir in Athen sahen, vertrauten Art der Giebel-
skulpturen des Zeustempels ganz verschiedenen Formen. Die Statue lag frei
auf einem niedrigen Rollwagen, durch Unterlagen geschütt, und wurde vor-
sichtig längs des westlichen Kronionfußes nach einem nahen Schuppen im
Kladeostal am Aufgang nach Druva geſchoben. Bei Fortsezung unsers Rittes
nach Druva hinauf blieben unsre Blicke und Fernstecher auf dies Bild gerichtet,
das uns als etwas so ganz Eigenartiges, sonstiger olympiſcher Art Fremdes
begrüßte. Es war der 8. Mai. Da es dunkelte, konnten wir nicht mehr hinab,
trafen oben schon mit den damals die Ausgrabung leitenden Herren zuſammen und
drückten )x. Guſtav Hirschfeld, dem damaligen Führer der Olympigaexpedition,
und seiner uns liebenswürdig im Expeditionshauſe begrüßenden jungen Frau
unsre Freude aus, gerade zu einem augenscheinlich für Olympia merkwürdigen
neuen Funde zurechtgekommen zu sein. „Ja," meinte Hirſchfeld, „sonderbar
genug, hier einer doch wohl römiſchen Statue zu begegnen, die trotzdem recht
schön zu sein scheint." Die bedingte Form der letzten Worte war berechtigt
angesichts der noch ausstehenden Reinigung der Figur. Noch öfter während
des munteren abendlichen Zuſammenseins kam die Rede auf den neuen Fund,
aber auch auf vieles andre. Es war für uns eine Freude, nach den etwas
mühevollen Wochen und so manchem doch recht zweifelhaften Quartier behag-
liche deutsche Häuslichkeit zu genießen und in zweifellos reinen guten Betten zu
ſchlafen.

Der folgende Morgen fand uns früh auf. Als wir nach dem Frühstück
hinunterstiegen, bat ich Hirſchfeld, doch gleich in jenen Schuppen treten zu
dürfen, um auf die neue Statue einen neugierigen Blick zu werfen. Trotz der noch
nicht entfernten Decke von Erdreichreſten, Kalkſpuren, Sinter uſw. fielen mir
zwei Eigentümlichkeiten sofort auf : die wundervolle Ausführung des Nackten,
soweit es sichtbar war, sowie des Gewandes, das teils mit der Statue ver-
bunden, teils in loſen Streifen daneben lag, doppelt wirkungsvoll in dem pracht-
vollen leuchtenden pariſchen Marmor, alsdann in auffallendem Gegensatz dazu
die Vernachlässigung der Rückseite und des Haares. Ich verhehlte Hirschfeld
meine Meinung nicht, daß das Werk für eine römiſche Arbeit zu lebensvoll, zu
gut und dabei zu ungleich sei. Es müsse griechisch sein. „Nun ja," meinte
Hirſchfeld, „wir müssen sehen.“ Es wurde Auftrag erteilt, mit vorsichtiger
 
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