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Durm, Josef
Handbuch der Architektur (Theil 2, Die Baustile ; Bd. 1): Die Baukunst der Griechen — Darmstadt, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.1160#0093
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diefem Sinne zunächft die Deckenbalken des Pteron20) aufnehmen, welche dann
mit ihren Enden und Zwifchemveiten das Motiv für die Geftaltung des Friefes ab-
gegeben haben würden. Eine folche Auflagerung der Deckenbalken trifft wohl an
jonifchen Monumenten zu, nicht aber an dorifchen.

Die Decken der feitlichen Umgänge beftanden entweder aus an einander ge-
reihten caffettirten Platten (Parthenon) oder aus einzelnen Steinbalken mit zwifchen-
gelegten Caffettenplatten (Thefeion), die aber in beiden Fällen nicht unmittelbar
auf den Architraven, fondern auf dem Friefe ruhten.

Der auf dem Architrav ruhende eigenthümlich und energifch gegliederte Fries,
eines der am entfchiedenften ausgefprochenen und charakteriftifchen Merkmale der
dorifchen Bauweife, zeigt in der äufseren Erfcheinung in gewiffen Intervallen loth-
recht emporfteigende, fchmale, mit Einkerbungen und Abkantungen verfehene Stein-
blöcke — Triglyphen — die oben durch ein Kopfband, welches nur nach der
vorderen Seite hin eine geringe Ausladung zeigt, gefchmückt find. Die Intervalle
fchliefsen in vielen Fällen glatte oder ornamentirte oder mit Figuren-Reliefs gezierte,
nach Aufsen gewöhnlich quadratifch erfcheinende Platten, in anderen Fällen volle Blöcke
— Metopen — die oben ein etwas niedrigeres Kopfband, als die Triglyphen tragen.

Die Triglyphen werden von Bötticher und Anderen als »kurze Pfeiler zur
Abftützung« des darüber liegenden Kranzgefimfes, als Pfoften der Lichtfenfter, der
urfprünglich offenen Intervalle, die zur Erleuchtung der Cella gedient hätten,
angefehen; weiter follen fie urfprünglich noch die Gliederung der Raumdecke hinter
fich geborgen haben und demgemäfs nach drei Seiten frei geftanden haben, und nur
da, wo keine Fenfter nothwendig waren, hätten fie an beiden Seiten die Tafeln, welche
ihre Zwifchenräume fchloffen, aufgenommen. An den drei freien Flächen, wären
die auffteigenden Furchen eingehauen gewefen und davon — »weil fie auf drei Seiten
glyphirt waren« — hätten fie den Namen Triglyphen erhalten. Andere laffen nur
die Furchung der vorderen Fläche gelten und zählen zwei ganze Schlitze und auf den
Ecken je einen halben, zufammen drei Schlitze — Triglyphen.

Der »urfprünglich« offene Raum zwifchen den Triglyphen wird gewöhnlich
mit der Stelle aus der Iphigenie des Euripides (480 bis 407 v. Chr.) begründet,
die handfchriftlich lautet:

öpo 8i y sicco rpiykvcpcov onei xevov

ösjiqs xa&sivoi........

wörtlich überfetzt (da sicco — in, hinein bezeichnet): »Schaue aber in die Triglyphen,
wo (etwa?) ein freier Raum fei, den Körper hinabzulaffen« —was allerdings nicht vielen
Sinn giebt. Eine andere Schreibart: öpa de y, sicco .. . »Siehe aber zu, ob innerhalb
der Triglyphen ein leerer Raum fei . . .« theilt daffelbe Schickfal. Uebrigens werden
die Worte von den Philologen für verderbt gehalten, indem Blomfield ftatt y' sicco
lefen willyeiaa, und Nauck ftatt xevcv vermuthet y^scov. Für Ö7toi ift aufserdem bnov
und sinov conjicirt worden. Es find demnach alle Worte, mit Ausnahme des
unfchuldigen rptjdwpov angezweifelt. Mit diefem Verfe wird fich fomit nicht viel
beweifen laffen.

Euripides befchreibt überdies eine barbarifch-heroifche Einrichtung, die über
ein halbes Jahrtaufend vor feiner Zeit ftatt gehabt haben foll. Angeblich am Tage

2°) Die rechts -und links von der Tempel-Cella vorfpringende Ueberdeckung des Umganges wurde Pteron (ftTspOV,
Flügel) genannt.
 
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