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Durm, Josef
Handbuch der Architektur (Theil 2, Die Baustile ; Bd. 1): Die Baukunst der Griechen — Darmstadt, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.1160#0175
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156

Allgemeine;;.

Gemifcliter
Stein- und
Holzbau.

108.
Zeugnifle
deffelben.

B. Die jonisehe Ordnung.

8. Kapitel.
Entwickelung.

Die Cultur Affyriens und Aegyptens war fchon fehr lange eine hoch ent-
wickelte, bevor man an den reichen, fruchtbaren, mit Wäldern bedeckten weftlichen
Geftaden Afiens und auf deren vorliegenden Infein auf dem Gebiete der Baukunft
Refultate aufweifen konnte, welche von einer ähnlichen Bildung und Erkenntnifs
ihrer Urheber zeugten, wie die der genannten Länder. Die Civilifation war in den
beiden Culturcentren fchon fehr vorgefchritten, während fie in Griechenland und
Kleinafien erft aufzudämmern begann.

Von diefen Centren aus wurden fchon frühe Völkerfchaften nach den geogra-
phifch fo günftig gelegenen, durch fchönes Klima verlockenden Gefilden Vorder-
afiens geführt.

Anderthalb Jahrtaufende v. Chr. fehen wir die ägyptifchen Fürften der
18. Dynaftie und zwei Jahrhunderte fpäter den grofsen Ramjes Heereszüge nach
Vorderafien unternehmen und wieder zwei Jahrhunderte fpäter einen von Afien aus
unternommenen Völkervorftofs nach Europa, von dem benachbarten europäifchen
Hellas aus auf die afiatifchen Infein und Küftenftriche zurückfluthen.

Die arifche und die femitifche Race trafen und vermifchten fich hier; Affyrer
und Aegypter liefsen ihre Spuren zurück; die beweglichen Semiten, die Männer
von Sidon und Tyrus, unterhielten von hier aus den Verkehr mit den fernen
Völkerfchaften, auf dem Binnenlande und zur See.

Unter diefen Verhältniffen muffte die Kunftweife, welche fich auf diefem Boden
entwickelte, ein eigenthümliches Gepräge erhalten, aber auch einer Urfprünglichkeit
entbehren.

Zum Bauen waren in diefen Landftrichen Holz und Stein im Ueberflufs vor-
handen — arifche Holzconftructionen und femitifche Steinconftructionen traten daher
neben einander auf.

Die Mauern wurden aus regelmäfsigen und unregelmäfsigen Steinen, die Thür-
und Fenfterrahmen, die Decken und Dächer und auch die Freiftützen aus Holz
hergeftellt, die Dächer mit gebrannten Ziegeln gedeckt. Die leichte Bildfamkeit
des Holzes führte zur üppigen Anwendung bildnerifchen Schmuckes; feine Vergäng-
lichkeit verlangte fchützende Ueberzüge, welche als Farbenaufträge, als reiche Be-
malung in glänzenden Tönen auftraten oder aus Metall- und Terracotta-Bekleidungen
beftanden.

Die mächtigen Ufer-, Terraffen- und Steinwallbauten Vorderafiens, welche wohl
die in leichtem Holzftil oder in gemifchtem Stein- und Holzftil ausgeführten Lager-
häufer und Magazine der phönikifchen Kaufleute trugen oder zur Herrichtung und
Sicherung von Häfen und Landungsplätzen dienten, die gewaltigen Tempelterraffen
Jerufalems legen heute noch in ihren Reften beredtes Zeugnifs für den in Vorder-
afien frühe herrfchenden Steinftil der Semiten ab. Das Element, dem diefe Handels-
herren Exiftenz und Vermögen verdankten, verlangte die mächtigen, monumentalen
Schutzbauten gegen deffen Gewalt, und auf der anderen Seite wieder die Beherrfchung
der leichteren Holztechnik für die Herftellung des nöthigen Verkehrsmateriales. Sie
 
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