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Molsdorf, Wilhelm; Heitz, Paul [Hrsg.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 12): Die niederländische Holzschnitt-Passion Delbecq-Schreiber [Teil 1] — Straßburg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.21232#0015
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EINLEITUNG.

Unter den Bilderzyklen, denen wir in der christlichen
Kunst des Mittelalters begegnen, hat keiner eine
so häufige Darstellung erfahren wie die Passion Christi.
Allerdings ist die Vorliebe für diesen Gegenstand leicht er-
klärlich, denn einmal steht die Leidensgeschichte im Mittel-
punkte der kirchlichen Lehre wie des Kultus, und zum an-
deren mußte der hochdramatische Charakter, der den Pas-
sionsszenen eigen ist, die Künstler immer und immer wieder
zur Darstellung dieses Themas anlocken. Insbesondere hat
aber die gegen den Ausgang des Mittelalters aufkommende
Technik der Vervielfältigung durch Druck solche Bilder-
serien, deren Ausführung die bildende Kunst — voran
die Miniaturmalerei — nur Kirchen oder wenigen auser-
wählten Personen ermöglichte, den breiten Schichten des
Volkes zugänglich gemacht. Holzschnitt, Metallschnitt und
Kupferstich haben schon frühe nach dieser Richtung hin
den gleichen Eifer entwickelt. Es sei nur auf die ehr-
würdige Kupferstichpassion mit der Jahreszahl 1446 hin-
gewiesen, von der das Berliner Kabinett eine Reihe Bilder
besitzt; nicht viel mehr als ein Dezennium jünger dürfte
die Folge von Schrotschnitten sein, die ursprünglich als
Bilderschmuck für ein um 1460 gedrucktes «Leiden Christi»1
hergestellt waren. Die größte Verbreitung aber hat die
Darstellung der Passion durch den Holzschnitt erfahren,
und wenn auch von den in losen Blättern oder in Block-
buchform herausgegebenen Bilderserien nur ein geringer
Bruchteil auf unsere Tage gekommen ist, so zeigt doch
die häufige Hinweisung auf solche Holzschnittfolgen in

1 Cim. 62b der Hof- und Staatsbibliothek München (Nr. 912-938 der
von C. Teufel herausgegebenen Photographien von Seltenheiten dieser Bi-
bliothek).

Schreibers Manuel1 recht deutlich, welcher Beliebtheit
sich die Leidensgeschichte bei den Xylographien des 15.
Jahrhunderts als Motiv für eine zusammenhängende Dar-
stellung erfreut hat.

Der Umfang des Bilderkreises ist aber durchaus kein
feststehender; nicht nur in der Wahl der Ereignisse für
den Ausgangspunkt und das Ende der Passion zeigt sich
bei den verschiedenen Formschneidern ein Hin- und Her-
schwanken, auch bei der Vorführung des Leidensweges
macht sich bald eine größere Ausführlichkeit bald ein
mehr sprunghaftes Vorgehen bemerkbar. Allerdings darf
nicht unbeachtet bleiben, daß wir bei den losen Brlderfolgen
keine Garantie für Vollständigkeit haben, da ja im Laufe
der Jahrhunderte das eine oder andere Stück daraus ver-
loren gegangen sein kann; aber auch bei den in festerer
Form erschienenen Passionen finden sich solche Abwei-
chungen. So gibt das Blockbuch eines «Leidens Christi»
mit deutschem Text (Schreiber IV, S. 330 f.) als letztes
Bild die Darstellung des jüngsten Gerichtes; dagegen
endet eine lateinische Ausgabe (Sehr. IV, S. 325 f.)
mit dem Erscheinen Christi in der Vorhölle, während
wiederum der Einblattdruck einer etwas summarisch ge-
haltenen Passion (Sehr. 22) die Auferstehung als Schluß
bringt. Innerhalb des Verlaufes der Leidensgeschichte macht
sich die Ungleichheit der Behandlung namentlich bei den
Gerichtsszenen bemerkbar; so kommt in der Passion der
Fürstl. Fürstenbergischen Sammlungen zu Donaueschingen
überhaupt kein hohepriesterliches Verhör vor,2 während

1 Manuel de l'amateur de la gravure sur bois et Sur m£tal au XVe
siecle. T. 1: Nr. 47, 127, 162, 163, 176, 213 u. ö. sowie T. 4, S. 320f.

2 Vgl. W. L. Schreiber: Holzschnitte des 15. Jh. in den Fürstl. Für-
stenberg. Sammlungen zu Donaueschingen. Straßburg 1907. Nr. 1—16.

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