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Molsdorf, Wilhelm; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 12): Die niederländische Holzschnitt-Passion Delbecq-Schreiber [Teil 1] — Straßburg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.21232#0018
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DER BILDERKREIS DER ZWANZIG PASSIONSHOLZSCHNITTE.

Blatt 1 : Christus im Hause des Phari-
säers Simon (Sehr. 148).

Die Eröffnung der Passion mit diesem Bilde ist in-
sofern beachtenswert, als es sich hier nicht um einen eigent-
lichen Akt der Leidensgeschichte handelt sondern nur
um eine symbolische Hinweisung auf das Begräbnis

Abb. 1.

Christi. Der Darstellung liegt die Erzählung Luk. 7, 36 f.
zu Grunde. In der Mitte sitzt Jesus im Gespräche mit
dem Pharisäer; unter dem Tische kniend, küßt die
«Sünderin» die Füße Christi und will sie mit ihren Haaren
von den Tränen trocknen. Durch den Nimbus, der ihr
Haupt schmückt, gibt sich in der Darstellung die tradi-
tionelle Auffasung wieder, die Sünderin mit der Maria

Magdalena zu identifizieren. Die bartlose Person, die an
der linken Seite des Tisches steht, ist zweifellos ein
Diener; über seine rechte Schulter hängt ein Tuch, und
in der Hand hält er ein Gerät am Henkel. Wir begegnen
dieser Figur wieder bei den beiden Verhören Christi vor
Pilatus (Bl. 8 und 12), auf dem letzteren Bilde gleichfalls
mit dem Tuche über der Schulter.

Die Darstellungen des Gastmahls im Hause Simons
sind nicht gerade häufig. Als Einzel-Formschnitt kennt
Schreibers Manuel nur den vorliegenden, dagegen geben
mehrere Blockbücher und Inkunabeln, die das Leben oder
Leiden Christi behandeln, den Vorgang wieder. Unser
Holzschnitt steht in engster Beziehung zu der entsprechen-
den Darstellung in den sog. xylographischen Ausgaben
des Speculum humanae salvationis (Sehr. IV, 114 f.). Die
zur Vergleichung beigegebene Abbildung des Blockbuches
(1) ist wie die auch noch folgenden dem Exemplar der
Münchener Hof- u. Staatsbibliothek entnommen.1

Bl. 2: Das Abendmahl (Sehr. 175).

Das Bild, das den Vorgang in der üblichen Weise
wiedergibt, würde kaum unser Interesse erwecken, wenn
nicht die im Vordergrunde sitzende, dem Beschauer den
Rücken zukehrende Person die Aufmerksamkeit auf sich
lenkte. Ganz im Gegensatz zu der Ruhe, die die übrigen
Jünger mit Ausnahme des Judas im Gesichtsausdruck wie
in der Körperhaltung bewahren, ist die lebhafte Erregung
dieser mit einer gewissen Pose sich auf dem hohen
Lehnstuhle breitmachenden Figur recht auffallend. Sie
drängt sich dem Beschauer so unmittelbar auf, daß selbst
die Hauptperson, der stehende Christus, ihr gegenüber
fast zurücktritt. Für uns aber hat dieser Jünger noch ein

t Xyl, 37. Photographien von C. Teufel in München (Nr. 4211 ff.).

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