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Molsdorf, Wilhelm; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 12): Die niederländische Holzschnitt-Passion Delbecq-Schreiber [Teil 1] — Straßburg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.21232#0019
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besonderes Interesse, denn er, wie auch der links von
ihm sitzende Judas ist eine Kopie im Gegensinne nach
dem Kupferstiche des Abendmahles vom Meister J A M
von Zwolle.

Die beigegebene, stark verkleinerte Wiedergabe des
letzteren Blattes (s. Abb. 2) erübrigt eine Aufzählung
der übereinstimmenden Punkte. Die Abhängigkeit unseres
Formschneiders erstreckt sich hier bis auf Kleinigkeiten;
ich weise bloß auf die dem Judas vor Schreck vom
Haupte fallende Kopfbedeckung hin sowie auf die Form
der Stühle, auf denen die beiden Jünger sitzen. Sonst ist aus
dem lebensvollen Kupferstiche nichts übernommen, nur

Abb. 2.

in dem Fehlen der Nimben und in dem über den Kopf
gezogenen Mantel bei dem linken Nachbar des Judas
kann man vielleicht noch eine Anlehnung an den Meister
von Zwolle erblicken. Dagegen haben die etwas rohen
Züge in der Darstellung des Kupferstiches, wie der sich
mit der Hand schneuzende Apostel, und der gerade in
dem bedeutsamen Momente seinen Becher füllende Jünger,
in unserem Holzschnitte einer würdigeren Auffassung Platz
gemacht.

Bl. 3: Christus am Oelberg (Sehr. 198).

Die Darstellung hält sich an den vom künstlerischen
Standpunkte aus wirksameren Aufbau: vorn die Gruppe der
schlafenden Jünger, überragt von der Hauptperson, dem
betenden Christus, im Hintergrunde. Eigentümlich ist die
Verhüllung des Hauptes bei Johannes, der seinen Mantel

I weit über den Kopf bis unter die Augen gezogen hat.
In zeichnerischer Hinsicht verdient das ausdrucksvolle

i Antlitz Christi Beachtung; während auf den übrigen

■ Blättern der Passion das Haupt Christi fast ausschließ-
lich en face und mit der Miene des gottergebenen Dulders

I wiedergegeben ist, spiegelt sich in dem außerordentlich
scharf geschnittenen Profile der Seelenkampf in seiner
ganzen Größe wieder.

Bl. 4: Gefangennahme Christi (Sehr. 222).

Wie bei den weitaus überwiegenden Darstellungen
I dieser Szene tritt auch in dem vorliegenden Holzschnitte das
wesentlichste Moment, die Gefangennahme Christi, gegen-
über der den Vordergrund einnehmenden Malchusepisode
zurück. Man geht nicht fehl, wenn man diese unvorteilhafte

Abb. 3.

Gruppierung — wie so manche andere in den Passions-
bildern — dem Einfluß der Passionsbühne zuschreibt, auf
der der am Boden sich windende Knecht jedenfalls eine
recht wirksame Figur war.1 Das Bild könnte eine passende
Illustration zu der Klage des Malchus abgeben, wie sie
etwa im Frankfurter Passionsspiel zum Ausdruck kommt2:

«Wwe myns großen schaden,

mit dem bin ich boßlich uberladen,

das ich han verlorn myn ore!

nu sehen ich als ein dore!

der spot dut mir gar we!

doch muwet mich myn schade me!

1 Ueber die Wechselbeziehungen von Passionsbühne und Malerei im 15.
und 16. Jahrhundert vgl. die trefflichen Aufsatze von K. Tscheuschner im
Repertorium f. Kunstwissenschaft. Bd. 27 (1904) und 23 (1905).

2 Vgl. R. Fronin g: Das | Drama des Mittelalters. T. 2 (= Deutsche
National-Literatur hrsg. v. Kürschner. Bd. 14, 2). S. 462, Vers 2381 f.
 
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