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Schulz, Fritz Traugott [Editor]; Germanisches Nationalmuseum <Nürnberg> [Editor]; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 13): Die Schrotblätter des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg — Straßburg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.21233#0031
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gleiters legt. Auch er trägt einen kurzen, aber nur bis
zur Mitte der Oberschenkel reichenden, unterhalb der
Hüfte ebenfalls geschlitzten Rock, der ebenso wie seine
Hosen ganz geperlt ist. Seine Kopfbedeckung besteht
in einer geperlten Mütze mit kronenartigem Abschluß und
einem Schleiertuch, das seitlich rechts über das Antlitz
herabfällt. Der Hauptvorgang spielt auf einer mit Blumen
reich belebten Wrese. Links von Maria wird ein Teil
des Stalles sichtbar, bestehend in einem geraden Dach,
das vorn auf einem von zwei Steinplatten getragenen
Pfosten, hinten auf der Kragkonsole einer Quadermauer
mit romanischem Fenster, das durch eine Säule zwiefach
geteilt ist, aufruht. An die Quadermauer schliefst nach
rechts, den szenischen Vorgang nach dem landschaftlichen
Hintergrund zu abgrenzend, eine niedrige Brüstungsmauer,
ebenfalls in Quadern, an. Vorn im Stall steht Joseph
mit brennender Kerze und Stab. Weiter bemerken wir
hinter der Maria ein Körbchen und hinter Joseph Ochse
und Esel, in einer Bretterumzäuiiung stehend. Ueber der
größeren Quadermauer schwebt der achtstrahlige Stern.
Als Hintergrund dient eine lebendig gegliederte Gebirgs-
landschaft. Ganz links erheben sich zwei gleich hohe
Berge, von denen der eine eine Burg, der andere eine Wind-
mühle trägt. In der Senkung zwischen ihnen steht ein
Baum. Zwei Männer mit Säcken und ein Hund bewegen
sich den rechten Bergabhang hinab. Die rechte Hälfte
des Hintergrundes durchschneidet in S-Linie ein Fluß,
auf dem ein Schifflein schwimmt, und an dessen Ufer
eine befestigte Stadt mit vier Mauertürmen gelegen ist.
Links von ihm hüten auf einem Felsplateau die den
Stern verwundert betrachtenden Hirten ihre Schafe. Zwei
hohe burgbesetzte Felsen, von denen der linke schräg
herüberragt, heben sich scharf silhouettiert aus der weißen
Luft heraus. Drei Reiter und ein Mann zu Fuß streben
zum rechten Burgberg empor. Ganz rechts zieht sich
ein flaches Plateau hin mit einer stadtähnlichen Anlage.
Es macht den Eindruck, als seien die Darstellung und
die umrahmende Bordüre je für sich von besonderen
Platten abgedruckt. Das Wasserzeichen hat die Form
eines Ankers mit einem kleinen Kreuz. (Faksimiliert bei
W. u. Z. unter. Nr. 358.) Maße mit Einfassung: 23,1
—23,3 cm h., 17,9 cm br. Maße ohne Einfassung:
17 cm h-, 11,9 cm br.

Die Technik des Blattes ist durch große Sauberkeit
gekennzeichnet. Bei der Gewandung fällt die reichliche
Verwendung der Perlung auf. Die Regelmäßigkeit der
Punkte ist eine große. Die Gewandfalten haben bei der
Maria und dem vor ihr knieenden König eine scharfe
Ausprägung erhalten. Abgesehen davon, daß sie fast nur in
geraden Linien geführt sind, wirken sie dadurch, daß neben
die kräftige schwarze Vertiefung noch eine weiße Linie ge-
legt ist, sehr hart und störend. Dezenter ist ihre Be-
handlung bei den übrigen drei Figuren, wo wir nur zarte

schwache Linien finden, die mit Verständnis gezogen sind.
Ganz geperlt sind auch der Ochse und der Esel sowie
der Holzverschlag, in dem sie stehen. Auch der Hinter-
grund zeigt mit Ausnahme des Wassers, der kleinen
Figuren und der Gebäude Perlung. In den meisten
übrigen Fällen ist der Grabstichel zur Anwendung ge-
kommen. Mit großer Virtuosität wurde er zur Zeichnung
der Blumen und Ranken verwandt, während er im Gegen-
satz dazu bei der Charakterisierung der Gesichter durch
allzu straffe Linienführung etwas den Eindruck von Leb-
losigkeit hervorgerufen hat. Von größter Schärfe ist seine
Anwendung in symmetrischer Kreuzschraffierung beim
Fußboden des Stalles.

Bei der künstlerischen Beurteilung des Blattes müssen
wir die Eintönigkeit in den Gewändern, den gering-
wertigen Gesichtsausdruck und die linkische Behand-
lung des landschaftlichen Hintergrundes ausschließen und
uns einzig und allein der Gesamtkomposition des
Blattes zuwenden. Es kann nicht geleugnet werden, daß
diese eine äußerst lebendige und reiche Abwechselung
bietende ist. Die Gruppierung der Figuren ist eine
glückliche. Der blumige Untergrund gibt ihnen ein wirk-
sames Relief. Dazu weitet sich nach rückwärts der Blick
auf eine in der Schrottechnik in dieser Art nicht allzu
S häufige landschaftliche Szenerie, die in markiger Silhou-
| ette hervorsticht und durch allerhand figürliches Bei-
| werk sinnig belebt ist. Die bewußte Verwendung der
Landschaft gibt dem Blatt unter den übrigen seiner
Gattung einen ganz bestimmten Wert. Ein Meister ist
der Verfertiger des Blattes in der Zeichnung der Blumen,
Gräser und Blätter.

Das Kolorit bewegt sich in den drei Haupttönen:
gelb, blaß-rot und grün. Gelb ist verwandt an den
Haaren der Maria, des Kindes und des knieenden Königs,
| an dem Kästchen und der Büchse der beiden vorderen
| Könige, an den Kronenreifen ihrer Kopfbedeckungen, am
Holzwerk des Stalles, an dem in ihm stehenden Körb-
chen und am Holzverschlag für die Tiere, ferner für den
Stern und das Schiffchen auf dem Fluß; blaß-rot für die
Mauer des Stalles, die Abschlußmauer der vorderen Szene,
die Windmühle, einzelne Teile der Burgen im Hinter-
grunde und teilweise für die kleinen Figuren, weiter für
den Mantel der Maria, die Kapuze des knieenden Königs
und die Blumen in der umrahmenden Borde; grün für
den Boden, soweit er flach ist, für das Futter der Tiere,
die Mütze Josephs, den Rock eines der Schäfer und eines
der Reiter, und endlich für die Ranken der umrahmenden
Borde. Ein schmutziges Braun-gelb scheint beim Bart
Josephs und beim Bart und Haar des nach vorn schreiten-
den Königs angewandt worden zu sein.

Nach Lehrs, Katalog der im Germanischen Museum
befindlichen deutschen Kupferstiche des 15. Jahrhunderts,
S. 28, stammt das «interessante» Batt aus der Langer'-
 
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