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Schulz, Fritz Traugott [Editor]; Germanisches Nationalmuseum <Nürnberg> [Editor]; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 13): Die Schrotblätter des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg — Straßburg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.21233#0042
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anliegenden Hosen. Weiter trägt er kurze Stiefel mit wei-
chem Oberleder und auf dem Haupt eine turbanähnliche
Mütze, in der ein Pfeil steckt. Ein zweiter schaut rechts
seitlich des linken Oberschenkels hervor. Ein weiß ge-
mutetes Band hängt von der linken Schulter nach der
rechten Hüfte herab. Links daneben wird ein zweiter
Scherge bemerkt. Er wendet dem Beschauer den Rücken
zu und legt gerade die etwas übermäßig groß erscheinende
Armbrust auf den Heiligen an. Man wird nicht ganz klug
daraus, ob er eine Kopfbedeckung trägt. Das über dem
Haupt helmartig aufgebaute Bekleidungsstück scheint aber
eine solche vorstellen zu sollen. Das mit Fleiß detaillierte
Haar flutet frei über den Nacken herab. Der enganschlies-
sende Leibrock reicht fast bis zu den Knieen herunter.
An den Oberarmen wird er von weißgerauteten Borden
umzogen. Auch der Saum sowie die Schlitze an der rech-
ten Seite und am Rücken zeigen solche Borden. Die Beine
stecken in hohen Stulpenstiefeln mit weichem Oberleder.
Ganz links steht auf einer Anhöhe ein dritter Scherge.
Dem Beschauer den Rücken zuwendend, beugt er sich
nach vorn, die Sehne seines Bogens kräftig anziehend.
Nach einer Bleistiftbemerkung von Lehrs ist diese Figur
gegenseitig und unverstanden kopiert nach einem Schleu-
derer vom Stephanus-Martyrium P. IL 32 App. 55 in
Dresden. Sie trägt enganliegende Beinkleider ohne be-
sondere Hervorhebung der Schuhe, einen kurzen Leibrock
mit breitem Saum und eine aus Tuch bestehende, das
Haupt ganz verhüllende und bis über die Schultern herab-
gehende Kopfbedeckung. Der links stark, rechts zweimal
schwächer gewellte Boden ist mit Gräsern, Blumen und
Pflanzen belebt. Unter der Darstellung zieht sich eine
Schriftbordüre hin, welche folgende Worte enthält: «Ora
• pronobis ■ sancte • mart[ir] • cristi • Sebastiane». Zwischen
dem t des «mart[ir]» und dem c des «cristibefindet sich
ein die Schrift unterbrechendes Loch. Das freie Stück der
Bordüre ist durch Ranken ausgefüllt. Die eigentliche Dar-
stellung weist zwei Löcher auf, und zwar ein kleineres
an dem Hügel zur Linken, ein größeres an der rechten
Lende des ersten Bogenschützen und am rechten Arm des
zweiten. Das weißgraue Blatt ist auf neuem Papier auf-
gesetzt. Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Stab und Andreas-
kreuz. Gesamtgröße im jetzigen Zustand: 17,3 cm h.,
16 cm br.

In der Technik macht sich eine nicht geringe Vorliebe
für weiße Punktierung über schwarzem Grunde bemerkbar.
So ist der freiliegende Erdboden durch weiße Punkte be-
zeichnet. Größere, einander gleichende Punkte stehen dich-
ter zusammen; dazwischen sind zahlreiche kleinere Punkte
verstreut. Die Beinkleider der Schergen sind ebenfalls dünn
punktiert. Außerdem aber sind sie durch weiße Linien
gegliedert. Der Rock des mittleren Schergen weist eben-
falls dichte Punktierung auf. Das Gleiche gilt vom Leib-
rock des rechten Bogenschützen, in den außerdem schmale

weiße Rauten hineingestreut sind. Zur Modellierung des
nackten Körpers des Heiligen ist in reichem Maße Paral-
lelschraffierung verwandt. Kreuzschraffierung, teilweise
überhöht durch meist gleichgroße Punkte, finden wir am
Lendenschurz des Sebastian, an den Stiefeln der beiden
rechten Schergen, am Rock des Schergen ganz links und
an den Aermeln des mittleren Schergen. An vielen Stellen
werden scharfe Kanteneindrücke bemerkt. Die Technik
des Blattes erinnert an diejenige des St. Bernardin in
Paris, der nach Schreiber (Nr. 2567) im westlichen Fran-
ken entstanden, nach Bouchot (Nr. 86) vielleicht von einem
burgundischen oder provencalischen Künstler nach einem
italienischen Original kopiert worden ist. Ersterer liest die
Jahrzahl am Ende der Unterschrift als 1474, letzterer als
1454. Als technisch verwandte Blätter wären ferner zu no-
tieren : der große Christopherus, Bouchot Nr. 94 (Franche-
Comte ou Lorraine, vers 1440), Schreiber Nr. 2590 (um
1460 am Rhein entstanden); der h. Franziskus, Bouchot
Nr. 100 (Region du Rhone, 1440), Schreiber Nr. 2627
(entstanden zwischen 1450 und 1460); der S. Georg,
Bouchot Nr. 102 (Franche-Comte ou Lorraine, vers 1440),
Schreiber Nr. 2633 (um 1450—1460 am Rhein ent-
standen); die h. Catharina, Bouchot Nr. 134 (Bourgogne,
1430?), Schreiber Nr. 2569 (entstanden um 1450-
1460); der h. Georg in St. Gallen, Schreiber Nr. 2635
(entstanden am Rhein; reproduziert in dem St. Gal-
lener Bande der Heitzschen Einblattdruck-Monographien,
Tai 17).

Die künstlerische Qualität des Blattes ist eine min-
dere. Die erwähnten Unverstandenheiten in der Darstel-
lung legen den Gedanken an die Benutzung originaler
Vorlagen nahe.

Das Blatt ist in Gelb, Rotbraun und Grün koloriert.
Gelb ist angewandt für die Schrift, den Stamm und die
Aeste des Baumes, für die drei Pflanzen am Boden, für
den Nimbus und das Haar des Heiligen, für das Haar
des ersten und zweiten Schergen, für die gerauteten Bor-
den an den Röcken derselben, für den Bogen der Arm-
brust und die Aermel des zweiten Schergen; Rotbraun für
die Stiefel des zweiten Schergen, für die linke Rockhälfte
des dritten und zur Belebung der unteren bezw. oberen
drei Halbkreise in der umrahmenden Bordüre; Grün für
die ausfüllenden Ranken des Schriftbandes, für den größten
Teil des Bodens, die Baumkrone, den unteren Teil der
Kopfbedeckung des ersten Schergen, für das Band, das
er um die Brust trägt, endlich für die rechte Rockhälfte
des dritten Schergen.

Erworben wurde das Blatt i. J. 1894 von Prof. Dr.
Mone in Karlsruhe um 300 Mark. (Inv.-Kat. Nr. 5609.)

Um 1460.

Unser Buchkatalog rechnet mit der Möglichkeit einer
italienischen Herkunft des vorliegenden Schrotblattes. Be-
gründeter dürfte es sein, wenn wir an eine Entstehung

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