i56
AUFBRUCH NACH OBERAEGYPTEN.
zappelnden, vor wenigen Stunden im Nil gefangenen Waare. Die Efelreiter und Lohnkutfchen
mit voraneilenden und lautrufenden Läufern werden häufiger, Soldaten und glänzende Equipagen
zeigen lieh, und immer dichter wird die Menfchenmenge, immer lauter das Gefchrei, denn nun
ift auch der Chor der Händler und Händlerinnen auf dem Schauplatze erfchienen, der mit lauter
Stimme Gemüfe jeder Art, fowie Trauben, Datteln, Waffermclonen, in Oberägypten gezogene
Bananenbüfchel, Granat- und Liebesäpfel, edle und Kaktusfeigen feilbieten. Schleierlofe Mädchen
laden mit ihren fchwarzen Augen die Vorübergehenden zum Kauf von Orangen, blinde Greife
taften fich durch das Gedränge und zerlumpte Bettler murmeln, Almofen heifchend, einen
frommen Spruch. Zu dem an Fächern reichen Geftell des Zuckerbäckers wenden fich lüfterne
Kinderblicke, aber auch Erwachfene erwerben ein Stück gefponnenen Zucker oder folgen dem
Thierbändiger, der eine ganze gezähmte Affenfamilie auf der Schulter trägt und eine Ziege an
der Leine führt, die auf einer Flafche zu balancircn gelernt hat. Einen feltfamen Anblick bietet
der Nubier, der hochbepackt mit den Erzeugniffen feiner Heimat: Pantherfellen, Eiern und Federn
des Straufses, Spiefsen, ausgeftopften Krokodilen und Nileidechfen, Mufchelkettcn und bunten
Holznäpfen einherkeucht. Luftig fpringt ihm der Kammerjäger voran, der ein mit Fellchen
behängtes Tamburin, in dem eine lebendige Ratte umherhüpft, fchüttelt. Jeder von diefen gar
verfchiedenartig gekleideten Männern und Frauen wünfeht die Aufmcrkfamkeit der Vorübergehenden
oder Hausbewohner auf fich zu ziehen und bedient fich zu diefem Zweck eines befonderen
Rufes. Die Worte, welche jedem von ihnen von den Lippen klingen, hat Laue erlaufcht und
gefammelt, und durch ihn find manche von diefen Strafsenrufen geradezu berühmt geworden.
So namentlich der des Piftazienhändlers, der mit folgendem Satze zum Kaufen einladet: «Die Rofe
war ein Dornftrauch; durch den Schweifs des Propheten kam er zum Erblühen.» Nur geübten
Kennern des Kairener Volksdialekts find diefe Rufe verftändlich, und wie das Auge, fo findet
das Ohr hier keine Zeit, fich einem Dinge mit ungetheilter Aufmcrkfamkeit zuzuwenden; ja es
ift beträchtlich fchwerer, das Durcheinander der die Muski umbraufenden Töne, als den Knäuel
der fie belebenden mannigfaltigen Geftalten zu entwirren.
In den erften Nachmittagsftunden erreicht das Menfchengedränge feinen Höhepunkt. Eine
wogende Fläche von weifsen und bunten Turbanen bewegt fich unter uns auf und nieder, und
wie die Meereswellen von Schiffen und Nachen, fo wird die Menfchenmenge hier von langen
Kamelzügen, dort von rückfichtslos fchnell dahineilenden Karroffen, denen Läufer die Bahn eröffnen,
hier von Reitern auf weithin leuchtenden Satteldecken von Sammet mit Goldftickerei zertheilt,
Hochzeits- und Leichenzüge mit Mufik und Gefang, Freudengejauchze und Klagegefchrei folgen
einander. Wie oft hat der Efeljunge des Europäers, der jetzt auf feinem Grauthier die wogende
Maffe zu durchfehneiden verflicht, fein «riglak», «fchemälak» oder «jeminak», d. i. «Dein Fufs»,
«Deine linke» und «Deine rechte Seite» zu rufen. Der jüdifche Sarräf oder Wechsler, der
dort in dem engften aller Comptoire mit dem Geklapper ieiner Münzen die Vorübergehenden
anlockt, bedeckt ängftlich mit den Händen das Gold auf feinem Zahltifchchen. Alle Münzforten
der Welt ift er anzunehmen bereit, denn wie in der Muski alle Völker, alle Menfchenraffen,
Hautfarben und Sprachen der ganzen Erde, fowie alle bunten Trachten, die wir aus Maskeraden
und Ausftattungsftücken kennen, vertreten find, fo gehen in dem Kairener Handelsverkehr auch
Geldftücke aus aller Herren Länder hin und her: Türkifche und ägyptifche Piafter, Franken und
Napoleonsd'or, Schillinge, indifche Rupien und Guineen, Markftücke und Goldkronen, Maria-
Therefienthaler und öfterreichifche Gulden, ja ibgar filberne Rubel, die in Rufsland felbft zu den
Seltenheiten gehören, wandern hier von einer Hand in die andere und werden felbft von kleinen
v~r
AUFBRUCH NACH OBERAEGYPTEN.
zappelnden, vor wenigen Stunden im Nil gefangenen Waare. Die Efelreiter und Lohnkutfchen
mit voraneilenden und lautrufenden Läufern werden häufiger, Soldaten und glänzende Equipagen
zeigen lieh, und immer dichter wird die Menfchenmenge, immer lauter das Gefchrei, denn nun
ift auch der Chor der Händler und Händlerinnen auf dem Schauplatze erfchienen, der mit lauter
Stimme Gemüfe jeder Art, fowie Trauben, Datteln, Waffermclonen, in Oberägypten gezogene
Bananenbüfchel, Granat- und Liebesäpfel, edle und Kaktusfeigen feilbieten. Schleierlofe Mädchen
laden mit ihren fchwarzen Augen die Vorübergehenden zum Kauf von Orangen, blinde Greife
taften fich durch das Gedränge und zerlumpte Bettler murmeln, Almofen heifchend, einen
frommen Spruch. Zu dem an Fächern reichen Geftell des Zuckerbäckers wenden fich lüfterne
Kinderblicke, aber auch Erwachfene erwerben ein Stück gefponnenen Zucker oder folgen dem
Thierbändiger, der eine ganze gezähmte Affenfamilie auf der Schulter trägt und eine Ziege an
der Leine führt, die auf einer Flafche zu balancircn gelernt hat. Einen feltfamen Anblick bietet
der Nubier, der hochbepackt mit den Erzeugniffen feiner Heimat: Pantherfellen, Eiern und Federn
des Straufses, Spiefsen, ausgeftopften Krokodilen und Nileidechfen, Mufchelkettcn und bunten
Holznäpfen einherkeucht. Luftig fpringt ihm der Kammerjäger voran, der ein mit Fellchen
behängtes Tamburin, in dem eine lebendige Ratte umherhüpft, fchüttelt. Jeder von diefen gar
verfchiedenartig gekleideten Männern und Frauen wünfeht die Aufmcrkfamkeit der Vorübergehenden
oder Hausbewohner auf fich zu ziehen und bedient fich zu diefem Zweck eines befonderen
Rufes. Die Worte, welche jedem von ihnen von den Lippen klingen, hat Laue erlaufcht und
gefammelt, und durch ihn find manche von diefen Strafsenrufen geradezu berühmt geworden.
So namentlich der des Piftazienhändlers, der mit folgendem Satze zum Kaufen einladet: «Die Rofe
war ein Dornftrauch; durch den Schweifs des Propheten kam er zum Erblühen.» Nur geübten
Kennern des Kairener Volksdialekts find diefe Rufe verftändlich, und wie das Auge, fo findet
das Ohr hier keine Zeit, fich einem Dinge mit ungetheilter Aufmcrkfamkeit zuzuwenden; ja es
ift beträchtlich fchwerer, das Durcheinander der die Muski umbraufenden Töne, als den Knäuel
der fie belebenden mannigfaltigen Geftalten zu entwirren.
In den erften Nachmittagsftunden erreicht das Menfchengedränge feinen Höhepunkt. Eine
wogende Fläche von weifsen und bunten Turbanen bewegt fich unter uns auf und nieder, und
wie die Meereswellen von Schiffen und Nachen, fo wird die Menfchenmenge hier von langen
Kamelzügen, dort von rückfichtslos fchnell dahineilenden Karroffen, denen Läufer die Bahn eröffnen,
hier von Reitern auf weithin leuchtenden Satteldecken von Sammet mit Goldftickerei zertheilt,
Hochzeits- und Leichenzüge mit Mufik und Gefang, Freudengejauchze und Klagegefchrei folgen
einander. Wie oft hat der Efeljunge des Europäers, der jetzt auf feinem Grauthier die wogende
Maffe zu durchfehneiden verflicht, fein «riglak», «fchemälak» oder «jeminak», d. i. «Dein Fufs»,
«Deine linke» und «Deine rechte Seite» zu rufen. Der jüdifche Sarräf oder Wechsler, der
dort in dem engften aller Comptoire mit dem Geklapper ieiner Münzen die Vorübergehenden
anlockt, bedeckt ängftlich mit den Händen das Gold auf feinem Zahltifchchen. Alle Münzforten
der Welt ift er anzunehmen bereit, denn wie in der Muski alle Völker, alle Menfchenraffen,
Hautfarben und Sprachen der ganzen Erde, fowie alle bunten Trachten, die wir aus Maskeraden
und Ausftattungsftücken kennen, vertreten find, fo gehen in dem Kairener Handelsverkehr auch
Geldftücke aus aller Herren Länder hin und her: Türkifche und ägyptifche Piafter, Franken und
Napoleonsd'or, Schillinge, indifche Rupien und Guineen, Markftücke und Goldkronen, Maria-
Therefienthaler und öfterreichifche Gulden, ja ibgar filberne Rubel, die in Rufsland felbft zu den
Seltenheiten gehören, wandern hier von einer Hand in die andere und werden felbft von kleinen
v~r