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AUFBRUCH NACH OBERAEGYPTEN.

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Jahrhunderts fie zu gebrauchen; aber fo fehr hängt diefes Volk am Alten, dafs in feinem an
Getreide fo reichen Lande weder das von der Luft, noch das vom Waffer getriebene Rad die
uralte Handmühle des Bauern zu verdrängen vermochte.

Und wie viel, das uns längft durch Denkmäler aus alter Zeit bekannt ift, begegnet uns im
Hafen von Bulak, zu dem wir uns in der Frühe des nächften Morgens begeben! Vor Allem find
es die aus dem Süden kommenden Schiffe, die ihre alte Geftalt bewahrt haben; aber auch die
Form der Dahabijen hat feit der Pharaonenzeit nur geringe Veränderungen erfahren. Ihre Zahl
ift grofs, und fie liegen fo nahe an einander, dafs man fchwer begreift, wie die zur Abreife
Fertigen den Ausgang finden werden. Auch an Dampfern fehlt es nicht in diefem Binnenhafen.
Die gröfsten follen Laftfchiffe den Strom hinauf remorquiren, der zierlichfte wird einen hohen Gaft
des Chediw nach Affuan tragen, einen dritten befteigen fehauluftige Reifende, ein vierter führt
foeben eine Ladung Zucker herbei und den fünften wird Mr. Mariette zu einer Fahrt nach
Oberägypten benützen. Noch füllt der zurücktretende Nil fein tiefes Bett bis an den Rand, und
darum fleht der Schiffsverkehr eben jetzt in voller Blüte. Ein beladenes Boot nach dem andern
treibt in den Hafen und zwanzig Fahrzeuge warten auf günftigen Wind, um die Anker zu lichten.
Am Ufer wimmelt es von Matrofen, Schiffsführern und Kaufleutcn aus Kairo, von Fellachen,
Nubiern und Negern, Kamelführern mit ihren Thieren, Efeltrcibern, Händlern und Bettlern.
Um einen Kaircner Grofshändler find viele Schiffsführer gefchaart. Er war ihnen entgegen-
gefahren und hat für ihre Ladungen an Gummi, Sennesblättern, Elfenbein und harten Hölzern
das Vorkaufsrecht erworben. An einer andern Stelle werden Datteln, deren Zufuhr die Nachfrage
überftieg, und Topfwaaren aus Siüt und Kene verfteigert. Der Dragoman einer englifchen
Familie geleitet zwei mit Koffern beladcne Kamele zur Dahabije und feine Herrfchaft folgt ihm
in buntlackirten, bequemen Micthswagen. Ein Grieche befteigt dort mit mehreren fchwerbeladenen
Packträgern ein grofses, dahabijenartiges Nilboot, das er gemiethet hat, um mit einem Spczerei-
laden an Bord als Befitzer eines fchwimmenden Wdkkäl von Nilftadt zu Nilftadt zu fahren.
Befonders lohnend ift der Befuch diefes Hafens für Denjenigen, welcher Neger von allen
Sehattirungen der Haut zu fehen wünfeht, wenigftens haben wir nirgends fo viele und verfchieden-
artige Schwarze zufammen gefehen wie hier.

Auch unter unferen acht Matrofen befinden fich einige fehr dunkel gefärbte. Der aus
Dongola flammende Sclim ift fo fchwarz wie Ebenholz. Auch unfer fauber gekleideter Sälech, der
der Wirthfchaft vorfteht und alle Arbeiten des Stubenmädchens, des Dieners, der Wafchfrau, der
Plätterin und Haushälterin verrichtet, und unfer Koch Ismail, den wir «den Hausknecht aus Nubier-
land» nennen, ift dunkelbraun. Die beiden Letzteren flammen aus Wadi Haifa beim zweiten Katarakt.
Unfer braver Re'is Hufen und fein Bruder, der Steuermann oder muftämel, find Kairener. Der Schiffs-
junge Gilani, der unfere Pfeifen zu ftopfen und mit «Feuer», d. h. glühenden Kohlen zu verforgen
hat, ift ein munterer Fellahjungc, über den es häufig zu lachen gibt und den Jeder gern hat.

Mit Sälech's Hülfe richten wir uns in dem mit zwei Diwans, einem Speifetifch und einer
Hängelampe verfchenen Salon und den Schlafkabinen, neben denen fich auch ein kleines Badezimmer
befindet, häuslich ein und fetzen uns dann an den Frühftückstifch, auf dem Isma'il's erfte Werke ihren
fehwarzen Meifter loben. Mit Ruhe fehen wir künftigen Mahlzeiten entgegen und fteigen auf das
Verdeck. Das Vordcrtheil des Schiffes gehört der Mannfchaft, die hier auch im Freien fchläft. An
der äufserften Spitze der Dahabije ift die Küche angebracht, und hinter ihr fleht der kurze Maft
mit dem an eine ungeheure Raa befefligten lateinifchen Segel. Das Kajütenhaus ift fo hoch, dafs
man fein Dach, unfern liebften Aufenthaltsort, mit Hülfe einer Treppe erfteigen mufs. Hier
 
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