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VON DER AMONSSTADT ZUM KATARAKT.

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Seil unfere Dahabije mit dem Landungsplatze diefer Stadt verbindet. Ungefäumt treten wir in's
Freie, befteigen das bohe Hinterdeck und, indem wir rund umher fchauen, meinen wir, ein Zauber
habe uns in eine ganz neue Welt verfetzt, und geben uns widerftandslos den wechfelnden
Empfindungen der Ueberrafchung, Bewunderung und Freude hin. Der Nil fcheint hier fein Ende
erreicht zu haben und die Dahabije in einem fchön abgerundeten Landfee zu liegen. Gerade
vor uns erheben fich übereinandergehäufte Felsklippen aus dem Strome, die, wie alles Geftein
dieier Gegend, braunroth fchimmern, denn wir befinden uns ja im Hafen des alten Svene, der
Heimat des Syenits, inmitten des granitenen Riegels, den das arabifche
Gebirge nach Weftcn zu in jüngere Gefteinmaffen einfehiebt, um den
Lauf des Nils zu unterbrechen. Aber der ftarke Flufs hat es vermocht,
beim erften Katarakt, deffen Raufchen wir bald vernehmen werden,
diele Schranken von Urgeftein zu durchbrechen. Wie fchön hebt lieh
von dem röthlichen Ton diefer Felfen das Grün der köftlichen, gerade
jetzt ihre Blütenbülchel entfaltenden Palmen ab, welche auch das zu
unfercr Linken gelegene Afuän umgeben und feinen unteren Theil,
nicht aber die grauen Häufer des höher gelegenen Viertels der Stadt
unleren Blicken entziehen. Von dem öftlichen Nilufer aus, auf dem
fic liegt, ragt gerade vor uns ein ftattliches Mauerftück, vielleicht die
letzte Spur eines zerftörten Bades aus der Zeit der byzantinifchen
Kaifer oder erften Chalifen, in den Strom hinein und der Infel Ele-
phantine entgegen, deren wie ein Oleanderblatt geftaltete Fläche freund-
liches Grün auf Aeckern, Sträuchern und Palmcnbäumen trägt. Hinter
diefem Eiland erhebt fich, die Landfehaft nach Weiten hin abfchliefsend,
ein Hügelzug des libyfchen Gebirges, den ein verfallener arabifcher
Burgbau krönt. Das dunkle Gemäuer diefer Ruine flicht malerifch ab
von dem gelben Wüftenfande, der uns die Frage nahe legt, was diefes
reichlich mit Grün gefchmückte Thal fein würde ohne den Flufs, der

hier feinen Einzug hält in Aegypten, nachdem er den erften Katarakt, ein ftarkes von der Natur
errichtetes Feftungswerk, überwunden. Afuän liegt recht eigentlich an der Schwelle Aegyptens,
und paffend gewählt erfcheint fein altägyptifcher Name Sun, welcher «die den Eingang Gewährende»
bedeutet. Aus diefem Sun ward dann das griechifche Syene und das aus dem koptifchen Suan
entftandenc A-fuän*). In ältefter Zeit ftand der Hauptort des Gaues, zu dem er gehörte, auf der
ihm gegenüberliegenden Infel und hiefs wie diefe felbft Ab, die Elephanten- oder Elfenbeinftätte,
wahrfcheinlich wegen des in feinen Hafen maffenweis einftrömenden wichtigften Handelsartikels
des Sudan. Schon unter den Griechen, welche das fchöne Eiland zu unferer Rechten «Elephantine»
nannten, lief der Garnifonsort auf dem öftlichen Nilufer dem auf der Infel den Rang ab und ift
trotz der mancherlei Anfechtungen, die er durch die Blemmycr und ihre Nachkommen zu erfahren
hatte, eine blühende Stadt geblieben, während Elephantine gänzlich zu Grunde ging. Freilich ift
auch von demjenigen, was Suan-Syene im Alterthume berühmt machte, nur noch wenig zu finden.
Die Granitbrüche, die wir mehrfach erwähnten und zu befuchen gedenken, blieben fehon feit Jahr-
hunderten unbenutzt, denn wir wiffen ja, wie fern es den Völkern des Islam liegt, Werke für die
Ewigkeit zu errichten. Die Weingärten, in denen der in der Pharaonenzeit hoch gefehätzte Rebenfaft

BLUTENBUSCHEL DER
DATTELPALME.

*) Viele fremde Namen, welche mit einem Konfonanten beginnen, machen fich die Araber gefchickt zur Ausfprache durch Prosthefis
eines a; fo wird auch aus Siüt Afiüt.

Ebers, Aegypten. II.

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