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Staatliche Sammlungen für Kunst und Wissenschaft zu Dresden; Ebert, Hans [Oth.]; Staatliche Kunstsammlungen Dresden [Contr.]; Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) [Contr.]
Kriegsverluste der Dresdener Gemäldegalerie: vernichtete und vermisste Werke — Dresden: Staatliche Kunstsammlungen, 1963

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62815#0014
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Bei den vermißten Bildern handelt es sich vielfach um Gemälde, die als Leihgaben
in Büros oder Privatwohnungen von Naziführern oder in andere Amtsräume
gegeben wurden. Der allergrößte Teil der Leihverträge, die uns Auskunft über
diese Bilder hätten geben können, ist wahrscheinlich am 13. Februar 1945 verbrannt
und mit ihnen vielleicht auch einige dieser Leihgaben. Aber es ist durchaus möglich,
daß Bilder dieser Kategorie von Nazifunktionären beiseite gebracht und verschleppt
wurden, so daß sie irgendwo in der Welt wieder einmal auftauchen und der Dres-
dener Gemäldegalerie gemeldet werden können.
Bei unserem ständigen Forschen nach verschwundenen alten Akten haben wir Ende
1962 an einem unmöglichen Ort Aufzeichnungen, Listen und einige Leihverträge
gefunden, die Auskunft geben über von der Direktion der Dresdener Gemälde-
galerie herausgegebene Leihgaben. Aus diesen Unterlagen erfuhren ,wir unter an-
derem von dem Schicksal jener 5 Gemälde in den damaligen deutschen Botschaften
von Warschau und Belgrad, die in unserem Katalog-Manuskript noch als vermißt
angegeben waren. Die Ende 1962 entdeckten Aufzeichnungen machten es notwen-
dig, in dem aus der Druckerei in Korrekturbogen gelieferten Text des Verlust-
kataloges umfangreiche Veränderungen vorzunehmen.
Zu den vermißten Werken gehören auch die Bilder, die unmittelbar nach Beendi-
gung des Krieges aus den 45 Auslagerungsorten der Dresdener Kunstsammlungen
verschleppt wurden. Beim Einzug der Sowjettruppen in Dresden hatte das 164. Ba-
taillon der 5. Sowjetarmee den Auftrag, nichts anderes mehr zu tun, als die Dres-
dener Kunstschätze vor der Vernichtung und Verschleppung zu schützen und in
Sicherheit zu bringen. Wir nennen dieses Bataillon, denen sowjetische Kunstwissen-
schaftler, Museumsfachleute und Restauratoren zugeteilt waren, das Rettungs-
kommando, weil seiner Initiative und seiner unermüdlichen Arbeit zu danken ist,
daß der weitaus größte Teil der Dresdener Kunstschätze der Menschheit bewahrt
wurde.
Dem sowjetischen Rettungskommando hat nach dem Einzug in Dresden niemand
die Karte übergeben, in der die 45 Auslagerungsorte verzeichnet waren. Viele dieser
Orte konnten erst nach längerer Zeit ausgeforscht und aufgesucht werden. Die
Sixtinische Madonna und zahlreiche andere der wertvollsten Bilder der Dresdener
Gemäldegalerie, die im Cottaer Tunnel in Rottwerndorf bei Pirna ausgelagert
waren, konnten am 14. Mai 1945 sichergestellt werden. Die Kalkgrube in Pockau-
Lengefeld, in der neben anderen Dresdener Kunstschätzen eine zweite Gruppe wert-
vollster Bilder ausgelagert war, entdeckte das sowjetische Rettungskommando erst
Ende Mai 1945.
Aus diesem Auslagerungsort und aus manchem anderen, erst später entdeckten
Versteck sind vorher verschiedene Kunstwerke zerstört oder verschleppt worden.
Dabei muß man sich daran erinnern, wie es unmittelbar nach dem 8. Mai 1945 in
Deutschland aussah. Auf den Straßen des Krieges zogen täglich von Westen nach
Osten und von Osten nach Westen Zehntausende im Krieg entwurzelte und heimat-
los gewordene Menschen, die in ihrer verzweifelten Situation mitnahmen, was ihnen
in die Hände fiel und die zu jener Zeit wahrlich nicht viel Hochachtung vor Kunst-
schätzen hatten.
Neben der Kalkgrube in Pockau-Lengefeld fanden die sowjetischen Restauratoren
bei ihrer Ankunft Ende Mai 1945 in einem unverschlossenen Holzschuppen eine
Anzahl Bilder, die von irgendwem zum Abtransport aus der Grube herausgeholt
worden waren. Von einigen Gemälden waren nur noch die Rahmen da, das Kunst-
werk selbst war herausgeschnitten. Es konnte nicht einwandfrei festgestellt werden,
was aus diesem Holzschuppen vor Ankunft des sowjetischen Kommandos alles ver-
schleppt wurde. Darunter befanden sich zwei Bilder von Lucas Cranach, die 1958

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