Französische Plastik.
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daß die Weiterentwickelung der Skulptur zu starker Betonung des
Formellen gelangte. Sie erging sich in die beiden Richtungen des
Formenreizes und der Formennatürlichkeit. Der Formenreiz fand die
nächste Pflege. Der Ausbildung der Technik gereichte diese zu großem
Nutzen, wahrend der innere Gehalt sich verflachte, und man nicht
mehr aus der Tiefe der seelifcheu Empfindung schöpfte, sondern statt
dessen dem Sinnenreize bis zur Sinnlichkeit, selbst bis zur Lüsternheit
fröhnte. Pradier, Courtet zeigten und gingen diesen Weg. Wer
ihn aber nicht einschlug, der mußte durch die besondere Betonung des
Formalen vom Klassicismus zum Realismus, ja zum Naturalismus
gelangen.
Dieser Entwickelungsgang verwirklichte sich in David d'Angers,
der fesselndsten Persönlichkeit für die Betrachtung der Geschichte moderner
französischer Skulptur. In unserer kunsthistorischen Literatur gilt
David als Vertreter des rücksichtslosen Naturalismus. Ohne Frage
mit vollster Berechtigung, wenn wir die gewaltige Anzahl der Einzel-
leistungen als Bruchtheile seines langjährigen Schaffens betrachten,
für welches gleichsam der Generalnenner zu suchen wäre; mehr noch
wenn man den End- und Höhepunkt seiner Entwickelung ins Auge
faßt; nicht aber wenn die erste Hülste seines künstlerischen Schaffens
zum Maßstabe geuommen wird, und noch weniger, wenn man seiner
eigenen Meinung von sich oder auch uur dem Urtheile französischer
Kunsthistoriker traut.
Geboren 1793, erzogen im Haß des Köuigthums und aller
Tyrannei, auch der kaiserlichen, — in seiner ersten künstlerischen Aus-
bildung wesentlich geleitet durch die freiwillige Förderung Louis David's,
des Malers, hatte Pierre Jean David d'Angers in Rom als Pen
sionär der aeacköuiie äs INauee vor den Antiken Roms und im Ver-
kehr mit Canova sich für die Wiedererweckung griechischer Kunst be
geistert und ward in Wort und Schrift ein, man darf sagen, fana
tischer Gegner des Realismus und allen Materialismus in der Kunst,
ein Verfechter der höchsten idealen Kunstanfchauung. Schon der Be
griff der Skulptur faßt nach seiner Vorstellung in sich ,,die Idee der
Apotheose". — Die Kunst darf nicht den Anspruch erheben, die völlige
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daß die Weiterentwickelung der Skulptur zu starker Betonung des
Formellen gelangte. Sie erging sich in die beiden Richtungen des
Formenreizes und der Formennatürlichkeit. Der Formenreiz fand die
nächste Pflege. Der Ausbildung der Technik gereichte diese zu großem
Nutzen, wahrend der innere Gehalt sich verflachte, und man nicht
mehr aus der Tiefe der seelifcheu Empfindung schöpfte, sondern statt
dessen dem Sinnenreize bis zur Sinnlichkeit, selbst bis zur Lüsternheit
fröhnte. Pradier, Courtet zeigten und gingen diesen Weg. Wer
ihn aber nicht einschlug, der mußte durch die besondere Betonung des
Formalen vom Klassicismus zum Realismus, ja zum Naturalismus
gelangen.
Dieser Entwickelungsgang verwirklichte sich in David d'Angers,
der fesselndsten Persönlichkeit für die Betrachtung der Geschichte moderner
französischer Skulptur. In unserer kunsthistorischen Literatur gilt
David als Vertreter des rücksichtslosen Naturalismus. Ohne Frage
mit vollster Berechtigung, wenn wir die gewaltige Anzahl der Einzel-
leistungen als Bruchtheile seines langjährigen Schaffens betrachten,
für welches gleichsam der Generalnenner zu suchen wäre; mehr noch
wenn man den End- und Höhepunkt seiner Entwickelung ins Auge
faßt; nicht aber wenn die erste Hülste seines künstlerischen Schaffens
zum Maßstabe geuommen wird, und noch weniger, wenn man seiner
eigenen Meinung von sich oder auch uur dem Urtheile französischer
Kunsthistoriker traut.
Geboren 1793, erzogen im Haß des Köuigthums und aller
Tyrannei, auch der kaiserlichen, — in seiner ersten künstlerischen Aus-
bildung wesentlich geleitet durch die freiwillige Förderung Louis David's,
des Malers, hatte Pierre Jean David d'Angers in Rom als Pen
sionär der aeacköuiie äs INauee vor den Antiken Roms und im Ver-
kehr mit Canova sich für die Wiedererweckung griechischer Kunst be
geistert und ward in Wort und Schrift ein, man darf sagen, fana
tischer Gegner des Realismus und allen Materialismus in der Kunst,
ein Verfechter der höchsten idealen Kunstanfchauung. Schon der Be
griff der Skulptur faßt nach seiner Vorstellung in sich ,,die Idee der
Apotheose". — Die Kunst darf nicht den Anspruch erheben, die völlige