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Ewers, Hanns Heinz
Die Alraune: die Geschichte eines lebenden Wesens — München: Georg Müller, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.69947#0038

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Sie beharrte noch immer. „Aber im Bureau
kann ich Sie ja doch nie erwischen, verehrter
Herr Justizrat. Ich war in dieser Woche allein
viermal —“
Nun wurde er fast ärgerlich. „Kommen Sie
nächste Woche! Meinen Sie denn, dass man nur
Ihren Kram allein hätte? Was glauben Sie wohl,
was man sonst noch alles zu tun hat? Was mich
allein der Mörder Houten für eine Zeit kostet?
Und da handelt es sich um den Kopf und nicht
nur um eine Handvoll Milliönchen.“ Und er be-
gann, schnurrte ab, unaufhörlich, erzählte eine
ewige Geschichte von diesem merkwürdigen Räu-
berhauptmann, der nur in seiner Phantasie lebte,
und von den juristischen Heldentaten, die er für
diesen unvergleichlichen Lustmörder vollbrachte.
Die Fürstin seufzte, aber sie hörte zu. Lachte
auch manchmal, immer am falschen Platze. Sie
war die einzige von all seinen vielen Zuhörern,
die nie fühlte, wie er log, und sie war auch die
einzige, die seinen Witz nicht verstand.
„Nette Geschichten für die, Kinder!“ kläffte
Rechtsanwalt Manasse. Die beiden Mädchen hör-
ten gierig zu, starrten den Justizrat an mit weit
offenen Augen und Mündern.
Aber der liess sich nicht unterbrechen. „Ach
was, an so was kann man sich nicht früh genug
gewöhnen.“ Er tat so, als wenn Lustmörder das
Allergewöhnlichste seien, was es gäbe im Leben,
als ob man ihnen jeden Tag dutzendweise be-
gegne.
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