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Ewers, Hanns Heinz
Die Alraune: die Geschichte eines lebenden Wesens — München: Georg Müller, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.69947#0044

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ZWEITES KAPITEL, DAS ERZÄHLT, WIE ES GE-
SCHAH, DASS MAN ALRAUNE ERDACHTE

Die Sonne war schon herunter, und die Kerzen
brannten im Kronleuchter des Festzimmers,
als Geheimrat ten Brinken eintrat. Er sah feierlich
genug aus, war im Frack, den grossen Stern auf
dem weissen Hemd und die Goldkette im Knopf-
loch, von der zwanzig kleine Orden baumelten.
Der Justizrat stand auf, begrüsste ihn, stellte
ihn vor, und der alte Herr ging herum um die
Tafel mit einem abgetragenen Lächeln, sagte
jedem ein süsses Wort. Bei den Festmädchen
blieb er stehn, überreichte ihnen hübsche Leder-
etuis mit Goldringen, einen Saphir für die blonde
Frieda und einen Rubin für die schwarze Olga.
Hielt ihnen beiden eine sehr weise Ansprache.
„Wollen Sie nachexerzieren, Herr Geheimrat?“
fragte Herr Sebastian Gontram. „Wir sitzen
schon seit vier Uhr da — siebzehn Gänge! Fein,
was? Da ist das Menü — suchen Sie sich was
aus!“ Aber der Geheimrat dankte, er habe schon
gegessen —
Dann trat Frau Gontram ins Zimmer. Im
blauen, etwas altmodischen, seidenen Schlepp-
kleide, hochfrisiert.

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