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Ewers, Hanns Heinz
Die Alraune: die Geschichte eines lebenden Wesens — München: Georg Müller, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.69947#0223

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erklärt, dass der Alte lüge. Mlle. de Vynteelen
Wohnte dann der nächsten Stunde persönlich bei
— und, siehe da, das kleine Mädchen konnte
seine Lektion vorzüglich, spielte besser wie eine
der andern und zeigte plötzlich eine ganz erstaun-
liche Fertigkeit. Die Pensionsdame machte dem
Musiklehrer heftige Vorwürfe — der sprachlos
dabeistand und nichts anderes zu sagen wusste,
als: „Mais c’est aiccoyable — c’est vraiment
aiccoyable!“
Weshalb ihn die kleinen Pensionfräulein von
nun an nur noch .Monsieur Jncroyable' nannten;
sie riefen es ihm nach, wo er sich nur sehen liess,
Und sprachen es aus, wie er, als ob sie keine
Zähne mehr im Munde hätten.
Was die Miss angehe, so habe sie kaum mehr
einen ruhigen Tag erlebt, stets sei ihr wieder ein
neuer dummer Streich gespielt worden. Man
habe ihr Juckpulver ins Bett gestreut, und ein-
mal, nach einer Landpartie, sogar ein halbes
Nutzend Flöhe hineingesetzt. Bald war der
Schlüssel zu ihrem Schranke, oder zu ihrem Zim-
naer verschwunden, bald waren alle Haken und
Oesen von dem Kleide, das sie gerade anziehen
Wollte, abgetrennt. Einmal, als sie zu Bett ge-
hen wollte, erschreckte sie zu Tode die Wirkung
des Brausepulvers in ihrem ,Vase de nuit‘, und
ein andermal flogen ihr durch das offene Fenster
brennende Schwärmer herein, so dass sie laut um
Hilfe schrie. Bald war der Stuhl, auf den sie
sich setzte, mit Leim oder Farbe beschmiert, bald

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