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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0011
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Vorwort

Die vorliegende Darstellung der Kunstentwicklung in der Seidenweberei, die im
wesentlichen eine Geschichte des Flachornaments im Orient und in Europa mit einschließt,
hat die Aufgabe, zugleich den erklärenden Text für das mit Unterstützung der Königlichen
Staatsregierung von 1900 bis 1909 erschienene Tafelwerk „Die Gewebesammlung des König?
liehen Kunstgewerbemuseums" zu bieten. Der Herausgeber des Tafelwerks, Julius Lessing,
ist vor dessen Vollendung aus einem arbeitsreichen Leben im März 1908 abgerufen worden,
und die kunstgeschichtliche Bearbeitung fiel dem Verfasser als seinem Nachfolger in der
Leitung des Kunstgewerbemuseums zu.

Während des Erscheinens der Lieferungen hatte sich die ursprünglich beabsichtigte
Auswahl der Tafelvorlagen erweitert, so daß der Titel des Tafelwerks den Inhalt nicht mehr
deckte. Anfänglich war geplant worden, die Unterlagen für die Tafelbilder nur der an
Originalstoffen und gemalten Aufnahmen reichen Gewebesammlung des Königlichen Kunst?
gewerbemuseums in Berlin zu entnehmen. Bald ergab sich jedoch, daß es dem Wert des
Unternehmens nicht dienlich war, die außerhalb der Berliner Gewebesammlung in fremdem
Besitz befindlichen Seidenstoffe ganz beiseite zu lassen. Das Tafelwerk war darauf ange?
legt, die kunstgeschichtlich bedeutungsvollen Erzeugnisse des hohen Mittelalters in mög?
lichster Vollständigkeit vorzuführen. Aber die hervorragendsten Denkmäler der Seiden?
weberei des Mittelalters sind bis zur Gegenwart den Kirchenschätzen verblieben. Für die
seidenen Reliquienhüllen und Meßgewänder, die in den Kirchen von Sens, Aachen, Sieg?
bürg, Cöln, Maastricht, Danzig, Halberstadt, Regensburg, Brandenburg und seit der Schatz?
enthüllung der Lateranskapelle Sancta Sanctorum im Vatikan vereinigt sind, kann kein
Museum der Welt Ersatz bieten. Auch in den Stoffsammlungen auswärtiger Museen, in
Lyon, London, Düsseldorf, Krefeld, Wien, Paris, Stralsund, Braunschweig und vielen anderen
Orten sind zahlreiche wichtige Stücke vorhanden, die nicht übergangen werden durften,
wenn ein richtiges Bild der alten Seidenkunst zustande kommen sollte. Aus diesem Grunde
sind von der zweiten Lieferung an in wachsender Zahl Stoffe aus fremdem Besitz für die
Tafelbilder herangezogen worden; eine entsprechende Titeländerung des bereits in den Ver?
kehr gebrachten Werkes ist aber nachträglich nicht mehr ausführbar gewesen.

Auf die Seidenweberei der Neuzeit von der Renaissance herwärts entfällt von den
Tafeln nicht viel mehr als ein Viertel. Da die Mannigfaltigkeit der europäischen und orienta?
lischen Erzeugnisse von 1500 an damit nicht vollständig gezeigt werden kann, hat die Be?
arbeitung dieses Abschnittes vor allem die stilgeschichtlich wichtigen Hauptströmungen
dargestellt, ohne allen Verzweigungen des Seidengewerbes nachzugehen. Die ausführlichere
Behandlung des Mittelalters rechtfertigt sich auch aus inneren Gründen. Denn nur im
Mittelalter hat die Seide eine für die gesamte Kunstgeschichte bedeutungsvolle Rolle ge?
spielt. Sie war in dem Jahrtausend von der Spätantike bis zur Renaissance eine völkerver?
bindende Brücke im Austausch von Kunstformen zwischen Ostasien, dem vorderen Orient
und dem Abendland. Mit den Seidenstoff en wanderten spätantike Ornamente nach Persien,

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