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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0084
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legenheit auch in der Musterbildung und Weberei vorauszusetzen. Die vorherrschende
Meinung geht dahin, daß der Orient, im engeren Sinn das sassanidische Persien die Quelle
und Heimat jenes Seidenstils war, der bisher als der älteste angesehen wurde und der in
der Kunstweberei des ganzen Mittelmeergebiets, auf der sarazenischen wie auf der abend;
ländischen Seite, bis zum Ende des 13. Jahrhunderts in Geltung geblieben ist. Sein Haupt?
merkmal ist die Flächenteilung durch regelmäßig gereihte Kreise, die ein figürliches Motiv
— Menschen oder Tiere — meistens in streng symmetrischer Gegenüberstellung oder Verdopp?
lung enthalten. Wir werden dieser orientalischen Frage bei der Besprechung der zu dieser
Stilrichtung gehörigen alexandrinischen und sassanidischen Stoffe auf den Grund gehen
müßen; hier nur einige vorläufige Bemerkungen in Hinsicht auf das Argument des Seiden?
handels. Vorerst ist im Auge zu behalten, daß den Hauptgegenstand dieses Handels nicht
fertige Seidengewebe aus China oder Persien bildeten, sondern die unverwebten und zu?
meist auch ungefärbten chinesischen Seidengarne. Diese vor allem verlangte der Westen,
solange sein Seidengewerbe — Färberei und Weberei — ausschließlich auf den chinesischen
Rohstoff angewiesen war. Die persischen oder auch chinesischen Gewebe, die außerdem
verkauft wurden, spielten daneben im Handel nur eine untergeordnete Rolle. Gewiß ver?
schaffte der leichtere Rohstoff bezug den persischen Webern einen Vorsprung im Preis und
in der Masse ihrer Erzeugung und somit eine Förderung ihrer Ausfuhr; aber für die künst?
lerische und technische Qualität ihrer Ware war damit noch nichts gewonnen. Denn dafür
ist nicht der Besitz des Rohstoffs entscheidend, sondern nur der Stand der allgemeinen Kult
tur und Kunst eines Landes. Die Kunstgeschichte der Edelmetalle oder, um einen ebenfalls
exotischen Werkstoff zu nennen, des Elfenbeins, ist dafür Beweis genug. Daher darf man
die Bedeutung der Tatsache, daß Persien den Seidenbezug für Rom verteuern oder auch
sperren konnte, wenn Kriegszeiten oder Nationalhaß danach angetan waren, für die Stil?
bildung nicht überschätzen. Es konnte sich dabei nur um vorübergehende Stockungen han?
dein; denn die Erfahrung lehrt, daß eine Handelsware, die sehr großen Nutzen abwirft,
trotz aller Hindernisse doch immer ihren Weg findet zu dem Käufer, der den höchsten
Preis dafür anzulegen geneigt ist. Daß das sassanidische Persien in seiner Kunsttätigkeit
höher stand, als das griechisch?römische Kulturgebiet, läßt sich unmöglich behaupten; denn
die sonstigen Kunstdenkmäler der Sassaniden, die monumentalen Felsenskulpturen, die
Silberarbeiten und geschnittenen Steine bezeugen das Gegenteil. Daß es in der Textilkuns?
nicht anders war, wird der Vergleich der sassanidischen Seidenstoffe mit den griechisch?
ägyptischen offenbaren.

Die Vermutung, daß die Seidenweberei in Persien älter sei, als auf römischem Gebiet,
hat keine Wahrscheinlichkeit für sich. Ihre Anfänge müßten dann schon in das Parther?
reich der Arsakiden zurückreichen, dessen nationale Kultur noch niedriger eingeschätzt wird,
als die des sassanidischen Irans. In den Schriftquellen ist von einem persischen Seidenge?
werbe vor der zwangsweisen Verpflanzung graeco?syrischer Weber durch Schapur II um
360 nach Susiana und Persis nichts überliefert und die ältesten sassanidischen Stoffe, die wir
kennen, stammen erst aus dem 6. Jahrhundert. Sie entsprechen stilistisch den gleichzeitigen
Reiterstoffen von Alexandria. Diesen aber geht auf griechischer Seite eine ansehnliche
Denkmälerreihe voraus, die einen älteren Seidenstil enthüllt, dem Persien nichts gegenüber?
zustellen hat.

B. Die Seidenstoffe von Antinoe.

Die Stadt, die Hadrian (117—138) zum Gedächtnis seines im Nil ertrunkenen Freun?
des Antinous im mittelägyptischen Gau von Hermopolis errichtete, galt im Altertum für
eine der prächtigsten Schöpfungen des bauliebenden Kaisers, und noch zu Ende des 18. Jahr?
hunderts zeugten ein Triumphbogen, Ruinen des Theaters und Säulenhallen von der alten

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