Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0095
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vela alexandrina verbargen, da die Namen weltbekannter Ausfuhrhäfen im Levantehandel
zu allen Zeiten auch die Ware des Hinterlandes zu decken pflegten.

Der griechisch^persische Stil.

Die letzte Entwicklungsstufe der Antinoeseiden wird durch den Sieg der persischen
Muster über die griechische und griechisch?ägyptische Richtung gekennzeichnet. Die ersten
Spuren persischen Einflusses reichen wohl noch in das 5. Jahrhundert zurück. Das früheste
und wichtigste Beweisstück dafür ist der schöne und guterhaltene Seidenköper in Sens
(Abb. 46), der in geschlossenen Rauten reihenweis wechselnd Kreuze und jugendliche, in
leichter Wendung nach rechts und links blickende Brustbilder enthält. Das Muster steht
weiß, gelb und grün auf hellrotem Grund. Es ist ein Meisterstück griechischer Webekunst;
durch eine nur andeutende Schattierung in den Augenhöhlen, Mundwinkeln und Locken
ist den Köpfchen plastische Wirkung verliehen. Das Gewebe kann nicht gut später als im
5. Jahrhundert entstanden sein; denn die Figurenstoffe des 6. Jahrhunderts auf griechischer
wie auf persischer Seite geben das menschliche Antlitz bereits in reiner Frontalansicht oder
im Profil wieder und sie erreichen nur einen starren, leeren Blick, obwohl das Auge zur
Erhöhung des Ausdrucks immer kreisrund aufgerissen und übermäßig vergrößert wird.
Die ornamentale Verwendung von Brustbildern ist der spätantiken Kunst in West? und Ost?
rom eigentümlich; in frühchristlichen Wandmalereien,1) auf den Mosaiken von S. Costanza
in Rom aus dem 4. Jahrhundert, auf Elfenbeindiptychen und anderwärts sind Beispiele ge?
nug zu finden. Auch als Textilmuster ist das Motiv schon frühzeitig nachweisbar. Auf
dem Diptychon des Stilicho oder Aerius in Monza2) sind Mantel und Tunika des Magister
militum deutlich mit kleinen Brustbildern in dichtgereihten Kreisen gemustert. Welchen
der beiden Schirmherren des Westreiches das Diptychon darstellt, ist für uns belanglos, denn
immerhin bleibt es ein römisches Werk des 5. Jahrhunderts.

Die persische Kunst dagegen pflegte das Brustbild nicht; in ihren zahlreichen Denk?
mälern der Sassanidenzeit, den Felsenskulpturen und Silberschalen, sind keine Brustbilder
vorhanden. Trotzdem geben gerade die Köpfchen in Sens von ausgesprochen griechischem
Typus den ersten unzweideutigen Beweis sassanidischer Einwirkung. Entscheidend ist die
Tracht. Am Original ist deutlich zu sehen, daß über der mit dunklem Bruststreif verzierten
Tunika ein Mantel mit hellen Borten liegt, dessen spitze Enden eine runde Schließe mitten
auf der Brust zusammenhält. Den Kopf deckt ein zweifarbiger Spitzhut oder Helm (ähn?
lieh dem Helm des Sassanidenkönigs auf der Antinoewirkerei in Lyon) und hinter den
Schultern flattern zwei Bänder empor. Solche Tracht ist nicht antik. Im Bereich römisch?
griechischer Sitte wurde der Mantel, ob man ihn Chlamys, Sagum oder Paludamentum
nennt, immer auf der rechten Schulter mit der Fibel geheftet, so daß der rechte Arm des
Mannes frei blieb. In der persischen Königstracht der Sassaniden war. dagegen ein leichter
Mantel gebräuchlich, dessen Enden mitten auf der Brust unter einem Monile spitz zusam?
menlaufen. Auf einem Felsrelief, das den Triumph Schapurs I über den gefangenen Kaiser
Valerian im Jahre 260 darstellt und auf anderen Skulpturen3) sind solche Mäntel zu sehen.
Auf den Silberschalen, die in aufgelöteten Relief bildern die Jagden sassanidischer Könige
vorführen, ist das Mäntelchen zu einem Zierat der Gewandung umgewandelt: von dem
runden Pectorale ziehen sich feste Borten über die Schulter und unter dem Arm weg nach
dem Rücken; sie dienen dort zur Befestigung eines Paares jener flatternden Schärpen, die
neben dem Kronhelm das auffälligste Abzeichen des sassanidischen Fürstenornats bilden

x) Vgl. Venturi Storia I fig. 9 und fig. 12, römische Katakombenmalereien des 2. und 3. Jahrhunderts.

2) Molinier, Ivoires T. 1.

3) Dieulafoy, L'art antique de la Perse V, T. 15, 16, Textfig. 100, 104; ferner Sarre u. Herzfeld, Ira*
nische Felsreliefs T. 7 u. a.

38
 
Annotationen