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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0105
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Spitze, denen die Innenzeichnung aus parallelen Bogenlinien und der punktierte Rand ein
naturfremdes Aussehen verleihen. Die Urform ist die schon im klassischen Rankenornament
immer unsymmetrisch gekrümmte Araceenblüte, die auf dem Zachariasclavus (s. T. 3 a u.
Abb. 60) noch in der antiken Gestalt an den vier Ecken des zentralen Motivs angebracht
ist, welches das Quadratfeld zwischen beiden Bäumen ausfüllt. Die nächste Stufe veran*
schaulichen an dem zugehörigen Orbiculus (vgl. Abb. 59) die beiden oberen Blätter. Das
gekrümmte Mittelstück ist zur Hauptsache geworden und bereits mit dem punktierten Rand
und der Innenzeichnung versehen. Dabei ist aber der Kelch als Beweis der Abstammung
von der Araceenform noch erhalten, während ihn die unteren Blätter desselben Bäumchens
bereits abgeworfen haben. Für die Felderteilung im Innern des Blatts gibt die antike Ära*
ceenblüte allerdings keine Erklärung. Strzygowski hat daher das fragliche Motiv aus der
altassyrischen Palmette abgeleitet,1) ohne freilich anzudeuten, wie man sich die Überbrückung
der Kluft von zwölf Jahrhunderten vorstellen soll. Die Lösung des Rätsels liegt auch viel
näher. Die Felderteilung ist nicht zeichnerisch, sondern durch koloristische Darstellung ent*
standen, was ja dem Wesen der spätantiken Kunst entspricht. In Antinoe und insbesondere
in den alexandrinischen Seidenstoffen (man vergleiche die geschweiften Blätter unter der
Zwickelpalmette und in der Kreisborte des Verkündigungsstoffes T. 6, Abb. 68) sind
gleich den Herzformen auch die hornförmig gekrümmten Blätter in verschiedenfarbige,
gelbe, rote, weiße und grüne Querstreifen zerlegt. Das konnten die einfarbigen Kopten*
muster von Panopolis nur durch die Zeichnung zum Ausdruck bringen. Wo die Streifen*
färbung herstammt, wird offenbar, wenn man die spätrömischen Mosaikfußböden durch*
mustert, die in Nordafrika und Gallien, an der Mosel, am Rhein und in Britannien zahlreich
genug aufgedeckt worden sind. Hier sind die Herzen, einzeln oder zu Vierblattrosetten
vereinigt, die gekrümmten Blätter und auch die Palmetten der Zachariasstoffe in Mengen
zu finden, immer in drei oder vier Farben quergestreift, um die dem Mosaikarbeiter verfüg*
baren farbigen Steinsorten zur Geltung zu bringen.2) Die Übereinstimmung ist schlagend
und die Abhängigkeit der Pflanzenformen in den antinoischen und alexandrinischen Stoffen
von den fast durchweg älteren Pavimentmustern kann um so weniger bezweifelt werden,
als auch die enge Verwandtschaft der Wirkereien aus Ägypten mit den römischen Mosaiken
allgemein anerkannt ist. Damit soll nicht gesagt sein, daß die hellenistische Textilornamentik
Ägyptens weströmischen Ursprungs ist. Es scheint vielmehr, daß Nordafrika und besonders
Alexandria eine Hauptschule der Mosaikarbeiter war, die den alexandrinischen Paviment*
stil bis in die entferntesten Provinzen des Römerreichs getragen haben. Vielleicht waren
darin noch altägyptische Erinnerungen wirksam; denn wie sehr farbig gestreifte Pflanzen*
darstellungen dem ägyptischen Geschmack entsprachen, zeigt ein Blick auf die Wiedergaben
pharaonischer Malereien und Bauformen bei Prisse d' Avennes und Owen Jones.

Für die punktierte Einfassung der Blätter des Zacharias, die den Mosaiken fremd ist,
bieten oströmische Metallarbeiten wertvolle Analogien. Eine goldene Halskette aus dem
Schatzfund von Kerynia auf Cypern (Sammlung J. Pierpont Morgan) trägt Anhängsel in
der geschweiften Blattform, deren Ränder mit dichtgereihten Knöpfchen besetzt sind. Und
auf einer der getriebenen Silberschüsseln desselben Schatzes, die David und Goliat darstellt,
kehren als gravierte Verzierung eines Schildes ebensolche Bildungen wieder, deren Innen*
Zeichnung — punktierter Rand und parallele Doppelbogen — mit den Zachariasblättern
vollkommen übereinstimmt. Die Schüsseln gelten als syro?ägyptische Arbeit und es besteht

0 Jahrbuch 1903 S. 157.

2) Als Beispiele sind anzuführen die Fußböden aus Oberweis bei Bitburg und aus der Johannisstraße
zu Trier im Museum daselbst, zwei Fußböden im Museum zu Lyon, der Fußboden aus Westerhofen im Bair.
Nationalmuseum zu München, Teile von Pavimenten aus England und Karthago im Britischen Museum und
anderes mehr.

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