gelebt hat. Auch die dunklen Querstreilen der Bogen sind beiden Stoffen gemeinsam. Die
kauernden Löwen, die in geduckter Stellung eine Beute zerreißen, sind dem Bogenschützen?
stoft der Verkündigungswerkstatt (in Berlin und London) nachgebildet, freilich ungeschickt
genug, denn das Lauernde und Sprungbereite der Originalzeichnung ist hier einer lahmen
Haltung gewichen. Im Kreisband erscheint als neues, aber doch antikes Motiv ein von
Bändern umschlungenes Kranzgewinde, das an den vier Achsen aus Füllhörnern hervorgeht.
Es ist innen von der üblichen Astragalschnur, außen von einer Folge bunter Winkel und
Vierecke eingefaßt, einem Ornament, das oft auf Mosaikfußböden (vgl. Abb. 22) und in
koptischen Buntwirkereien1) vorkommt. Das baumartige Füllornament in den Zwickel*
feidern ist unvollständig; die Blattformen scheinen etwas verwildert, erinnern aber durch
die bunte Innenzeichnung und die hervorsprießenden Epheublättchen doch noch genug an
die Zwickelpalmette des Verkündigungsstoffes.
Obwohl nun über die Zugehörigkeit zur alexandriner Gruppe kein Zweifel bestehen
kann, wurde grade der Maastrichter Stoff für sassanidische Arbeit erklärt und dadurch der
erste Anlaß gegeben, die spätantiken Reitermuster überhaupt für Persien zu beanspruchen.
Karabacek, der die übrigen ägyptischen Reiterstoffe und den ganzen hier dargelegten stilis?
tischen Zusammenhang allerdings nicht kannte, hatte die auf dem Bauche der angeschossenen
Löwen sichtbare rote Figur als das ,,sassanidische Diademzeichen" angesehen: „Dieser Ge?
webeüberrest zeigt in ornamentierten Kreisen Reiter auf der Löwenjagd und als untrügliches
Zeichen seines Ursprungs nebst dem sassanidischen Diademzeichen auch das Flügelpaar
Ahuramazdas in öfterer Wiederholung".2) Das Flügelpaar, mit dem vielleicht die Blätter
des Zwickelbäumchens gemeint waren, gehört zu den starken aber unbegründeten Behaup?
tungen, mit denen Karabacek die Geschichte der Textilkunst auch sonst reichlich versorgt
hat; die Deutung des Diademzeichens aber wurde allgemein angenommen, weil ein ähnlich
geformtes Symbol in der Tat auf sassanidischen Münzen und auch auf der Hüfte des kö?
niglichen Streitrosses Chosroes' II in Takibostan:!) vorkommt. Selbst Alois Riegl, der enU
schiedenste Gegner jeder Überschätzung des persischen Einflusses auf die Spätantike, hat sich
dadurch verleiten lassen, den Maastrichter Reiterstoff als persische Arbeit hinzunehmen.4)
Was das Hoheitszeichen der iranischen Großkönige grade auf dem Bauch der von sehr un-
persischen Reitern verfolgten Löwen zu suchen hat, blieb freilich unerklärt. In Wahrheit
bezeugt es nicht mehr für Persien, als das untrügliche Flügelpaar Ahuramazdas; denn die
rote Figur auf den Löwen ist nichts anderes, als die blutige Ausschußwunde, die mit dem
übertreibenden Deutlichkeitsdrang einer sinkenden Kunst dargestellt ist. Der Pfeil, dessen
gefiedertes Ende sichtbar ist, hat den Löwen durchbohrt und um die heraustretende schwarze
Pfeilspitze rieselt des rote Blut. Man braucht nur die Ausschußwunden auf dem Säkkinger
Amazonenstoff (s. T. 8) und insbesondere auf dem Londoner Reiterstoff (s. Abb. 72) zum
Vergleich heranzuziehen, um über die wirkliche Deutung des sogenannten Königszeichens
ins Klare zu kommen. J. Lessing hat zur Stütze der sassanidischen Herkunft noch die „per*
sische Tracht" der Reiter hervorgehoben. Doch hält sich die Gewandung ganz in der Über*
lieferung der alexandrinischen Muster; es ist nichts Unantikes daran zu finden. Die auf der
Schulter geschlossene Chlamys, die den rechten Arm freiläßt,5) über eine Brustseite herab*
hängt und rückwärts aufflattert, ist so unpersisch wie möglich, desgleichen der nackte
Coli. Swenigorodskoi S. 246, Chefs d'oeuvre d'orfevrerie Budapest 1884 II; das Praxedisreliquiar im Vatikan,
abgeb. Grisar Sancta Sanctorum T. V4; die Pala d'oro in Venedig und vieles andere.
0 Vgl. Abb. 24 u. 25; ferner Illustr. Gesch. des Kunstgewerbes I Tafel S. 162.
2) Karabacek, Die persische Nadelmalerei Susandschird S. 78 Anm. 36.
:i) Sarre^Herzfeld, Iranische Felsreliefs T. 37 u. anderwärts.
l) Riegl, Altorientalische Teppiche S. 123.
') Der Musterumschlag verwandelt eine Figur immer in einen Linkser.
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kauernden Löwen, die in geduckter Stellung eine Beute zerreißen, sind dem Bogenschützen?
stoft der Verkündigungswerkstatt (in Berlin und London) nachgebildet, freilich ungeschickt
genug, denn das Lauernde und Sprungbereite der Originalzeichnung ist hier einer lahmen
Haltung gewichen. Im Kreisband erscheint als neues, aber doch antikes Motiv ein von
Bändern umschlungenes Kranzgewinde, das an den vier Achsen aus Füllhörnern hervorgeht.
Es ist innen von der üblichen Astragalschnur, außen von einer Folge bunter Winkel und
Vierecke eingefaßt, einem Ornament, das oft auf Mosaikfußböden (vgl. Abb. 22) und in
koptischen Buntwirkereien1) vorkommt. Das baumartige Füllornament in den Zwickel*
feidern ist unvollständig; die Blattformen scheinen etwas verwildert, erinnern aber durch
die bunte Innenzeichnung und die hervorsprießenden Epheublättchen doch noch genug an
die Zwickelpalmette des Verkündigungsstoffes.
Obwohl nun über die Zugehörigkeit zur alexandriner Gruppe kein Zweifel bestehen
kann, wurde grade der Maastrichter Stoff für sassanidische Arbeit erklärt und dadurch der
erste Anlaß gegeben, die spätantiken Reitermuster überhaupt für Persien zu beanspruchen.
Karabacek, der die übrigen ägyptischen Reiterstoffe und den ganzen hier dargelegten stilis?
tischen Zusammenhang allerdings nicht kannte, hatte die auf dem Bauche der angeschossenen
Löwen sichtbare rote Figur als das ,,sassanidische Diademzeichen" angesehen: „Dieser Ge?
webeüberrest zeigt in ornamentierten Kreisen Reiter auf der Löwenjagd und als untrügliches
Zeichen seines Ursprungs nebst dem sassanidischen Diademzeichen auch das Flügelpaar
Ahuramazdas in öfterer Wiederholung".2) Das Flügelpaar, mit dem vielleicht die Blätter
des Zwickelbäumchens gemeint waren, gehört zu den starken aber unbegründeten Behaup?
tungen, mit denen Karabacek die Geschichte der Textilkunst auch sonst reichlich versorgt
hat; die Deutung des Diademzeichens aber wurde allgemein angenommen, weil ein ähnlich
geformtes Symbol in der Tat auf sassanidischen Münzen und auch auf der Hüfte des kö?
niglichen Streitrosses Chosroes' II in Takibostan:!) vorkommt. Selbst Alois Riegl, der enU
schiedenste Gegner jeder Überschätzung des persischen Einflusses auf die Spätantike, hat sich
dadurch verleiten lassen, den Maastrichter Reiterstoff als persische Arbeit hinzunehmen.4)
Was das Hoheitszeichen der iranischen Großkönige grade auf dem Bauch der von sehr un-
persischen Reitern verfolgten Löwen zu suchen hat, blieb freilich unerklärt. In Wahrheit
bezeugt es nicht mehr für Persien, als das untrügliche Flügelpaar Ahuramazdas; denn die
rote Figur auf den Löwen ist nichts anderes, als die blutige Ausschußwunde, die mit dem
übertreibenden Deutlichkeitsdrang einer sinkenden Kunst dargestellt ist. Der Pfeil, dessen
gefiedertes Ende sichtbar ist, hat den Löwen durchbohrt und um die heraustretende schwarze
Pfeilspitze rieselt des rote Blut. Man braucht nur die Ausschußwunden auf dem Säkkinger
Amazonenstoff (s. T. 8) und insbesondere auf dem Londoner Reiterstoff (s. Abb. 72) zum
Vergleich heranzuziehen, um über die wirkliche Deutung des sogenannten Königszeichens
ins Klare zu kommen. J. Lessing hat zur Stütze der sassanidischen Herkunft noch die „per*
sische Tracht" der Reiter hervorgehoben. Doch hält sich die Gewandung ganz in der Über*
lieferung der alexandrinischen Muster; es ist nichts Unantikes daran zu finden. Die auf der
Schulter geschlossene Chlamys, die den rechten Arm freiläßt,5) über eine Brustseite herab*
hängt und rückwärts aufflattert, ist so unpersisch wie möglich, desgleichen der nackte
Coli. Swenigorodskoi S. 246, Chefs d'oeuvre d'orfevrerie Budapest 1884 II; das Praxedisreliquiar im Vatikan,
abgeb. Grisar Sancta Sanctorum T. V4; die Pala d'oro in Venedig und vieles andere.
0 Vgl. Abb. 24 u. 25; ferner Illustr. Gesch. des Kunstgewerbes I Tafel S. 162.
2) Karabacek, Die persische Nadelmalerei Susandschird S. 78 Anm. 36.
:i) Sarre^Herzfeld, Iranische Felsreliefs T. 37 u. anderwärts.
l) Riegl, Altorientalische Teppiche S. 123.
') Der Musterumschlag verwandelt eine Figur immer in einen Linkser.
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