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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0127
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dahin sitzend dargestellte Jupiter Maximus als Gigantenreiter auf springendem Roß mit
allen vorgenannten Bewegungsmerkmalen gebildet.1)

Von diesem in die alexandriner und achmimer Seidenstoffe übergegangenen antiken
Typus weichen die Reiterbilder persischen Stils sehr erheblich ab, ganz abgesehen davon, daß
die Amazonen dem persischen Vorstellungskreis vollkommen unbekannt sind. Die Kunst
der Sassaniden hat zwar — wie einst die achaemenidische von Jonien her — mancherlei An*
regungen der römischen Plastik willig aufgenommen, namentlich für das Bauornament und
für die großen Werke der Felsenskulpturen. Maßgebend ist aber doch immer die nationale
altorientalische Überlieferung geblieben. Dieser entspricht die in den Jagdbildern der Silber*
Schüsseln vorherrschende Darstellung der Pferde in gestrecktem Lauf, dem fliegenden
Galopp mit fast wagrecht vom Körper abstehenden Beinen (vgl. Abb. 47, 78)2)- Auf
anderen sassanidischen Schüsseln (vgl. Abb. 108)3) ist das Roß des jagenden Königs still*
stehend wiedergegeben, gleich dem Chosroesdenkmal in Takibostan. Der griechische Sitz
des Reiters, das heißt die stark divergierende Beinhaltung, ist ganz unpersisch. Der iranische
Reiter läßt beide Beine parallel und ziemlich grade vom Sattel herabhängen; auch wenn
der Oberkörper des Schützen zurückgewendet ist (vgl. Abb. 47), hat das auf die Bein*
haltung keinen Einfluß. Nur auf zwei Silberschalen4) wurde eine dem griechischen Typus
entsprechende bewegtere Haltung des Reiters versucht; in beiden Fällen zeigt aber die un*
geschickte Übertreibung der Bewegung, daß eine mißverstandene Nachbildung eines helle*
nistischen Vorbildes vorliegt. Dazu kommt die Verschiedenheit der Tracht; die persischen
Reiter erscheinen niemals barhaupt, niemals mit nackten Schenkeln, und sie tragen auch
nicht die Chlamys oder das Sagum.

Von allen persischen Kennzeichen der sassanidischen Reiterbilder, den helmartigen
Kopfbedeckungen, flatternden Schärpen und langen Beinkleidern, der steifen Beinhaltung,
dem fliegenden Lauf der Pferde, der Vielheit des gejagten Wildes, ist nichts, mit alleiniger
Ausnahme vielleicht der parthischen Rückwendung der Bogenschützen, in die Seidenstoffe
von Alexandria und Achmim übergegangen. Auch die baumähnliche Mittelachse zwischen
den Reitern persischer Stoffe (vgl. T. 26—28) ist in der ganzen Gruppe griechisch*ägyp*
tischer Reitermuster niemals verwendet. Es stehen sich also in den Seidenstoffen des 6. Jahrh.
wie in den plastischen Denkmälern griechisch*römische und persische Reitertypen schart
getrennt einander gegenüber. Trotz des Hin? und Herströmens künstlerischer Anregungen
haben die persischen Seidenweber ihren Reitermustern das nationale Gepräge gewahrt; und
ebenso sind die Reiterstoffe von Alexandria rein antiken Stils und unabhängig von Persien
dem griechisch * römischen Formenschatz entlehnt, wie die Opferszenen, Wagenlenker,
Löwenkämpfer und sonstigen Muster gleicher Herkunft auch.

Bei dieser Sachlage fehlt es der Annahme, daß alle Reitermuster persischen Ursprungs
seien, an jeglicher Stütze; sie ist um so unhaltbarer, als die persischen Seidenstoffe keines*
wegs älter sind als die alexandrinischen, sondern bestenfalls gleichzeitig. Das Schluß?
ergebnis unserer Untersuchung ist vielmehr folgendes: Die Grundlagen des mittelalterlichen
Seidenstils sind nicht im sassanidischen Persien geschaffen worden und von buddhistisch?
chinesischen Einflüssen sind keinerlei Spuren nachzuweisen. Was die Musterzeichnerei des
Mittelalters aus der spätantiken, das heißt vorislamischen Kunstweberei entlehnt und

1) Mehrere Beispiele im Provinzialmuseum Trier.

2) Weitere Beispiele die Silberschüsseln Smirnow T. 30, 31 und besonders das Hauptstück der sassa*
nidischen Glyptik, die große Sardonixkamee mit der Gefangennahme Kaiser Valerians durch Schapur I im
Jahr 260, abgeb. Babelon, Catalogue des camees de la Bibl. Nat. T. 42 Nr. 360; Sarre* Herzfeld, Iranische
Felsreliefs S. 75.

:i) Smirnow T. 26, 34.

') Smirnow T. 25 und T. 123.

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