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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0135
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sonderem Eifer in Verbindung mit den staat?
liehen Gynaeceen betrieben und verschiedene
Erlasse suchten die Verwendung von Purpur?
Stoffen, namentlich für die männliche Tracht
zu beschränken oder ganz dem Hofgebrauch
vorzubehalten. Jahrhundertelang blieb die
Purpurseide der eigentliche Ruhmestitel des by?
zantinischenTextilgewerbes. Aus den Schrift?
quellen ist trotz unzähliger Erwähnungen von
Purpurstoffen keine volle Klarheit zu ge?
winnen, welcherlei Farben durch die Conchy?
lienfärbung erzielt wurden und was sonst noch
alles als Purpur angesehen wurde. Doch scheint
es, daß dunkelrot, violett und dunkelblau die
wichtigsten Purpurfarben gewesen sind.

Die Reihe der reinen Tiermuster, die be?
reits im 4. Jahrh. Ammianus Marcellinus und
Asterius erwähnten und denen weiterhin das
Mittelalter gehörte, eröffnet für Byzanz der
Tigerstoff aus Münsterbilsen (Tafel 14 b), mit
dem alexandriner Quadrigastoff (s. T. IIa) zu?
sammen im Landradaschrein gefunden. Er ist
ebenfalls nur zweifarbig, gelb auf rot, und wird
Abb. 88. Tigerstoff in Brüssel. Byzanz 6. jahrh. durch die Zeichnung der Kreisbänder dem

großen byzantiner Quadrigastoff (s. T. 13,
Abb. 87) zeitlich und örtlich nahegerückt. Das Original (Abb. 88)x) zeigt deutlicher als unsere
auf freihändiger Aufnahme beruhende Tafel 14 b, daß die Borte die einfache und die entfaltete
Herzblüte der älteren Alexandriagruppe mitsamt ihren Knospenpaaren nachahmt, wieder?
um ohne die einfassenden Astragalschnüre. Die Wiedergabe so vieler und fein gezeichneter
Zierformen ist dem Weber augenscheinlich zu schwierig gewesen, wie überhaupt die tech?
nische Ausführung des Musters trotz der Beschränkung auf die Hauptformen hinter den
alexandriner Vorbildern beträchtlich zurückbleibt. Die Umrisse sind hier wie beim großen
Quadrigastoff rechtwinklig abgestuft, eine Unvollkommenheit, die zwar bei koptischen
(vgl. T. 4 a) und persischen Geweben vorkommt, aber nicht bei den griechischen Arbeiten
von Antinoe und Alexandria.

Die landläufige Annahme, daß die gegenständigen Tiermuster orientalischen Ursprungs
seien, bestätigt der Tigerstoff nicht. Im Stil der Zeichnung liegt nichts Persisches und die
erhobene Vorderpranke der Tiere kann gradezu als Beweis antiker Tradition gelten. Fast
immer, wenn die griechisch?römische Kunst gegenständige Greifen, Leoparden und der?
gleichen darstellt, wählt sie diese Stellung, auch wenn sie nicht durch eine Vase oder ein
sonstiges Mittelstück motiviert ist.2)

Auf voller Höhe erscheint der persische Einfluß erst um die Wende des 6. Jahrhun?
derts in dem stattlichsten aller spätantiken Reiterstofte (Tafel 15, 16, 17), der 1898 im Schrein
des heiligen Kunibert zu Cöln entdeckt wurde und seither im dortigen Diözesanmuseum

') Vgl. Katalog Errera S. 11.

2) Das Motiv ist häufig auf der Brust antiker Panzerstatuen, Beispiele die Statuen des Alexander und
Pyrrhus im Kapitolinischen Museum, des Germanikus im Lateran, Vitellius in Neapel, Caracalla im Louvre
u. a. Verwandte Motive auf Aschenurnen, Sarkophagen usw. sind zusammengestellt von Leitschuh, Mit*
teilungen des German. Mus. II 1887-9 S. 156.

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