Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0138
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Erzählung macht ganz den Eindruck, daß sie erfunden worden ist, um den für
einen großen König immerhin ungewöhnlichen Zunamen Wildesel nachträglich zu erklären,
off enbar in Anlehnung an eine bildliche Darstellung von der Art des Kunibertstoff es. Denn
diese Darstellung ist altorientalisch, sie ist bereits auf einem chaldäisch?assyrischen Siegel?
stein im Louvre zu sehen.

Für die kunstgeschichtliche Beurteilung des Gewebes ist es belanglos, ob auf den drei
Seidenstoffen Bahram V gemeint war, oder nicht. Aus der Zeit dieses Königs, also aus der
ersten Hälfte des 5. Jahrh. stammt die Weberei keinesfalls; die Nachahmung der alexandrini?
sehen Kreisbänder und die später zu erläuternde Verwandtschaft mit der chinesischen Nach?
bildung eines sassanidischen Reiterstoffs in Tokio (vgl. T. 30, Abb. 110) schließen eine Ent?
stehung vor der zweiten Hälfte des 6. Jahrh. vollständig aus. Für unsere Zwecke ist nur die
Feststellung wichtig, daß das Kunibertmuster seinem Inhalt nach — nicht in den vorliegenden
Ausführungen — persischen Ursprungs ist, daß eine persische Königsjagd vorgeführt wird.
Zwar fehlen die mythologischen Zutaten — Flügelrosse und Greifen —, die auf den beiden
wirklich persischen Jagdstoffen (vgl. T. 26—28, Abb. 105 u. 107) und auf der chinesischen
Nachbildung in Tokio (vgl. Abb. 110) vorhanden sind. Sie fehlen aber auch durchweg
auf den realistisch aufgefaßten Königsjagden der sassanidischen Silberschalen. An Kenn?
zeichen einer ursprünglich persischen Erfindung ist genug anzuführen: Zunächst außer der
Hauptgruppe des Löwen auf seiner Beute die Vielfältigkeit des Wildes, die in Persien (ver?
mutlich zur Veranschaulichung der dort üblichen Wildgehege der Könige) durch Pehlewi?
gemmen, durch Silberschalen1) und insbesondere durch die zwei sassanidischen Reiterstoffe
belegt wird, den Jagdbildern griechischer Herkunft aber fremd ist. Dann die Palme als
Mittelachse zwischen den beiden symmetrischen Hälften des Bildes. Man darf füglich be?
zweifeln, ob die Bäume auf den persischen Reiterstoffen und späterhin auf muslimischen
Tiermustern wirklich immer religiöse Bedeutung als „heiliger Baum, Lebensbaum oder Welt?
bäum" haben.2) Die Tatsache, daß sie auf den Königsjagden der Silberschalen und auf den
Felsenreliefs mit den Treibjagden Chosroes II in Takibostan nicht vorkommen, sondern
erst mit der gegenständigen Musterverdopplung in der Seidenweberei auftauchen, führt eher
zur Vermutung, daß sie hier eine rein ornamentale Zutat und Raumfüllung des symmetri?
sehen Stils vorstellen. Ob nun dekorativ oder symbolisch, auf jeden Fall entstammen sie
der persischen Seidenweberei, während sie den griechischen Reitermustern aus Alexandria
und Achmim noch fehlen. Als iranisches Merkmal sind ferner unter Hinweis auf die
Steinbock? und Pegasusstoffe von Antinoe (vgl. Abb. 48—50) die farbigen Rundflecke auf
den Hüften der Wildesel anzuführen. Entscheidend sind schließlich die um die Zwickel?
rosette angeordneten Bandranken (s. T. 17), die in den verbindenden Querbändern die aller?
deutlichsten Kennzeichen assyrisch?achämenidischer Überlieferung zur Schau tragen. Die
echt mesopotamische Linienführung aus verknüpften Bogenstücken ist auf dem chinesischen
Reiterstoff in Tokio, der anerkanntermaßen ein sassanidischesMuster nachbildet (vgl. Abb. 110)
trotz der Übertragung in die chinesische Formensprache unverändert geblieben. Das ganze
Ornament — mit Ausnahme der Mittelrosette — ist durchaus ungriechisch und erbringt den
Beweis, daß dem Musterzeichner des Kunibertstoffes ein persisches Original zur Benützung
vorgelegen haben muß. Die Farbenwahl des Kunibertstoffes, gelbes Muster mit rot und
grün auf dunkelblau, stimmt mit dem sassanidischen Jesdegerdstoff in Berlin (vgl. T. 26)
überein; doch ist darauf weniger Gewicht zu legen, da nach Ausweis der Varianten in Mai?
land und Prag eine und dieselbe Werkstatt gleichzeitig verschiedene Farbenzusammenstel?
lungen wählte.

0 Smirnow fig. 59 u. 309.

2) Vgl. Karabacek, Susandschird S. 152.

72
 
Annotationen