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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0140
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sich der Güteraustausch mit
dem Reich der Sassaniden und
was von persischen Erzeugnis*
sen nach Westen ging, empfin?
gen zunächst die syrischen
Händler. In den Umschlags?
plätzen dieser Provinz, wo seit
Jahrhunderten griechisches und
orientalisches Wesen sich meng?
te, konnten persische Muster
kaum als etwas ganz Fremdar?
tiges empfunden werden, jeden?
falls weniger als in anderen Ge?
bieten desrhomäischen Reiches.
Der Wettbewerb und die Rück?
sieht auf den Absatz der eigenen
Waren im Nachbarreich mochten zudem die Nachahmung sassanidischer Muster den syri?
sehen Webern von Antiochia oder Tyrus als nützlich nahelegen.

Dem Kunibertstoff verwandt ist der farbenreiche Seidenköper im christlichen Museum
des Vatikans mit Löwenjägern in Kreisen (Tafel 18 = Abb. 90), der als Decke eines Kissens
unter dem frühmittelalterlichen Zellenschmelzkreuz im Schatz der Lateranskapelle Sancta
Sanctorum von H. Grisar im Jahr 1905 aufgefunden wurde. Es ist vor allem die sehr ähn?
liehe Gestaltung des Palmbaums, welche die beiden Gewebe zusammenbringt; auch sind hier
wie dort die Jagdhunde und flatternden Adler oder Falken, die blühenden Sträucher, das
Weinblatt in der Mittelachse unten und wie erwähnt das Kreuz im Grunde verteilt. Das
sind zusammengenommen recht erhebliche Übereinstimmungen, die auf eine ziemlich
gleichzeitige Entstehung, vielleicht auch auf einen gemeinsamen Betriebsort schließen lassen.

Die Farben des vatikanischen Stoffes sind lebhafter. Auf dunkelrotem Grund ist das
Muster in gelb, grün, weiß, rot und blau ausgeführt. Grün mit roten, weiß und gelb ge?
fleckten Claven, Schulterstücken und Randborten sind die Ärmeltuniken der vier Tierkämpfer,
deren Stirn eine rote, von einem Kreuz überragte Binde mit weißen Tupfen umzieht. Die
blaugemähnten Löwen und die weißgefleckten Panther sind gelb, der Grund der Kreisbänder
und die doppelte Perlreihe ihrer Einfassung weiß. Von einem persischen Vorbild!) oder
gar von sassanidischer Arbeit, wie Ph. Lauer meint2), kann hier keine Rede sein. Die Jäger,
die zu Fuß mit vorgestrecktem Speer den wilden Tieren zu Leibe gehen, sind ein rein an?
tiker Typus, der durch zahlreiche Denkmäler der römischen Plastik sich belegen läßt3).
Wenn überhaupt für ein der antiken Kunst so geläufiges und typisches Motiv ein Vorbild
zu suchen nötig wäre, so würde als nächstliegend der alexandrinische Rundbesatz aus der
Verkündigungswerkstatt im Kaiser Friedrich Museum4) sich darbieten.

Das Palmettenornament in den Kreisbändern und deren Einfassung aus zwei dichten
Perlreihen, die Rosetten auf den Verbindungskreisen und in den Zwickelfüllungen sind für

1) Vgl. Diehl, Manuel S. 257.

2) Fondation Piot B. XV, Le Tresor du Sancta Sanctorum.

:i) Beispiele der Meleagersarkophag im Konservatorenpalast, abgeb. Riegl, Spätrömische Kunstindustrie
fig. 14; die Gemme Konstantins II, abgeb. Furtwängler III fig. 198; aus einer unserem Gewebe näher stehen*
den Zeit die syrisch*ägyptische Elfenbeinpyxis in Sens, abgeb. Chartraire, Inventaire de Sens S. 52; schließ*
lieh von jüngerer byzantinischer Arbeit der Elfenbeinkasten in Troves, abgeb. Schlumberger, Epopee byzant. I
S. 744.

') Jahrbuch 1903 S. 168.

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