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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0147
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Die schon beim Pegasusstoff aus Antinoe (vgl. Abb. 49) bemerkten Scheibenkreise wer*
dennoch durch den typisch persischen Entenstoff des Vatikans (vgl.T. 22a, Abb. 99), die da?
mit engverwandte Wandmalerei aus einem Grottentempel von Kyzil in Chinesisch?Turkestan
(vgl. Abb. 100) und schließlich durch die chinesische Nachbildung eines sassanidischen
Reiterstoffes (vgl. Abb. 110) hinreichend belegt. Der Hippokamp mit Pfauenschweif wird ja
nicht bloß wegen der Reliefs von Takibostan für Persien beansprucht; er ist vielmehr eins
der häufigsten und gangbarsten Motive des spätsassanidischen Tierornaments. Von den
persischen Silbergefäßen dieser Zeit sind nicht weniger als fünf mit dem Federschweif hippo?
kampen verziert1) und auch das muslimische
Persien hat noch Jahrhunderte lang daran fest?
gehalten2). Die spätantike Kunst hat demge?
genüber den Hippokampen gewohntermaßen
durchweg mit delphinartigem Hinterleib ge?
bildet und dieser klassische Typus ist noch in
einem byzantinischen Seidenfragment zu Gan?

dersheim (Abb. 97) nachzuweisen3). Die per? Abb. 97. Byzantinischer Hippokampenstoff in Gandersheim.

sische Abart kommt in der byzantinischen We?

berei erst im 9. und 10. Jahrhundert vor (vgl. T. 22b und T. 61, Abb. 237), als diese schon
vollständig ins persische Fahrwasser geraten war. Außerhalb der Seidenmuster ist der pfau?
geschwänzte Hippokamp im Abendland nur an einem einzigen, offenbar von Seidenstoffen
abhängigen Denkmal zu finden: Es ist der nach Cattaneo4) in Venedig um 820 gefertigte
Mosaikfußboden aus der ehemaligen Klosterkirche S. Ilario auf der Lagune. Das im Cor?
rermuseum befindliche Paviment enthält in verschlungenen Kreisen den Hippokamp, ein
Flügelpferd, einen Hahn, eine Ente mit einem Blatt im Schnabel und einen Adler, lauter
sassanidische Textilmotive, die im frühen Mittelalter von der byzantinischen Weberei über?
nommen wurden.

Mit gleicher Sicherheit wie für den Hippokampenstoff verbürgt das Chosroesmuster
von Takibostan (Abb. 91) die persische Herkunft des Hahnenstoffes im Vatikan (Tafel 21 -
Abb. 98) aus dem Schatz von Sancta Sanctorum5). Nimbierte Hähne in Kreisen sind zwar
in den steinernen Mustern der Khosraugrotte nicht zu finden. Der Beweis liegt hier in
dem Füllornament des Grundes zwischen den lose gereihten Kreisfeldern. Die ziemlich bar?
barische und unorganische Zusammenstellung der aus den antinoischen und alexandrinischen
Stoffen des 6. Jahrh. entlehnten gekrümmten und graden Blätter mit ihrer Füllung aus quer?
laufenden Farbflächen (zu vergleichen mit dem Verkündigungsstoff T. 6, Abb. 68 und
dem Zachariasorbiculus Abb. 59) und der Rosetten aus vier Herzblättern stimmt beider?
seits — am Hahnenstoff und in Takibostan T. 19 — so genau überein, daß über die gleiche
Heimat kein Zweifel aufkommen kann. Für die dem Osten und dem Westen seit Alters
gleich geläufige Flechtbandeinfassung der Kreise braucht man spätantiken Einfluß nicht
vorauszusetzen, ebensowenig für die Kette aneinandergereihter Herzen in den Kreisbän?

0 Smirnow flg. 49, 70 (auf T. 42 und 125), fig. 83, 84, 288; alle in S. Petersburg.

2) Vgl. die bereits ausgesprochen islamischen Silbergefäße Smirnow fig. 126 u. 128.

:!) In seinen frühesten Anfängen reicht auch der persische, d. h. federschwänzige Hippokamp in die
altgriechische Kunst Kleinasiens zurück. Er erscheint zuerst auf den Münzen der Stadt Lampsakus, s. Sallet*
Regling, Die antiken Münzen 1909, fig. S. 33 und weiterhin im 4. Jahrh. vor Chr. auf Münzen des persischen
Satrapen Spithridates von Jonien, s. Dalton, Treasure of the Oxus S. 47 iig. 31b. Später aber hat das Motiv
auf griechischer Seite keine Nachfolge gefunden.

') L'architettura in Italia dal sec. VI al mille, S. 235-236.

') Das ganze tadellos erhaltene Stück von 75:32 cm ist bei Grisar a. a. O. S. 127 abgebildet. Grisar
versucht keine nähere Bestimmung des Gewebes; Dreger daselbst S. 155 vermutet ostasiatische Herkunft.

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