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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0156
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der Könige von den harmloseren Tier?
mustern bald verdrängt wurden. Die ira?
nische Kultur blieb dem Islam gegenüber
auf lange Zeit hinaus der gebende Teil. Sie
erwies sich gegen Umbildungen in der Rieh?
tung arabischen Geistes widerstandsfähiger
als der Hellenismus im westislamischen
Machtbereich. Sie war ausdauernder, nicht
weil sie höher stand als die Antike, son?
dern weil sie in der breiten Grundlage des
gesamten iranischen Volkes wurzelte, wäh?
rend der Hellenismus in der oft landfrem?
den Schicht der gräzisierten Kulturträger
sich verkörperte. Mit welcher Zähigkeit
der iranische Geist altpersische und sassa?
nidische Vorstellungen festhielt, das zeigt
sich noch im 16. und 17. Jahrhundert, als
die Sefidendynastie wieder einen persi?
sehen Nationalstaat geschaffen hatte: In den
Teppichen dieses Zeitalters einer erneuten
Kunstblüte kommen nach fast tausend Jahren wieder Jagdmotive und Tierkämpfe zum
Vorschein, die lebhaft an die Bilder der Sassanidenkunst erinnern.1)

B. Chinesische Seidenstoffe persischen Stils.

Für eine übersichtliche Darstellung der Seidenweberei in Ostasien sind noch keine
ausreichenden Grundlagen vorhanden. Was chinesische Schriftsteller über alte Seidenmuster
ihres Landes berichten'2) und was über die Einführung und Ausbreitung der Seidenweberei
und Färberei in Japan veröffentlicht wurde 5) ist sehr dürftig und kann in keiner Weise über
den Mangel an zeitlich gesicherten Denkmälern hinweghelfen. Die Tempelschätze von Nara
in Japan haben zwar eine Anzahl frühmittelalterlicher Seidenstoffe von höchster kunstge?
schichtlicher Bedeutung der Gegenwart überliefert; allein sie erhellen nur einen Umkreis
von zwei Jahrhunderten. Vorher und nachher liegt alles im Dunkel. Im Abendland sind
chinesische Stoffe von Reliquienhüllen oder Kirchengewändern erst vom 14. Jahrh. an er?
halten, wertvolle Zeugnisse für den eben damals beginnenden Einfluß Ostasiens auf die
Textilmuster des Westens, aber viel zu spärlich, um eine Vorstellung vom Formenschatz
der Seidenkunst ihrer Heimat zu vermitteln.

Erst aus dem 18. und 19. Jahrh. sind ostasiatische Seidenstoffe in Mengen vorhanden
und in unseren Stoffsammlungen auch reichlich vertreten l). Bei dem zäh an altehrwürdigen
Formen haftenden Wesen der chinesischen Kunst ist anzunehmen, daß viele neuzeitige
Erzeugnisse alte Muster wiederholen. Es wäre denkbar, aus dem späten Musterschatz,
wenn man die von der Seidenweberei abhängigen Zellenschmelzwerke und die vielfach
davon beeinflußte Porzellanornamentik, ferner die Textilmuster in alten Malereien oder die

') Vgl. die Nebeneinanderstellung des letztgenannten Jagdstoffs mit einem Tierteppich bei Migeon,
Les Arts du Tissu S. 354 u. 355.

-) Bushell, Chinese art II S. 95.

:i) Histoire de l'art du Japon 1900 S. 62.

') Eine Auswahl moderner japanischer Stoffe in ausgezeichneten Farbentafeln giebt Verneuil, Etoftes
japonais, Paris 1910.

Abb. 108. Persische Silberschale mit König Bahrain V.
Brit. Museum.

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