Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0164
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
VI. Die Seidenweberei des hohen Mittelalters

vom achten bis ins dreizehnte Jahrhundert.

Der Eintritt der Araber in die Weltgeschichte scheidet im Morgenland das Mittelalter
vom Altertum. In kaum gehemmtem Siegeslauf haben die Anhänger Muhammeds die alte
Kulturwelt des Ostens überrannt und zu einem neuen Reich zusammengezwungen. Schon
unter dem ersten Nachfolger des Propheten beginnt der Ansturm auf das oströmische Syrien
und Mesopotamien. Omar entsendet seine Scharen gleichzeitig nach Osten und nach Westen.
Im Lauf eines Jahrzehnts bricht das Perserreich der Sassaniden, das so oft den Römern die
Stirn geboten, zusammen und um die Mitte des 7. Jahrhunderts erstreckt sich die Macht der
Kalifen von Transoxanien bis Ägypten. Das Jahrhundert der Omaijaden sieht Damaskus
als Hauptstadt des Arabertums und ein Vorrücken der Westgrenzen über Nordafrika nach
Spanien. Die Dynastie der Abbasiden verlegt den Schwerpunkt des Reiches nach Meso?
potamien; Bagdad, die Gründung Mansurs, bleibt durch fünfhundert Jahre der Sitz des
Kalifats, bis die Mongolenstürme um die Mitte des 13. Jahrhunderts im ganzen Ostgebiet
das Unterste zu oberst kehren. Die Araber erwiesen sich im Ganzen als duldsam gegen
die Einwohner der eroberten Länder und ihr Joch lastete nicht schwer auf den Unterwor?
fenen. Viele von den alten Städten in Persien, Syrien, Ägypten gediehen weiter und neben
ihnen erhoben sich neue Sitze des Gewerbfleißes und der Kunstpflege. Die Residenzen
der Kalifen und selbständig gewordenen Landesfürsten, vor allem Bagdad und Mossul im
Irak, Fostat und die Fatimidengründung Kairo in Ägypten, Cordova in Andalusien wurden
die Brennpunkte einer islamischen Kultur, die in tropischem Wachstum erblühte und die
langsameren Schrittes aufsteigende Bildung der Germanen hell überstrahlte.

Man mag den Bestand eigenen Kunstvermögens, den die Wüstensöhne aus der terra
incognita Arabiens in den islamischen Länderverband einbrachten, noch so gering anschlagen
und das, was sie an persischer, syrischer und römisch?hellenistischer Kunstüberlieferung vor*
fanden und als Grundlage eigenen Schaffens benützten, sehr hoch bewerten, so wird die
tatsächliche Wirkung der arabischen Reichsgründung doch nicht verringert. Aus der Über?
lieferung und mit Hilfe der Unterworfenen begonnen, ist die islamische Kunst trotzdem
eine selbständige Neuschöpfung geworden. Das gemeinsame Gepräge, das ihre Äußerungen
vom Indus bis zum Ebro über alle nationalen Unterschiede hinweg verbindet, hat wie die
gemeinsame Religion und Schrift die Mitwirkung des arabischen Elements zur Voraus*
setzung. Die Einheitlichkeit ist um so merkwürdiger, als zur Zeit des Auf blühens der früh?
islamischen Kunst das arabische Kalifat keinen Einheitsstaat mehr bildete.

Im äußersten Westen löste sich das durch Araber und islamisierte Mauren und Ber?
bern gemeinsam den Westgoten abgewonnene Spanien schon nach der Mitte des 8. Jahrh.
vom Abbasidenreich, als der flüchtige Omaijade Abderrahman I mit Hilfe syrischer An?
hänger seines gestürzten Geschlechts das unabhängige Kalifat von Cordova aufrichtete.
Fast drei Jahrhunderte (756—1028) blieb es in der Hand seiner Nachkommen und bot im
9. und 10. Jahrhundert unter dem zweiten und dritten Abderrahman den christlichen
Nachbarn das glänzende Schauspiel der höchsten Entfaltung westsarazenischer Kunst und

92
 
Annotationen