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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0165
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Bildung. Im 11. Jahrhundert begann der Zerfall in haltlose Kleinstaaten, die trotz des er?
höhten Zuströmens maurischer Kräfte unter Almoraviden (seit 1078) und Almohaden (seit
1144) den unaufhörlich andrängenden Christen zur Beute fielen, sodaß nach 1250 nur das
kleine Königreich Granada dem Islam bis 1492 eine letzte Zuflucht gewährte.

Ägypten blieb nur zwei Jahrhunderte unter omaijadischen und abbasidischen Statt*
haltern dem Kalifat verbunden. Zum erstenmal selbständig unter der kurzen Herrschaft
der aus dem türkischen Prätorianerstand des Hofes von Bagdad hervorgegangenen Tuluniden
(868—905), wurde das Nilland von den schon vorher in Kairuan unabhängig waltenden
Fatimiden (969—1171) besetzt und mit Syrien vereinigt. Damit beginnt der Aufschwung
künstlerischen Schaffens; an Baulust und Prachtentfaltung stehen die fatimidischen Herr*
scher hinter den Kalifen Bagdads kaum zurück und noch heute bezeugen ihre in ansehn?
licher Zahl erhaltenen Kristallgefäße und geschnittenen Gläser, daß die etwas märchen?
haften Berichte von Zeitgenossen (Makrizi, Nasiri Khosrau) über ihre kunstgewerblichen
Schätze einen wahren Kern enthalten. Die Herrschaft der mit Saladin von Syrien aus ein?
gedrungenen Ejubidendynastie kurdischen Stammes (1171—1250) bedeutet keine Minde?
rung an Ansehen und Wohlstand des Landes. Auch die nächstfolgende Reihe der Mamluken?
sultane (1250—1382) hat noch Erfolge aufzuweisen; sie gewinnen die letzten Reste der
Kreuzfahrerstaaten zurück und schützen ihr Gebiet erfolgreich gegen Mongolen und Os?
manen. Die prachtvollen Glasgefäße und Moscheelampen mit Schmelzmalerei, tauschiertes
Metallgerät und zahlreiche Seidenstoffe sind die bekanntesten Beweisstücke für den bis zur
Zeit des Sultans Muhammed Nasir eddin fortdauernden Hochstand des Kunstgewerbes.
Später führen die unaufhörlichen Kämpfe, Revolten und Greuel der unbotmäßigen Emire
unter der zweiten Folge von Mamlukensultanen den Niedergang des Landes herbei, das
1517 den osmanischen Türken als Paschalik anheimfällt.

Die frühzeitige Trennung dieses ganzen Westgebiets vom Kalifat, das wiederholte Ein?
dringen von Berbern, Mauren, seldschukischen Türken, die Machtstellung der unarabischen
Mamluken, die beträchtlichen Bestände christlicher Bevölkerung in Syrien und Ägypten
und die vorübergehende Kreuzfahrerherrschaft in Syrien, alles das hat der glänzenden Ent?
faltung arabischen Wesens keinen Abbruch getan. Im westsarazenischen Bereich von Syrien
bis Spanien hat die im engeren Sinn arabische Kunst ihre reinste Ausgestaltung erfahren.

Ganz anders vollzog sich die Kunstentwicklung im Ostgebiet des Islam, das neben
dem mesopotamischen Irak Persien mit seinen nördlichen und östlichen Nachbargebieten
umfaßte. Hier ist der nationale Gegensatz zwischen Arabern und Persern nie ganz ver?
wischt worden. Die Araber hatten wohl das Sassanidenreich mit den Waffen unterjocht,
aber eine durchgreifende Arabisierung wie im Westen ist ihnen bei dem kulturell über?
legenen Volk Irans nicht geglückt. Nur im Zweistromland, mit altarabischen Siedlungen
wie Hira und den Neugründungen Kufa, Bagdad, Basra, Samarra und anderen das Herz
des Kalifats, hatte das Arabertum die Oberhand gewonnen. Und doch hielt am Hof und
in der Verwaltung der persische Einfluß noch oft, auch unter den machtvollsten Kalifen des
mit persischer Hilfe zum Thron gelangten Abbasidenhauses, unter Mansur, Harun al Raschid
und vor allem Maamun, den eigentlichen Herren die Wage. Noch lange nachdem der Osten
abgefallen war, blieb das Irak das verbindende Glied zwischen west? und ostmuslimischem
Wesen, die Stelle gegenseitigen Austausches, wo die geistige Arbeit und die künstlerischen
Bestrebungen von beiden Seiten sich vermengten und aufeinander einwirkten.

Über das Irak hinaus aber wurde der arabische Einschlag je weiter nach Osten und
Norden um so schwächer, iranische Art und Sitte reiner und selbständiger. Die Perser
standen von vornherein den Eroberern anders gegenüber, als die Besiegten des Westens.
Sie hatten nicht, wie die einheimische Bevölkerung in Syrien, Ägypten, Spanien eine rho?
mäische oder gotische Herrschaft gegen eine arabische vertauscht; ihnen brachte der Islam

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