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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0177
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Kunstbereichs entstanden sein muß. Und da die Löwen in ihrer
Haltung, der Zeichnung der Mähne und den bald rüsselförmigen,
bald f röhlich aufgestülpten Schnauzen dem buddhistischen Löwen?
typus sehr nahe kommen, so ist die Heimat im Nordosten, sei es
in Khorassan, wo die Städte Nischapur und Merw wegen ihrer
Seidenweberei berühmt waren1), oder noch weiter im Oxusgebiet
oder mehr östlich in der Richtung auf Kabul zu suchen, wo es an
vielfältigen indobuddhistischen Beziehungen und Einflüßen nicht
gefehlt hat. Vielleicht ist die Akanthusblattreihe um die Kreise
aus hellenistischen Nachklängen oder Rückständen zu erklären,
die von Baktrien und aus dem Gandharagebiet um Kabul her
nicht undenkbar wären. Außerhalb unserer ostiranischen Gattung
ist dieses Akanthusornament nur in dem persischen Rosettenstoff
auf Tafel 25 zu finden, in der westsassanidischen Kunst jedoch
gar nicht. Es geht auch nicht an, byzantinischen Einfluß dafür
anzunehmen, solange etwas ähnliches im Bereich der rhomäischen
Textilornamentik nicht bekannt ist. Abb 148 Persische SilberHasche

Schwerlich sind alle Stücke der Gruppe aus einem und frühes Mittelalter. Nach Smimow.
demselben Betriebsort hervorgegangen. Der Stoff in Nancy

überragt mit einem Kreisdurchmesser von über 70 cm nicht nur im Maßstab alle anderen
Beispiele ganz erheblich, er ist auch durch eine so feine und genaue Durchbildung der
Ornamente, namentlich der Kreiseinfassung ausgezeichnet, wie sie sonst in dieser Gattung
nicht wieder vorkommt. Auch der Stoff im Vatikan nimmt eine Sonderstellung ein.
Die meisten Stücke einschließlich des Nancystoffes sind von matter, kränklicher Farbig?
keit; der durchweg hellbräunliche Grund von der Farbe verwelkter Blätter beherrscht die
Wirkung, und die übrigen Farben gehen über die auf Tafel 32b sichtbaren grünen,
blauen und sandfarbenen Töne kaum hinaus. Demgegenüber ist der Löwenstoff aus der
Lateranskapelle von leuchtender Farbenpracht: auf lebhaft violettem Grund liegen die
grünen Kreisfelder, deren Einfassung weiß mit grünen und gelben Scheiben oder grün mit
weißen Scheiben in Reihen wechselt. Die Löwen sind oben und unten violett mit weiß,
in der Mitte hellrot. In der Zeichnung deutet mancherlei nach Westpersien. Die Scheiben?
kreise und Glockenpalmetten sind zwar allgemein iranisch; auffällig ist jedoch, daß der Weber
die Löwenmähne gleich dem sassanidischen Reiterstoff T. 28 in Zickzacklinien, nicht durch
die abstehenden Locken der Ostgruppe wiedergibt und daß auch die Zeichnung der Löwen?
füße dem Weststil entspricht. Wahrscheinlich ist also der Löwenstoff des Vatikans die
westpersische Nachahmung eines ostiranischen Vorbilds. Es mag wunderlich scheinen, daß
die Weberei des höher kultivierten Westgebiets barbarisch?provinzielle Muster entlehnte; aber
die durch die weite Verbreitung der ostiranischen Stoffe in Ostasien und Europa bezeugte
Beliebtheit gibt eine ausreichende Erklärung.

Es liegt nahe, nachdem die persischen Gewebe frühislamischer Zeit in eine westliche
und östliche Gruppe zerlegt sind, diese landschaftliche Scheidung rückschließend auch für
die sassanidischen Erzeugnisse vorzunehmen. Danach würden die vornehmeren Muster
mit spätantikem Einschlag, wie der Hippokampenstofif und die Reiterstoffe (s. T. 20, 26, 27)
dem an den oströmischen Kulturbereich grenzenden Südwesten zufallen, die Heimat der
hart stilisierten Vogelmuster T. 22a und T. 24c dagegen östlich, etwa in Khorassan zu
suchen sein.

Die ältesten Stücke der ostiranischen Gattung, namentlich der als Weberleistung am
x) Heyd, Levantehandel I S. 45.

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