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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0188
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hier in einfacher Gestalt schon zum Vorschein.') Wieder hundert Jahre später ist die Ära*
beske — um fest datierte Beispiele anzuführen — in den cordovanischen Elfenbeinschnitzer
reiender zweiten Hälfte des lO.Jahrhunderts2) und in den fatimidischen Kristallgefäßen aus
Ägypten ausgereift und das islamische Ornament überhaupt zur Selbständigkeit empor*
gediehen.

Die frühislamischen Stoffe des Westens sind zu selten, auch örtlich zuwenig gesichert,
als daß man den Verlauf der Musterentwicklung übersichtlich davon ablesen könnte. Eine
einheitliche Strömung tritt vor dem 11. Jahrhundert nicht zutage; neben Ausläufer der
spätantiken Gattungen, die wir in Alexandria und Achmim kennen lernten, treten Gewebe
entschieden iranischer Richtung.

Ägypten.

Daß mit der arabischen Eroberung zunächst ein künstlerischer Rückgang in der Seiden*
weberei Ägyptens einsetzte, ist in dem Abschnitte über die Koptenstoffe von Achmim (s.
S. 47) ausgeführt und durch die koptischen Vogelstoffe auf Tafel 4a,b, sowie durch die or*
namentalen Muster auf Tafel 5 belegt worden. Hieran schließt sich als ein herabgekom*
mener Nachkömmling der Rautenmuster von Antinoe und Achmim ein Bruchstück in Sens
(Abb. 166) mit gröblich gezeichneten Vogelpaaren und dem altbekannten Sternfeld aus
zwei verkreuzten Vierecken. Das Muster ist in der achmimischen Zweifarbigkeit gelb auf

rot gewebt. Eine koptische Arbeit antiker Tradition ist der
dunkel auf hellrot ausgeführte Reiterstoff in Staatsarchiv Han?
nover (Abb. 167). Während die Haltung des mit leer erho*
bener Hand über einem Löwen aufspringenden Reiters gegen
die älteren Wirkereien Ägyptens nicht wesentlich verändert ist
(Abb. 168), weist die Form der Zwickelrosette und die Ein*
fassung der Ovalfelder doch schon in das 8. Jahrhundert.

Den häufigen Erwähnungen alexandrinischer Seiden*
stoffe im Liber pontificalis ist zu entnehmen, daß die Weberei
von Alexandria, wenn sie auch den in den allgemeinen Kul*
turzuständen des frühen Mittelalters begründeten Niedergang
Abb. 168. Hellenistische Wirkerei aus mit durchmachen mußte, doch unter der arabischen Herrschaft
Ägypten. ihre Bedeutung und hervorragende Stellung nicht ganz ein*

gebüßt hat. Nächst den byzantinischen Stoffen haben die
Päpste von Leo III (795—816) bis zu Leo IV (847—855) für ihre mit großartiger Freigebigkeit
verteilten Schenkungen von Altardecken (vestes) und Kirchenvorhängen (vela und cortinae)
an die römischen Kirchen vornehmlich alexandrinische Erzeugnisse verwendet. Die Ver*
fasser des Papstbuches haben damals diese Zuwendungen sehr ausführlich aufgezeichnet
und sie sind auf diesem Gebiet offenbar sachverständige Leute gewesen. Wenn sie die Vor*
hänge und Altarbekleidungen beschreiben, so werden die für den Grund, für die anders*
farbige Einfassung (Periclisis) oder für die Mittelbesätze gebrauchten, nach Farbe oder Textur
verschiedenen Stoffgattungen, wie Blathin, Tyreus, Staurax, Fundatum, Chrysoclabus, genau
auseinander gehalten.5) Danach darf man annehmen, daß auch ihre Angaben über die
l) Herzfeld a. a. O. S. 39 flg. 2.

-) Migeon, Manuel fig. 108, 109, 110, 111, 114, 116; Riegl, Stilfragen fig. 174 und 175.

') Beispiele: Duchesne, Liber Pontificalis II S. 10. Leo III schenkt der Basilica S. Maria ad Praesepe
cortinam alexandrinam cum periclisin de stauraci, et aliam albam cum periclisin de blathin (d. h. byzan*
tinischem Purpurstoff), pendentem super altare. Ferner II S. 18. Für S. Peter und ebenso für S. Maria ad
Praesepe stiftet Leo III cortinam majorem olosyricam habentem in medio adjunetum fündatum et in cireuitu
ornatam de fundato. Weiter derselbe Papst II S. 30: cortinam magnam alexandrinam mire magnitudinis ei
pulchritudinis decoratam, ornatam in cireuitu de tyreo; vela modica alba olosirica rosata numero 25, ornata
in cireuitu de blathin.

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