Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0193
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
später als typisches Merkmal arabischer Seidenstoffe aus Spanien begegnen werden. Als fa?
timidisch erweisen den Mantel von Chinon außerdem die regelmäßigen und dichten Flecken*
reihen der Leoparden. Während Persien dafür kein Beispiel bietet, sind auf den in Ägypten
geschliffenen Kristallgefäßen der Fatimidenzeit (um das Jahr 1000) nicht nur die Panther
der bezeichneten Azizkanne, sondern auch andere Tiere, Adler, Rehe, Lämmer mit den
reihenweis angebrachten Flecken versehen.1) Und ein Leopardenpaar verwandter Zeichnung
kehrt noch in der ersten Hälfte des 12. Jahrh. auf einem westsarazenischen Kunstwerk, dem
Mosaikbild im Zimmer Rogers II 1154) zu Palermo wieder.2) Das Motiv paarweis an*
geketteter Tiere ist uralt und vermutlich mesopotamischen Ursprungs. In einer dem Stoff
von Chinon ähnlichen Form ist es bereits auf einer mykenischen Gemme 5) zu sehen.

Eine gut datierbare Arbeit aus der ersten Hälfte des 11. Jahrh. ist der Brüsseler Stoff auf
Tafel 40 (Abb. 172) mit gegenständigen Vögeln, deren Flügel einen arabischen Wunsch für
den Besitzer ,,Dauernde Kraft, Geduld und Macht" tragen.4) Der Vorliebe der Araber für
Streifenwirkung dient außer der Reihenordnung des Musters die ohne Rücksicht auf die
Zeichnung wechselnde Farbe des blauen, violetten, gelben und roten Einschlags. Die Her*
Stellungszeit ergibt sich aus einem Zierblatt im Codex aureus des Escorial (Abb. 173), einer
in Echternach bei Trier vor dem Jahr 1046 geschaffenen Handschrift. Der deutsche Buch*
maier hat zwar seine gewebte Vorlage ziemlich frei benützt, aber doch in der Zeichnung
der Vögel und vor allem in dem ungewöhnlichen Motiv der gestielten Scheiben die wesent*
liehen Merkmale eines dem Brüsseler Stoff sehr ähnlichen Gewebes festgehalten. Für die
ägyptische Herkunft ist eine in Fostat ausgegrabene Fayencevase der Fatimidenzeit in der
Sammlung Kelekian (Abb. 174) wegen der stilverwandten Vögel als Belag anzuführen.

Von den im Jahr 1827 dem Schrein des heiligen Cuth*
bert zu Durham in sehr verwittertem und verblichenem Zu*
stand entnommenen Seidenstoffen zeigt das besterhaltene Stück
in achtfach ausgebogenen Rundfeldern Reiter mit dem Jagd*
falken auf der Faust (Abb. 175) und unter einem querlaufen*
den Ornamentstreifen Hasen von ähnlicher Zeichnung, wie
auf dem erwähnten Tirazgewebe des Fatimiden El Hakim.
Reiter auf der Falkenjagd sind auf mesopotamischen Kunst*
werken, Mossulbronzen und Schmelzgläsern häufig darge*
stellt; auch werden Milites equitantes cum avibus super manus
als Muster eines Bagdadstoffes im Inventar der Londoner
Paulskirche (s. S. 108) erwähnt. Da wir außerdem die Acht*
paßfelder auf einem zweifellos mesopotamischen Stoff (s.
Abb. 157; vgl. auch T. 37a) gefunden haben, möchte man den
Cuthbertstoff zunächst dem Irak zuweisen, wenn nicht die sehr Abb 174 Fayencevase aus Fostat
unirakenischen, an die Koptenseiden von Achmim erinnernden n. Jahrh. Sammlung Kelekian.
Blätter außerhalb der Reiterfelder die ägyptische Nachahmung

eines mesopotamischen Musters wahrscheinlicher machten. Daß die Arabesken in den
Querstreifen und Umrahmungen den Stuckornamenten der Tulunmoschee gleichen, fällt
weniger ins Gewicht, da die Ausgrabungen Herzfelds im Schutt von Samarra am Tigris
ganz ähnliche Stuckzieraten auch für das Irak nachgewiesen haben.

J) Auf den Kannen im S. Kens. Museum und im Schatz von S. Marco; Pasini T. 51 fig. 115; T. 52
fig. 118; Migeon, Manuel fig. 320, 322, 324.

2) Kutschmann, Meisterwerke sarazenischmormannischer Kunst in Sizilien, T. 19 u. 20; auch Dreger,
Entwicklung T. 67 a.

:i) Furtwänger, Antike Gemmen III S. 51 fig. 32.

4) Vgl. Katalog Errera S. 16.

Kalke, Seidenweberei.

113

15
 
Annotationen