FÄLSCHUNGEN
Der Weg zur Fälschung mittelalterlicher Bronzegeräte war mit guten Absichten gepflastert. Seit der
Mitte des 19. Jahrhunderts wurden im Sinn der schon damals einsetzenden retrospektiven Richtung des
Kunstgewerbes Bronzekopien von romanischen Leuchtern und Aquamanilien, auch von anderen Geräten,
wie dem Liller Rauchfaß und dem Reimser Meßglöckchen, hergestellt, zuerst auf Anregung Didrons in
Frankreich, dann seit den siebziger Jahren auf breiterer Basis auch in Deutschland. Die Mehrzahl der
Kopien war damals ohne Absicht der Täuschung geschaffen, als Vorbilder oder Lehrmittel, auch zur Ver-
wendung als Kirchengerät oder als Dekorationsstücke. Aber schon um 1850 konnte Didron in seinen
Annales archeologiques feststellen, daß solche bona fide gefertigten Kopien als alte Originale in den
Handel kamen. Diesem Schicksal sind auch viele von den deutschen Kopien verfallen, selbst solche, die
wie die Arbeiten von Fleischmann in München und Hägemann in Hannover in den Katalogen dieser
Firmen als Neugüsse veröffentlicht waren1).
Von den in guter oder böser Absicht angefertigten Kopien mag noch manches der Täuschung dienen,
weil eine ausreichende Kenntnis des Bestandes an Originalen schwer zu erlangen war. Zwar unterscheiden
sich die meisten Neugüsse durch gröbere Ausführung von ihren echten Vorbildern, aber die Interessenten,
Sammler und Museen, hatten nur selten Gelegenheit, durch unmittelbaren Vergleich mit den weit ver-
streuten Originalen die Minderwertigkeit der angebotenen Kopien zu erkennen. Daher erwiesen sich
einigermaßen sorgfältig ausgeführte Kopien als geeignet zur Täuschung, weil sie von stilwidrigen Zutaten
frei bleiben. Zur Aufklärung und Abwehr solcher Fälschungen soll der nachfolgende Katalog dienen.
Denn er verzeichnet alle echten Stücke — im I. Band nur die Leuchter und Gießgefäße — nach Möglich-
keit vollzählig und mit Angabe ihres Standorts und Besitzers. Daran anschließend ist jeweils vermerkt,
von welchen Originalen Bronzekopien, Fälschungen oder Gipsabgüsse existieren, soweit uns solche bekannt
geworden sind. Eine nochmalige Aufzählung der Kopien ist daher an dieser Stelle entbehrlich-').
Die Zahl der von vornherein zum Betrug bestimmten Fälschungen, deren Verfertiger etwas Eigen-
artiges liefern wollten, ist klein, obwohl diese Gattung gleichzeitig mit den Kopien um die Mitte des
19. Jahrhunderts beginnt und bis in die letzten Jahre noch Zuwachs erhalten hat. Denn es ist schwierig,
wie die nachfolgenden Beispiele zeigen, Fälschungen mit Zutaten eigener Erfindung ohne augenfällige
Stilfehler zu komponieren.
Zuerst ist von Frankreich aus in vielen paarweise hergestellten Exemplaren ein falscher Leuchter-
Abb. a typus verbreitet worden (Fälschungstafel I Abb. a, in der Wallace Collection), dessen Unterteil mit den
gestaffelten Drachen sich als Nachguß des feinen Maasleuchters Abb. 73 (Kat. Nr. 74) im Germanischen
Museum erweist. Da der Fälscher nicht das vollständige Original, sondern nur eine Teilabformung aus
Gips von dem Kölner Gipsformer Caesar Leers kannte, komponierte er einen in den Umrissen den schönen
Hildesheimer Leuchtern des Stablomeisters Abb. 48 folgenden Oberteil, den er zur Erhöhung des Reizes
mit stillosen Ornamentstreifen aus schlechtem Grubenemail verzierte. Trotz diesem üblen Schmuck und
dem Mißverhältnis des schweren Oberteils und des zierlichen Fußes haben diese Leuchter früher viel
Anklang gefunden; sie waren in den Sammlungen Joh. Paul - Hamburg, von Passavant-Gontard - Frankfurt
') Für den kirchlichen Gebrauch werden „Altarleuchter und Altarkreuze nach alten Originalen" von J. H. Schmidt Söhne, Iserlohn i. W.
hergestellt. Den Abbildungen eines Katalogs der Firma ist zu entnehmen, daß sie als Vorbilder für Leuchter und zugleich für Kreuzständer
benutzt: die Kremsmünsterleuchter (s. Abb. 2), die Drachenleuchter in Ahaus (s. Abb. 174), Maihingen (s. Abb. 170), München (s. Abb. 171),
den rheinischen Leuchter des Berliner Schloßmuseums (s. Abb. 80), das kleinere Leuchterpaar in Fritzlar (s. Abb. 102 a), den ehemaligen
Koblenzer Leuchterfuß (ähnlich Abb. 81), den Münchener Leuchter Abb. 121, mehrere westfälische Leuchter in Minden (s. Abb. 114) und im
Diözesanmuseum Münster (s. Abb. 34), die belgischen Leuchter Abb. 69—71, den verschollenen Evangelistenleuchter Abb. 55, den Leuchter in
Klosterau (s. Abb. 33), den Rundleuchter in Rees (ähnlich Abb. 125), die Leuchter des Stablomeisters in Hildesheim (s. Abb. 48), den Trierer
Kreuzfuß Abb. 96, die Falschleuchter Abb. c auf Fälschungstafel I, den Stuttgarter Leuchter fs. Abb. 161) und die großen Leuchter in Bam-
berg (s. Abb. 59) und Essen (s. Abb. 149). Diese Nachgüsse sind sauber gearbeitet, aber zur Täuschung weder bestimmt noch geeignet.
2) Siehe Kat. Nr.: 15, 25, 32, 48, 56, 63, 73, 78, 85, 89, 100, 167, 170, 204, 205, 206, 209, 214, 218, 232, 241, 253, 254, 257, 306,
328, 329, 334, 338, 345.
Der Weg zur Fälschung mittelalterlicher Bronzegeräte war mit guten Absichten gepflastert. Seit der
Mitte des 19. Jahrhunderts wurden im Sinn der schon damals einsetzenden retrospektiven Richtung des
Kunstgewerbes Bronzekopien von romanischen Leuchtern und Aquamanilien, auch von anderen Geräten,
wie dem Liller Rauchfaß und dem Reimser Meßglöckchen, hergestellt, zuerst auf Anregung Didrons in
Frankreich, dann seit den siebziger Jahren auf breiterer Basis auch in Deutschland. Die Mehrzahl der
Kopien war damals ohne Absicht der Täuschung geschaffen, als Vorbilder oder Lehrmittel, auch zur Ver-
wendung als Kirchengerät oder als Dekorationsstücke. Aber schon um 1850 konnte Didron in seinen
Annales archeologiques feststellen, daß solche bona fide gefertigten Kopien als alte Originale in den
Handel kamen. Diesem Schicksal sind auch viele von den deutschen Kopien verfallen, selbst solche, die
wie die Arbeiten von Fleischmann in München und Hägemann in Hannover in den Katalogen dieser
Firmen als Neugüsse veröffentlicht waren1).
Von den in guter oder böser Absicht angefertigten Kopien mag noch manches der Täuschung dienen,
weil eine ausreichende Kenntnis des Bestandes an Originalen schwer zu erlangen war. Zwar unterscheiden
sich die meisten Neugüsse durch gröbere Ausführung von ihren echten Vorbildern, aber die Interessenten,
Sammler und Museen, hatten nur selten Gelegenheit, durch unmittelbaren Vergleich mit den weit ver-
streuten Originalen die Minderwertigkeit der angebotenen Kopien zu erkennen. Daher erwiesen sich
einigermaßen sorgfältig ausgeführte Kopien als geeignet zur Täuschung, weil sie von stilwidrigen Zutaten
frei bleiben. Zur Aufklärung und Abwehr solcher Fälschungen soll der nachfolgende Katalog dienen.
Denn er verzeichnet alle echten Stücke — im I. Band nur die Leuchter und Gießgefäße — nach Möglich-
keit vollzählig und mit Angabe ihres Standorts und Besitzers. Daran anschließend ist jeweils vermerkt,
von welchen Originalen Bronzekopien, Fälschungen oder Gipsabgüsse existieren, soweit uns solche bekannt
geworden sind. Eine nochmalige Aufzählung der Kopien ist daher an dieser Stelle entbehrlich-').
Die Zahl der von vornherein zum Betrug bestimmten Fälschungen, deren Verfertiger etwas Eigen-
artiges liefern wollten, ist klein, obwohl diese Gattung gleichzeitig mit den Kopien um die Mitte des
19. Jahrhunderts beginnt und bis in die letzten Jahre noch Zuwachs erhalten hat. Denn es ist schwierig,
wie die nachfolgenden Beispiele zeigen, Fälschungen mit Zutaten eigener Erfindung ohne augenfällige
Stilfehler zu komponieren.
Zuerst ist von Frankreich aus in vielen paarweise hergestellten Exemplaren ein falscher Leuchter-
Abb. a typus verbreitet worden (Fälschungstafel I Abb. a, in der Wallace Collection), dessen Unterteil mit den
gestaffelten Drachen sich als Nachguß des feinen Maasleuchters Abb. 73 (Kat. Nr. 74) im Germanischen
Museum erweist. Da der Fälscher nicht das vollständige Original, sondern nur eine Teilabformung aus
Gips von dem Kölner Gipsformer Caesar Leers kannte, komponierte er einen in den Umrissen den schönen
Hildesheimer Leuchtern des Stablomeisters Abb. 48 folgenden Oberteil, den er zur Erhöhung des Reizes
mit stillosen Ornamentstreifen aus schlechtem Grubenemail verzierte. Trotz diesem üblen Schmuck und
dem Mißverhältnis des schweren Oberteils und des zierlichen Fußes haben diese Leuchter früher viel
Anklang gefunden; sie waren in den Sammlungen Joh. Paul - Hamburg, von Passavant-Gontard - Frankfurt
') Für den kirchlichen Gebrauch werden „Altarleuchter und Altarkreuze nach alten Originalen" von J. H. Schmidt Söhne, Iserlohn i. W.
hergestellt. Den Abbildungen eines Katalogs der Firma ist zu entnehmen, daß sie als Vorbilder für Leuchter und zugleich für Kreuzständer
benutzt: die Kremsmünsterleuchter (s. Abb. 2), die Drachenleuchter in Ahaus (s. Abb. 174), Maihingen (s. Abb. 170), München (s. Abb. 171),
den rheinischen Leuchter des Berliner Schloßmuseums (s. Abb. 80), das kleinere Leuchterpaar in Fritzlar (s. Abb. 102 a), den ehemaligen
Koblenzer Leuchterfuß (ähnlich Abb. 81), den Münchener Leuchter Abb. 121, mehrere westfälische Leuchter in Minden (s. Abb. 114) und im
Diözesanmuseum Münster (s. Abb. 34), die belgischen Leuchter Abb. 69—71, den verschollenen Evangelistenleuchter Abb. 55, den Leuchter in
Klosterau (s. Abb. 33), den Rundleuchter in Rees (ähnlich Abb. 125), die Leuchter des Stablomeisters in Hildesheim (s. Abb. 48), den Trierer
Kreuzfuß Abb. 96, die Falschleuchter Abb. c auf Fälschungstafel I, den Stuttgarter Leuchter fs. Abb. 161) und die großen Leuchter in Bam-
berg (s. Abb. 59) und Essen (s. Abb. 149). Diese Nachgüsse sind sauber gearbeitet, aber zur Täuschung weder bestimmt noch geeignet.
2) Siehe Kat. Nr.: 15, 25, 32, 48, 56, 63, 73, 78, 85, 89, 100, 167, 170, 204, 205, 206, 209, 214, 218, 232, 241, 253, 254, 257, 306,
328, 329, 334, 338, 345.