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Falke, Otto von; Meyer, Erich
Romanische Leuchter und Gefässe, Giessgefässe der Gotik — Berlin, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.21161#0015
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I. LEUCHTER UND KREUZSTÄNDER

Wenn die Bronzegeräte des hohen Mittelalters hier der Übersichtlichkeit halber nach ihrer Gebrauchs-
bestimmung gruppiert werden, so empfiehlt es sich, mit den Standleuchtern zu beginnen, die vornehmlich
für die Kirche bestimmt waren und daher am zahlreichsten erhalten sind. Von ihrer Menge und Mannig-
faltigkeit ist am ehesten ein Aufschluß über die Ursprungsgebiete der Kleinbronzen zu erwarten. Während
des 12. Jahrhunderts hatte sich der Brauch, auf den Altären zu Seiten eines Kruzifixes Kerzenleuchter aufzustellen,
bereits allgemein verbreitet, so daß der künstlerische Aufschwung des Erzgusses von einem wachsenden
Bedarf an Kirchengerät getragen wurde. Ihrer Verwendung entsprechend sind die Altarleuchter paarweis
hergestellt und in Form und Zierat den Ständern zum Aufstellen des Kreuzes ähnlich gestaltet worden.
Aus dieser dienenden Rolle der dem Kruxifix untergeordneten Leuchter erklärt sich ihr im Verhältnis zur
Kerze oft auffallend kleines Format. Die häufigeren Typen der hochromanischen Altarleuchter verzichten
auf einen klar entwickelten Schaft; auf einem dreifüßigen Unterteil sitzt der runde Knauf, aus dem unmittel-
bar der annähernd trichterförmige Oberteil mit der Tropfschale aufsteigt. Der in der Schale fußende
Kerzendorn ist wiederum oft unverhältnismäßig groß und dick, weil die damaligen Wachskerzen durch
eine unten breite Kegelform standfest gemacht wurden. Aber nur die Form und Größe der Altarleuchter
waren durch den kirchlichen Zweck bestimmt; ihr plastisches Ornament nimmt in der Regel keine Rück-
sicht auf die kirchliche Bestimmung, ausgenommen die nicht häufigen Exemplare, die von den Kreuz-
ständern figürliche Motive, die Evangelisten und Engel, übernommen haben. Die im 12. Jahrhundert durchaus
vorherrschenden Elemente der Leuchterornamentik sind phantastische Drachen in Verbindung und Verschlin-
gung mit Rankenwerk, zuweilen auch mit menschlichen Figuren. Die ältere Literatur über die romanischen
Bronzeleuchter hatte sich vornehmlich um symbolische Deutungen der Drachenmotive in biblischem oder
germanisch-mythologischem Sinn bemüht, ohne jedoch einleuchtende Ergebnisse zu erzielen. Aus der Ent-
stehungszeit der Leuchter sind solche Deutungen nicht überliefert; Bernhard von Clairvaux, der die großen
Bronzekandelaber entstehen sah und an ihrer Pracht asketischen Anstoß nahm, hat ihre Drachenplastik
als ridiculam monstruositatem bezeichnet. Wir können sie nur als ornamentale Schöpfungen ansehen, die
das romanische Kunsthandwerk aus dem latenten Formenschatz der germanischen Volkskunst emporgehoben
und weitergebildet hat.

Durch eine Reihe ortsfester Bronzewerke und durch stilistische Zusammenhänge von Bronzegeräten
mit anderen örtlich gesicherten Goldschmiedarbeiten läßt sich feststellen, daß die fruchtbarsten Produk-
tionsgebiete der Kleinbronzen sich vom Maastal zwischen Verdun und Maastricht im Westen über das
Rheinland und Westfalen nach Niedersachsen im Osten erstreckten, wo der Harzbergbau das Kupfer lieferte.
Es entspricht dem im Vergleich mit West- und Norddeutschland viel spärlicheren Bestand an süddeutschen
Goldschmiedewerken, daß so ergiebige Werkstätten von Kleinbronzen im Süden des Reiches nicht nach-
zuweisen sind, obwohl die Domtüren in Augsburg und das Taufbecken in Salzburg für den Betrieb des
Erzgusses zeugen. Frankreich scheint, wenn man entsprechend den damaligen Reichsgrenzen von den
Schöpfungen der auf zweisprachigem Gebiet liegenden Maaswerkstätten absieht, zu dem erhaltenen Bestand
gegossener Leuchter wenig beigetragen zu haben. Seinen Bedarf an handlichen Leuchtern, wie auch an
Gießgefäßen und Reliquiaren, deckten vollauf die emaillierten Kupfergeräte von Limoges, deren einfach
klare Leuchterformen dem französischen Formgefühl besser entsprachen als das phantastische Gewühl der
Drachenmotive germanischen Ursprungs.

Die Blüteperiode des romanischen Erzgusses wird durch seine Höchstleistungen, die lothringischen
Monumentalleuchter in Reims, Prag und Mailand bezeichnet, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
entstanden sind. Aus dieser Zeit und darüber hinaus aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammt
auch die große Mehrzahl der beweglichen Leuchter. Man muß sich im allgemeinen mit dieser weit
gespannten Datierung begnügen, weil sich nur selten sichere Anhaltspunkte zu engerer Zeitbestimmung
darbieten.

1 von Falke-Meyer / Bronzegeräte I

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