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Waldmann Schnauzer.
den Tagen, wovon cs im Waidsprüchlein heißt: „Ist das Bir-
kenblatt wie 'n Gröschle breit, dann hat der Auerhahn seine
Freud'." Weg und Steg waren im Gebirg gangbar geworden,
und ein Waidgesell klopfte an's Thor.
„Was gibt's?" fragte Silvester durch den vergitterten Schieber.
„Einen schönen Gruß vom Herrn Bezirksförster. Er hat einen
Brief vom Herrn Forstmeister erhalten und soll Nachfragen
lasten, ob sich im Liebesharm nicht ein verlaufener Fanghund
aufhält, ein grauer Schnauzer mit braunem Unterfutter?"
„Freilich wohl."
„Der Hund gehört seiner Erlaucht, dem Grafen Edmund.
Der gnädige Herr thut wie wüthig um das Vieh. Der Sil-
vester kann's ihm schicken."
„Schon recht," brummte der und zog den Schieber vor.
Der grüne Bursch hatte keine Einladung zum Hercinkommen
erwartet und ging seiner Wege, wie er gekommen, noch froh,
daß er keine Grobheiten hatte schlucken müssen. Das war aber
nur der Anfang des Donnerwetters gewesen. Natürlich dachte
Silvester nicht daran, sein liebes Möpsle zurückzugeben. Die
weitere Mahnung blieb nicht aus, erst mündlich, dann schrift-
lich vom Bezirksförster, vom Forstmeister und endlich vom Hof-
jägermeisteramt mit Strafandrohung. Da beschied Silvester:
„wem der Hund gehöre, der möge ihn holen lassen." — „Ich
habe ihn nicht geholt," fügte er hinzu: „bin also nicht schuldig,
ihn wieder zu bringen." — Die Sache zog sich bis spät in
den Sommer hin, doch blieb sie nicht begraben, und eines
Nachmittags kam ein Hosjäger angekleppert, um den Wald-
mann in Empfang zu nehmen. Silvester konnte nicht umhin,
seine streng verschlossene Thür zu öffnen.
„Ich bedaurc sehr, dem Herrn Silvester lästig zu fallen,"
sagte der Grünrock sich entschuldigend: „aber Amt ist Amt."
„Hat nichts zu sagen," antwortete der Einsiedler knurrend
wie ein Bullenbeißer: ich soll eben keine Freude haben. Bei
Hof« hätten sie doch der Hunde genug und brauchten mir das
Möpsle nicht zu nehmen."
Der Alte machte zu diesen Worten ein so trübseliges Gesicht,
daß dem andern das Herz im Leibe weh that. Er ermangelte
nicht, diese seine Theilnahme in Worten auszudrücken, und
wollte Silvesters Hand ergreifen. Den aber warf grad diese Be-
wegung wieder in seine gewohnte Haltung zurück. Finstern Blickes
und mit höhnischem Ausdruck sagte er: „Vollzieh' der Herr
Florens sein Geschäft und mach' er's kurz. Dort liegt der Mops."
Waldmann lag auf dem Bärenfell und rührte sich nicht.
Offenbar verstand er, was vorging. Der Jäger näherte sich, —
langsam genug, weil er sah, daß der Zottel falsche Augen
machte. „Waldmännle, schön's Hündle," sagte er schmeichelnd,
und schnalzte dazu mit Zunge und Fingern. „Waldmännle"
aber ließ zur Antwort ein upheimliches Knurren vernehmen,
das anfangs wie ferner Donnerton dumpf im Leibe rollte und
kollerte, doch immer vernehmlicher ward, je mehr der Grüne
sich näherte. Florens streckte endlich unversehens die Hand aus,
um den mißvergnügten Rüden bei der Halsung zu greifen, der
aber war nicht so dumm, sondern stand im Nu auf asten Vie-
ren, die vorderen Tatzen nach vorn gespreizt, sprungfertig auf den
hinteren, das blanke scharfe Gebiß weisend, die Ruthe hinten
steif hinausgestreckt, woran wie aus den gesträubten Zotteln auf
dem Bug sein zorniger Ernst so recht zu erkennen war. Dem
Silvester wurde bei diesem klugen und tapfern Benehmen seines
Möpschens so wacker um's Herz, als schmeckte er Leberknöpfle
mit Sauerkraut; wohlgemuth stopfte er sich ein Pfeifchen und
sah mit stillem Vergnügen zu, wie der Hofjäger gern Händel
angefangen hätte und sich der Furcht schämte, die er doch nicht
verwinden konnte. Endlich hieß es bei ihm: der Klügste gibt nach.
„Will der Herr Silvester nicht so gut sein," sagte Florens,
„mir den Hund an die Leine zu hängen?"
Gemächlich schlug Silvester Feuer, drückte den glimmenden
Zunder in den Pfeifenkopf, zettelte noch etwas Tabak darüber,
welchen er zu diesem Zweck in der Hand zurückbehalten hatte,
und setzte mit starken Zügen die Pfeife in Brand; dann erst
schüttelte er das umwölkte Haupt und krächzte: „eh, eh!", jenes
unnachahmliche faule Nein, Pas nur in „hm hm!" dem
faulen Ja seines Gleichen findet.
Lachend sprach Florens darauf: „Der Silvester hat im
Grunde recht; ich thät's auch nicht, ich. Was aber der Herr
Graf dazu sagen wird, ist eine andre Sach'. Er wird wohl,
denk' ich, dem Silvester befehlen, den Hund selber zu bringen,
oder gar in höchsteigener Person kommen, um ihn zu holen.
Doch was kümmert's mich? Gottbefohlen."
Silvester ließ den Hofjäger gehen, ohne ihm nur einen
Schnaps angeboten zu haben. Er hatte eben noch außer dem
Verdruß wegen des Hundes gar mancherlei Gedanken im Kopf.
Vor allem grübelte und diftelte er wegen eines unerhörten Be-
tz egniffes, das in jüngster Zeit ihm vorgekommen. Die Rauch-
kammer war zu verschiedenen Malen bestohlen worden, doch
verrieth keine Spur, wie der Dieb in das wohlverwahrte Haus
und durch die verschloffenen Thüren gekommen sein- mochte.
Nicht minder wundersam erschien es, daß derselbe bei jeder
Wiederholung des Besuches immer nur ein Stück mitgenom-
men hatte. „Das Möpsle wird's doch nicht gethan haben?"
sagte endlich der Menschenfeind zu sich selber und antwortete
sofort: „Pfui, alter SUvester, schäm' dich. Der Schnauzer ist
ja ein Hund, eine treue Seele. Wär' er ein guter Freund auf
zwei Beinen, dann ließe sich etwa davon reden. Aber so?
Nein, nein. Pfui Teufel über den schnöden Argwohn." —
Der Verdacht ließ sich durch die Scheltworte nicht abschrecken,
sondern kam immer wieder, ein so zudringlicher Gesell, als wär'
er des Zeitgeistes Zwillingsbruder. Wie's der Zeitgeist aber
zu machen pflegt, das ist den Lesern der Fliegenden Blätter
aus Nro. 93 hinlänglich bekannt. Dazu ging's dem Verdacht
wie einem gekränkten Biedermann, der sich alle erdenkliche
Mühe gibt, sein bezweifeltes Wort zu bewahrheiten, und just
ein paar Stunden später, nachdem Florens unverrichteter Dinge
den Liebesharm verlaffen, führte die rastlose Unruhe den umher-
stöbernden Silvester in einen versteckten Winkel, wo sich. unter
allerhand Geröll vergraben, neben einigen abgenagten Knochen
ein halbgefreffener Schinken fand. Dem Alten ward zu Mulhe
wie damals vor langen Jahren, als er in seiner Braut eine
verlorene Dirne entdeckte und mit Schrecken inne wurde, daß
Waldmann Schnauzer.
den Tagen, wovon cs im Waidsprüchlein heißt: „Ist das Bir-
kenblatt wie 'n Gröschle breit, dann hat der Auerhahn seine
Freud'." Weg und Steg waren im Gebirg gangbar geworden,
und ein Waidgesell klopfte an's Thor.
„Was gibt's?" fragte Silvester durch den vergitterten Schieber.
„Einen schönen Gruß vom Herrn Bezirksförster. Er hat einen
Brief vom Herrn Forstmeister erhalten und soll Nachfragen
lasten, ob sich im Liebesharm nicht ein verlaufener Fanghund
aufhält, ein grauer Schnauzer mit braunem Unterfutter?"
„Freilich wohl."
„Der Hund gehört seiner Erlaucht, dem Grafen Edmund.
Der gnädige Herr thut wie wüthig um das Vieh. Der Sil-
vester kann's ihm schicken."
„Schon recht," brummte der und zog den Schieber vor.
Der grüne Bursch hatte keine Einladung zum Hercinkommen
erwartet und ging seiner Wege, wie er gekommen, noch froh,
daß er keine Grobheiten hatte schlucken müssen. Das war aber
nur der Anfang des Donnerwetters gewesen. Natürlich dachte
Silvester nicht daran, sein liebes Möpsle zurückzugeben. Die
weitere Mahnung blieb nicht aus, erst mündlich, dann schrift-
lich vom Bezirksförster, vom Forstmeister und endlich vom Hof-
jägermeisteramt mit Strafandrohung. Da beschied Silvester:
„wem der Hund gehöre, der möge ihn holen lassen." — „Ich
habe ihn nicht geholt," fügte er hinzu: „bin also nicht schuldig,
ihn wieder zu bringen." — Die Sache zog sich bis spät in
den Sommer hin, doch blieb sie nicht begraben, und eines
Nachmittags kam ein Hosjäger angekleppert, um den Wald-
mann in Empfang zu nehmen. Silvester konnte nicht umhin,
seine streng verschlossene Thür zu öffnen.
„Ich bedaurc sehr, dem Herrn Silvester lästig zu fallen,"
sagte der Grünrock sich entschuldigend: „aber Amt ist Amt."
„Hat nichts zu sagen," antwortete der Einsiedler knurrend
wie ein Bullenbeißer: ich soll eben keine Freude haben. Bei
Hof« hätten sie doch der Hunde genug und brauchten mir das
Möpsle nicht zu nehmen."
Der Alte machte zu diesen Worten ein so trübseliges Gesicht,
daß dem andern das Herz im Leibe weh that. Er ermangelte
nicht, diese seine Theilnahme in Worten auszudrücken, und
wollte Silvesters Hand ergreifen. Den aber warf grad diese Be-
wegung wieder in seine gewohnte Haltung zurück. Finstern Blickes
und mit höhnischem Ausdruck sagte er: „Vollzieh' der Herr
Florens sein Geschäft und mach' er's kurz. Dort liegt der Mops."
Waldmann lag auf dem Bärenfell und rührte sich nicht.
Offenbar verstand er, was vorging. Der Jäger näherte sich, —
langsam genug, weil er sah, daß der Zottel falsche Augen
machte. „Waldmännle, schön's Hündle," sagte er schmeichelnd,
und schnalzte dazu mit Zunge und Fingern. „Waldmännle"
aber ließ zur Antwort ein upheimliches Knurren vernehmen,
das anfangs wie ferner Donnerton dumpf im Leibe rollte und
kollerte, doch immer vernehmlicher ward, je mehr der Grüne
sich näherte. Florens streckte endlich unversehens die Hand aus,
um den mißvergnügten Rüden bei der Halsung zu greifen, der
aber war nicht so dumm, sondern stand im Nu auf asten Vie-
ren, die vorderen Tatzen nach vorn gespreizt, sprungfertig auf den
hinteren, das blanke scharfe Gebiß weisend, die Ruthe hinten
steif hinausgestreckt, woran wie aus den gesträubten Zotteln auf
dem Bug sein zorniger Ernst so recht zu erkennen war. Dem
Silvester wurde bei diesem klugen und tapfern Benehmen seines
Möpschens so wacker um's Herz, als schmeckte er Leberknöpfle
mit Sauerkraut; wohlgemuth stopfte er sich ein Pfeifchen und
sah mit stillem Vergnügen zu, wie der Hofjäger gern Händel
angefangen hätte und sich der Furcht schämte, die er doch nicht
verwinden konnte. Endlich hieß es bei ihm: der Klügste gibt nach.
„Will der Herr Silvester nicht so gut sein," sagte Florens,
„mir den Hund an die Leine zu hängen?"
Gemächlich schlug Silvester Feuer, drückte den glimmenden
Zunder in den Pfeifenkopf, zettelte noch etwas Tabak darüber,
welchen er zu diesem Zweck in der Hand zurückbehalten hatte,
und setzte mit starken Zügen die Pfeife in Brand; dann erst
schüttelte er das umwölkte Haupt und krächzte: „eh, eh!", jenes
unnachahmliche faule Nein, Pas nur in „hm hm!" dem
faulen Ja seines Gleichen findet.
Lachend sprach Florens darauf: „Der Silvester hat im
Grunde recht; ich thät's auch nicht, ich. Was aber der Herr
Graf dazu sagen wird, ist eine andre Sach'. Er wird wohl,
denk' ich, dem Silvester befehlen, den Hund selber zu bringen,
oder gar in höchsteigener Person kommen, um ihn zu holen.
Doch was kümmert's mich? Gottbefohlen."
Silvester ließ den Hofjäger gehen, ohne ihm nur einen
Schnaps angeboten zu haben. Er hatte eben noch außer dem
Verdruß wegen des Hundes gar mancherlei Gedanken im Kopf.
Vor allem grübelte und diftelte er wegen eines unerhörten Be-
tz egniffes, das in jüngster Zeit ihm vorgekommen. Die Rauch-
kammer war zu verschiedenen Malen bestohlen worden, doch
verrieth keine Spur, wie der Dieb in das wohlverwahrte Haus
und durch die verschloffenen Thüren gekommen sein- mochte.
Nicht minder wundersam erschien es, daß derselbe bei jeder
Wiederholung des Besuches immer nur ein Stück mitgenom-
men hatte. „Das Möpsle wird's doch nicht gethan haben?"
sagte endlich der Menschenfeind zu sich selber und antwortete
sofort: „Pfui, alter SUvester, schäm' dich. Der Schnauzer ist
ja ein Hund, eine treue Seele. Wär' er ein guter Freund auf
zwei Beinen, dann ließe sich etwa davon reden. Aber so?
Nein, nein. Pfui Teufel über den schnöden Argwohn." —
Der Verdacht ließ sich durch die Scheltworte nicht abschrecken,
sondern kam immer wieder, ein so zudringlicher Gesell, als wär'
er des Zeitgeistes Zwillingsbruder. Wie's der Zeitgeist aber
zu machen pflegt, das ist den Lesern der Fliegenden Blätter
aus Nro. 93 hinlänglich bekannt. Dazu ging's dem Verdacht
wie einem gekränkten Biedermann, der sich alle erdenkliche
Mühe gibt, sein bezweifeltes Wort zu bewahrheiten, und just
ein paar Stunden später, nachdem Florens unverrichteter Dinge
den Liebesharm verlaffen, führte die rastlose Unruhe den umher-
stöbernden Silvester in einen versteckten Winkel, wo sich. unter
allerhand Geröll vergraben, neben einigen abgenagten Knochen
ein halbgefreffener Schinken fand. Dem Alten ward zu Mulhe
wie damals vor langen Jahren, als er in seiner Braut eine
verlorene Dirne entdeckte und mit Schrecken inne wurde, daß