Des Churfürsten Hofjäger.
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„Seht," begann er, indem er daS leere Trinkgefäß der Wir-
thin mit einer sprechenden Pantomime reichte, „als wir vor
einigen Tagen uns hier verließen, gingen mir die zehn Maas
Wein, die Ihr mir versprochen, oder eigentlich Euer Unglück,
sehr zu Herzen, und da ich bei Hofe manchen Hochgestellten
persönlich bekannt zu sein die Ehre habe, und Seine churfürst-
liche Durchlaucht mich seit langer Zeit als einen treuen redli-
chen Diener kennt, so beschloß ich, mich Eurer anzunehmen,
und" fügte er hinzu, sich nachlässig in seinem Lehnstuhl streckend,
— „das habe ich auch gethan!"
„Und auf welche Art?" fragte Rudolph gespannt.
„Auf eine ganz einfache," fuhr der Trabant fort, eine vor-
nehme Gleichgültigkeit affectirend, „ich habe — aber seid so
gut, Herr Hofjäger, und sagt Eurer Frau Base, die mit leerem
Gefäß neugierig hier stehen bleibt, daß sie ihre Pflicht als Wir-
thin nicht so sehr vernachlässige und mich etwas aufmerksamer
bediene."
„O Ihr Prahlhans," entgegnete die Wirthin spöttisch, ihm
den gefüllten Krug von neuem reichend, „zuletzt ist Eure ganze
Nachricht keine MaaS Wein werth!"
„Keine Maas Wein? — Euern ganzen Keller," schrie der
Rottmeister, „und Ihr Alle werdet mir noch um den Hals fal-
, len, und beschämt vor mir stehen!"
„Nun so kommt endlich zur Sache," rief Rudolph ernst,
während Anna begütigend die Hand der Wirthin ergriff, welche
ernstlich böse zu werden schien, „sagt kurz heraus, waS Ihr
wißt und uns angeht, denn bald könnten Gäste kommen und
! die Geschichte ist nicht für Jedermanns Ohr."
„Nun denn, wenn Ihr es wissen wollt," platzte der Rott-
meister mit stolzem Trotz heraus, „ich habe den Hergang der
Sache und Eure Noth Seiner chursürstlichen Durchlaucht ans
| Herz gelegt."
„Sr. Durchlaucht selbst?" riefen Rudolph und Anna zu-
j gleich, mehr erschrocken als erfreut.
„Ihr lügt doch nicht, Rottmeister, in so ernster Sache,"
drohte die Wirthin.
„Was, Lügen?! Donnerwetter, wann habe ich jemals ge-
! logen! Ihr glaubt eS also nicht, — gut, so sollt Ihr auch
nichts weiter erfahren."
„Nur weiter," drängte der Hofjäger, „haltet uns durch
unnützes Geschwätz nicht länger hin."
Der Rottmeister trank, stemmte den Arm auf den Tisch
und legte einen Augenblick die Hand auf den Mund. — „Nun,
i ich will nicht grollen," fuhr er nach einer Pause fort. „Kurz
, und gut, glaubt's oder nicht. Die Gelegenheit war mir gün-
stig, und ich faßte mir ein Herz und berichtete Euer Unglück
dem gestrengen Herrn Churfürsten selbst, zugleich dacht' ich bei
mir, der Amtsverwalter zu Zeitz wird auch keinen schlechten
Wein im Keller haben, und, wenn er wieder auf freiem Fuße
ist, einen braven Rotrmeister der churfürstlichen Trabanten nicht
! vergessen. He!"
„Ach Gott!" rief Anna in ihrer Herzensangst aus, „wenn
das wird, so sollt Ihr ein ganzes Orhofft bekommen."
„Ein ganzes Orhofft," schrie der Rotrmeister entzückt.
„Topp, es gilt, Ihr seid ein wackres deutsches Mädchen.
Euch wird geholfen. Nun seht," fuhr er, eine ernste Miene
annehmend, fort, „ich fand den Herrn Churfürsten im Begriff,
mit dem Herzoge von Sachsen-Lauenburg sich nach dem Ca-
rousselreiten im Zwinger zu begeben. Der Lauenburger ist ein
spaßhafter Herr, der sehr gern Schwänke erzählt, und dies
mochte so eben geschehen sein, denn Se. churfürstliche Durch-
laucht geruheten, was ich noch nicht zu hören die Ehre gehabt >
hatte, recht herzlich zu lachen. Da trat ich denn, als die Herr- -
schäften an der Trabantcnwache bei der Kapelle vorüber wollten,
vor, und bat um ein gnädige- Gehör. Der Herzog von Lauen-
bürg sah mich freundlich, Sr. churfürstliche Durchlaucht da-
gegen sehr ernst an, und es schien, als ob der gestrenge Herr
eben nicht Lust hätte, mich anzuhören, denn er wendete mir den
Rücken und wollte vorüber, aber der Lauenburger rief: „Eurer
Liebden, hört doch, was dieser Wehrwolf will! — damit j
meinte er mich, verstanden?" unterbrach sich jetzt der Erzähler,
und sah sich nach der Wirthin um, welche den Krug von
neuem füllte.
„Es ist eine Schwäche von mir," fuhr er fort, indem er !
nach demselben langte und ihn in einem langen Zuge leerte, j
„daß mich das viele Sprechen angreift — doch, ich bin nun
wohl zu alt, um deßhalb eine andere Einrichtung zu treffen. —
Also gut, Sr. churfürstliche Gnaden blieb stehen und der Lauen-
burger auch, und ich trug nun aus sehr bündige Weise meine
Bitte vor, über den armen AmtSverwalter zu Zeitz Gnade für
Recht ergehen zu lassen."
„Der Herzog von Lauenburg sah recht freundlich auf mich,
und mir schien, als wenn er mir winkte, ich sollte so fortfah-
ren, und da sagte ich denn in meiner Einfalt, was ich durch
die Leute des Oberforstmeisters von Dehn erfahren hatte, daß
Euer Vater, der Amtsverwalter, mit Verlaub zu melden, sehr
dumm gewesen ist, sich durch den KreiShauptmann von Bran-
denstein bereden zu lassen, auszusagen, er habe nach dem von
Karaß aus Versehen geschossen."
„Um Gottes Willen, was sprecht Ihr da," rief erschrocken
Anna.
„Nur Geduld," fuhr der Rottmeister fort, den Krug leerend
und sich behaglich den Bart streichend, „daS Beste kommt noch."
„Rottmeister!" rief Rudolphs durch diese Mittheilung über-
rascht, „wenn Ihr Unheil gestiftet, so sollt Ihr mir es thcuer
büßen."
„Ich konnte mir's denken, daß der Prahlhans nichts Ver-
nünftiges würde zu Tage bringen," schalt die Wirhin, und
stellte den leeren Krug des Trabanten bei Seite.
„Noch einmal gefüllt!" commandirte der Rottmeister, sich
hoch aufrichtend. „Noch einmal gefüllt, Frau Wirthin zum
goldnen Schwert, oder Ihr sollt sehen, mit wem Ihr es zu
thun habt. Meint Ihr, Herr Hofjäger," fuhr er, mit der Faust
auf den Tisch schlagend, fort, „ich sei ein Narr, der nicht weiß,
was er spricht, wenn er vor der höchsten Person steht? Meint
Ihr, ich weiß nicht, daß der Herr von Karaß auf churfürstlt-
chem Revier verbotener Weise gejagt, weil der Oberförster da-
selbst schwer erkrankt und der Amtsverwalter dessen Dienst ver-
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„Seht," begann er, indem er daS leere Trinkgefäß der Wir-
thin mit einer sprechenden Pantomime reichte, „als wir vor
einigen Tagen uns hier verließen, gingen mir die zehn Maas
Wein, die Ihr mir versprochen, oder eigentlich Euer Unglück,
sehr zu Herzen, und da ich bei Hofe manchen Hochgestellten
persönlich bekannt zu sein die Ehre habe, und Seine churfürst-
liche Durchlaucht mich seit langer Zeit als einen treuen redli-
chen Diener kennt, so beschloß ich, mich Eurer anzunehmen,
und" fügte er hinzu, sich nachlässig in seinem Lehnstuhl streckend,
— „das habe ich auch gethan!"
„Und auf welche Art?" fragte Rudolph gespannt.
„Auf eine ganz einfache," fuhr der Trabant fort, eine vor-
nehme Gleichgültigkeit affectirend, „ich habe — aber seid so
gut, Herr Hofjäger, und sagt Eurer Frau Base, die mit leerem
Gefäß neugierig hier stehen bleibt, daß sie ihre Pflicht als Wir-
thin nicht so sehr vernachlässige und mich etwas aufmerksamer
bediene."
„O Ihr Prahlhans," entgegnete die Wirthin spöttisch, ihm
den gefüllten Krug von neuem reichend, „zuletzt ist Eure ganze
Nachricht keine MaaS Wein werth!"
„Keine Maas Wein? — Euern ganzen Keller," schrie der
Rottmeister, „und Ihr Alle werdet mir noch um den Hals fal-
, len, und beschämt vor mir stehen!"
„Nun so kommt endlich zur Sache," rief Rudolph ernst,
während Anna begütigend die Hand der Wirthin ergriff, welche
ernstlich böse zu werden schien, „sagt kurz heraus, waS Ihr
wißt und uns angeht, denn bald könnten Gäste kommen und
! die Geschichte ist nicht für Jedermanns Ohr."
„Nun denn, wenn Ihr es wissen wollt," platzte der Rott-
meister mit stolzem Trotz heraus, „ich habe den Hergang der
Sache und Eure Noth Seiner chursürstlichen Durchlaucht ans
| Herz gelegt."
„Sr. Durchlaucht selbst?" riefen Rudolph und Anna zu-
j gleich, mehr erschrocken als erfreut.
„Ihr lügt doch nicht, Rottmeister, in so ernster Sache,"
drohte die Wirthin.
„Was, Lügen?! Donnerwetter, wann habe ich jemals ge-
! logen! Ihr glaubt eS also nicht, — gut, so sollt Ihr auch
nichts weiter erfahren."
„Nur weiter," drängte der Hofjäger, „haltet uns durch
unnützes Geschwätz nicht länger hin."
Der Rottmeister trank, stemmte den Arm auf den Tisch
und legte einen Augenblick die Hand auf den Mund. — „Nun,
i ich will nicht grollen," fuhr er nach einer Pause fort. „Kurz
, und gut, glaubt's oder nicht. Die Gelegenheit war mir gün-
stig, und ich faßte mir ein Herz und berichtete Euer Unglück
dem gestrengen Herrn Churfürsten selbst, zugleich dacht' ich bei
mir, der Amtsverwalter zu Zeitz wird auch keinen schlechten
Wein im Keller haben, und, wenn er wieder auf freiem Fuße
ist, einen braven Rotrmeister der churfürstlichen Trabanten nicht
! vergessen. He!"
„Ach Gott!" rief Anna in ihrer Herzensangst aus, „wenn
das wird, so sollt Ihr ein ganzes Orhofft bekommen."
„Ein ganzes Orhofft," schrie der Rotrmeister entzückt.
„Topp, es gilt, Ihr seid ein wackres deutsches Mädchen.
Euch wird geholfen. Nun seht," fuhr er, eine ernste Miene
annehmend, fort, „ich fand den Herrn Churfürsten im Begriff,
mit dem Herzoge von Sachsen-Lauenburg sich nach dem Ca-
rousselreiten im Zwinger zu begeben. Der Lauenburger ist ein
spaßhafter Herr, der sehr gern Schwänke erzählt, und dies
mochte so eben geschehen sein, denn Se. churfürstliche Durch-
laucht geruheten, was ich noch nicht zu hören die Ehre gehabt >
hatte, recht herzlich zu lachen. Da trat ich denn, als die Herr- -
schäften an der Trabantcnwache bei der Kapelle vorüber wollten,
vor, und bat um ein gnädige- Gehör. Der Herzog von Lauen-
bürg sah mich freundlich, Sr. churfürstliche Durchlaucht da-
gegen sehr ernst an, und es schien, als ob der gestrenge Herr
eben nicht Lust hätte, mich anzuhören, denn er wendete mir den
Rücken und wollte vorüber, aber der Lauenburger rief: „Eurer
Liebden, hört doch, was dieser Wehrwolf will! — damit j
meinte er mich, verstanden?" unterbrach sich jetzt der Erzähler,
und sah sich nach der Wirthin um, welche den Krug von
neuem füllte.
„Es ist eine Schwäche von mir," fuhr er fort, indem er !
nach demselben langte und ihn in einem langen Zuge leerte, j
„daß mich das viele Sprechen angreift — doch, ich bin nun
wohl zu alt, um deßhalb eine andere Einrichtung zu treffen. —
Also gut, Sr. churfürstliche Gnaden blieb stehen und der Lauen-
burger auch, und ich trug nun aus sehr bündige Weise meine
Bitte vor, über den armen AmtSverwalter zu Zeitz Gnade für
Recht ergehen zu lassen."
„Der Herzog von Lauenburg sah recht freundlich auf mich,
und mir schien, als wenn er mir winkte, ich sollte so fortfah-
ren, und da sagte ich denn in meiner Einfalt, was ich durch
die Leute des Oberforstmeisters von Dehn erfahren hatte, daß
Euer Vater, der Amtsverwalter, mit Verlaub zu melden, sehr
dumm gewesen ist, sich durch den KreiShauptmann von Bran-
denstein bereden zu lassen, auszusagen, er habe nach dem von
Karaß aus Versehen geschossen."
„Um Gottes Willen, was sprecht Ihr da," rief erschrocken
Anna.
„Nur Geduld," fuhr der Rottmeister fort, den Krug leerend
und sich behaglich den Bart streichend, „daS Beste kommt noch."
„Rottmeister!" rief Rudolphs durch diese Mittheilung über-
rascht, „wenn Ihr Unheil gestiftet, so sollt Ihr mir es thcuer
büßen."
„Ich konnte mir's denken, daß der Prahlhans nichts Ver-
nünftiges würde zu Tage bringen," schalt die Wirhin, und
stellte den leeren Krug des Trabanten bei Seite.
„Noch einmal gefüllt!" commandirte der Rottmeister, sich
hoch aufrichtend. „Noch einmal gefüllt, Frau Wirthin zum
goldnen Schwert, oder Ihr sollt sehen, mit wem Ihr es zu
thun habt. Meint Ihr, Herr Hofjäger," fuhr er, mit der Faust
auf den Tisch schlagend, fort, „ich sei ein Narr, der nicht weiß,
was er spricht, wenn er vor der höchsten Person steht? Meint
Ihr, ich weiß nicht, daß der Herr von Karaß auf churfürstlt-
chem Revier verbotener Weise gejagt, weil der Oberförster da-
selbst schwer erkrankt und der Amtsverwalter dessen Dienst ver-