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Fliegende Blätter — 12.1850 (Nr. 265-288)

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Nr. 273
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https://doi.org/10.11588/diglit.2114#0071
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Des Churfürsten Hosjäger.

«7

sehend, ihn als Wilddieb getroffen? Meint Ihr, ich soll Euch,
Eurer zehn Maas Wein wegen, daS Alles vorher auf die Nase
binden, he? soll ich, wenn ich spreche, nicht für den Unschul-
digen sprechen, wenn eS gilt? Habe ich es Euch, Ihr Gelb-
schnabel, nicht aus christlicher Freundschaft zu Liebe gethan, he! ?"

„Mein armer Vater!" jammerte das Mädchen, sich abwen-
dend, um ihre Thränen zu verbergen, während die Wirthin
stillschweigend den gefüllten Krug vor den Rottmeister setzte,
und Rudolph die Weinende zu trösten suchte.

„Was ich ausgcsagt habe," fuhr der Rottmeister feierlicher,
«ls die Anwesenden erwarteten, fort, „kann dem Amtsverwalter
' nur zum Guten gereichen; er hat den Herrn von Karaß für
einen Wilddieb gehalten, und das einzige Unglück ist hier, daß
nicht Euer Herr Vater der Wilddieb, und der Herr von Karaß
der Schütze, der ihn traf, war, und ich sah es an Sr. chur-
fürstlichen Durchlaucht finstern Gesichtszügen, daß ihm nicht
Alles so berichtet worden sei, wie es der Wahrheit gemäß ist,
aber das konnte mich wenig kümmern. Der gestrenge Herr
Chursürst Georg der Erste ist ein Fürst, und daher
geht es ihm wie allen Großen der Erde, es findet
sich selten Einer, der Muthhat, einem Fürsten die
Wahrheit zu sagen, aber hundert Feiglinge gibt es,
die die Frechheit haben, einen Fürsten zu belügen,
j Hab' ich recht, he?"

„Aber, was war die Folge Eurer Thorheit, indem Ihr eS
wagtet, Sr. Durchlaucht so unvorbereitet mit einer solchen
j Nachricht zu überraschen?" frug Rudolph, ohne die geringste
. Hoffnung aus dieser Mittheilung schöpfen zu können.

„Die Folge meiner Thorheit?!" entgegnete der Rottmeister,
indem er seinen Federhut gemächlich aussetzte und zum Fort-
gehen sich anschickte. „Seht, Ihr angehender Forstmeister, die
Folge meiner Thorheit kam mir bald auf dem Fuße nach.

' Während ich mit Sr. Durchlaucht zu sprechen die Ehre hatte,
wurde der berühmte Doctor Bücher, der den Herrn von Karaß
behandelt, dem gestrengen Herrn gemeldet, und diese gelehrte
Perrücke brachte die Nachricht, daß der adeliche Wilddieb ohne
alle Gefahr sei."

„Gott vergelte Euch diese Kunde," unterbrach ihn Anna,
schwer athmend und drückte die narbige Hand des Rottmeisters.

„Ja Gott Vergelts!" wiederholte dieser, „und —" setzte er
I schmunzelnd hinzu, „Eures Herrn Vaters Weinkeller."

„Den Schluß Eurer Unterredung mit dem Ehursürstcn selbst,
j »crgeßt nicht," erinnerte im Innern ruhiger der Hofjäger.

„Und die Folge meiner Thorheit, wie Ihr eS zu nennen
! beliebtet," ergänzte der Rottmcister.

„Als Sr. Durchlaucht die Nachricht des Doctor Bücher
erhalten, ließ er mich stehen, ohne ein Wort huldreichst an mich
zu richten, aber der Herzog von Sachsen-Lauenburg lächelte
mir gnädigst zu, und beide Fürsten begaben sich nach dem Ca-
rvuffelreiten. Als ich abgelöst wurde und in den Wachsaal
trat, kündigte mir mein Herr Hauptmann von Einsiedel an,
baß ich bis auf weitern Befehl als Arrestant zu betrachten sei,
laut churfürstlicher gnädigster Verordnung."

„Als Arrestant?!" rief theilnehmend die Wirthin.

„Ja, Ihr brave Frau," entgegnete lachend der Rottmeister,
„verhaftet zum ersten Mal in meinem Leben, und bios, weil
ich bei meiner Fürbitte die Form verletzt hatte. Seht, so
etwas kann nur denjenigen paffiren, die nicht viel mit großen
Herrn umgehen. Jndeß ging das Ganze gnädig ab. Binnen
zwölf Stunden war ich wieder frei. Aber nun —" rief er,
sich an Rudolph und Anna wendend, „gehabt Euch wohl,
sonst könnte der Arrest sich wiederholen, denn ich habe heute
Nacht und Morgen bis zum Schluß der Bärenhetze noch schar-
fen Dienst."

„Nehmt einstweilen unfern Dank," entgegnete Rudolph, ihm
die Hand reichend, „und was meine Braut und ich versprochen,
das halten wir; schon des guten Willens wegen, den Ihr,
uns zu helfen an den Tag gelegt."

„Wenn aber der gute Wille Früchte trägt?" frug der
Rottmcister, nach der Thüre gehend.

„Dann lösch' ich Euer schwarzes Register," fiel die Wir-
thin ein, indem sie ihm das Kerbholz zeigte.

„Angenommen," ries lachend der Rottmeister und ent-
fernte sich.

Der 14te August des JahreS 1622 war erschienen und mit
ihm der Schluß der Feierlichkeiten des Kindtausfestes, welches
Georg der Erste diesmal prachtvoller und verschwenderischer
als bei jeder früher« Gelegenheit veranstaltet hatte. Eine Bä-
renhetze im großen Schloßhofe sollte die letzte der öffentlichm
Lustbarkeiten sein, und längst schon waren alle Vorkehrungen
und Einrichtungen, welche dieses gefährliche Schauspiel erfor-
derlich machte, beendet. Eine hölzerne sechs Ellen hohe Schutz-
wand zog sich um das Innere deS Schloßhofcs, an jedem der
vier Eckthürme mit einer Thüre versehen, während der Eingang
vom kleinen Schloßhofe her durch ein Fallgittcr versperrt war.
Die Käfige, in welchen sich die zur Hetze bestimmten Bären
befanden, standen unter einem zu diesem Zwecke aufgeschlagcnen
Schuppen, nahe am Bärengarten, welcher sich in der Gegend
befand, wo jetzt der Wohnung deS Hofbäckers gegenüber, eine
Mauer sich bis an das Gebäude des Hauptstaatsarchivs hin-
zieht, nach welcher Seite zu ein schlechtgepflastcrter Communica-
tionsweg aus dem Innern des kleinen Schloßhofcs führt.

Alle Eingänge des Schlosses waren mit starken Abthcilun-
gen Arquebusterer besetzt, während die churfürstlichen Trabanten
im Innern des Schlosses und auf den zahlreichen Gängen des-
selben vertheilt waren. Auf dem Eckthürme rechts, welcher
noch jetzt mit einer Gallerte versehen ist, standen die Hoftrom-
peter und Pauker in rcichbetreßtcr Gallalivree, das Zeichen zum
Beginn des Kampfes zu geben, während auf der Gallerte des
linken Eckthurmes dessen Eingang jetzt zu den Bureaus des
kgl. Gesammlministeriums und zu dem des Ministeriums deS
Auswärtigen führt, der Churfürst Georg der Erste, umgeben
von den vornehmsten seiner fürstlichen Gäste, dem Schauspiele
beiwohnte. In der Gegend, wo sich der Schloßthurm erhebt,
war eine Gallerte für die vornehmsten Damen des Hofes an-
gebracht, und reich mit den köstlichsten Purpurdeckcn geschmückt.
Die übrigen Hofcavaliere und Damen befanden sich auf einer


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