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114

Zwei

Bild der kleinen Julietta, das über meinem Divan hing.
Wenn sie nur das Original nicht erwischt haben, ich fürchte
sehr, es ist den armen Geschöpfen für ihre Anhänglichkeit
an die österreichische Monarchie schlecht genug gegangen."

„Ich glaube nicht," warf der andere Offizier leicht hin,
„die Meisten sollen sich in den fürchterlichen fünf Tagen ge-
rettet haben; mir erzählte das ein Kamerad von den Jägern,
sie seien in einem langen Zuge ausgewandert: Wagen von allen
Kalibern, heulende Mädels und Koffer und Schachteln die Menge."

Hier wurde das Gespräch unterbrochen durch einen lauten
Anruf vom Fuß der Terrasse. Die Beiden sprangen von
ihren Stühlen auf und bemerkten einen jungen Offizier mit
niederem Hut und grünen Federn, der sich zu Pferd durch
die Soldatengruppcn langsam dem Hause näherte.

„Grüß' dich Gott, Generalstäbler!" rief der Husar, nach-
dem er den Anreitenden erkannt; „woher des Weges? Du
willst zum Haupt-Quartier? Na, komm' einen Augenblick
herauf und mach' hier eine Haltstation."

Ter Generalstabs-Osfizier schwang sich vom Pferde, gab
die Zügel einem Dragoner, der unten stand, und stieg die
Treppen hinauf.

„Wir haben uns lange nicht gesehen," rief er lustig,
„ich glaub' seit Verona nicht. Wie schaut's, was treibt Ihr?"

„Wir warten hier geduldig," entgegnete der Chevauxleger-
Offizier, „bis wir den verdammten Fluß passiren dürfen — hast
du vielleicht einen Befehl deßhalb mitgebracht, Generalstäbler?"

„Etwas der Art wohl," lachte dieser, „aber von Passiren
ist für heute keine Rede, Ihr werdet hier wahrscheinlich
ruhig liegen bleiben, eine herrliche Nacht wird's geben.
Euer Wein ist auch nicht schlecht, wie ich merke und so
könnt Jhr's schon aushalten."

„Verdammt!" murrte der Husar, „seit vier Tagen sind
wir beständig rückwärts und bekommen nicht einen feindlichen
Pferdeschweif zu sehen, vom Einhauen ist schon seit langer
Zeit keine Rede mehr."

„Die da vorn," sagte der vom Generalstab lachend,
„haben es auch nicht besser, Pferdeschweife sehen wir freilich,
auch Kanonenmündungen genug, aber Alles das in der aller-
weitesten Enffernung."

„Und bleiben wir wirklich heute hier?" fragte der Chevaux-
leger.

„Wahrscheinlich, doch erwarte ich noch einen Ordonnanz-
Offizier aus dem Haupt-Quartier. Kommt dort nicht etwas
über die Brücke?" Bei diesen Worten richtete der Offizier
vom Generalstab sein Fernrohr auf den Fluß und fuhr dann
fort: „Richtig, es ist ein Husaren-Offizier, der wird einen
Befehl bringen, und wenn mich nicht Alles täuscht, ist es
unser lieber Graf S. Seht, wie er seinen Gaul zurückhält,
um ordonnanzmäßig im Schritte über die Brücke zu kommen.
Ja, ja. er ist's! Jetzt hat er das Ufer erreicht, und läßt
den Hügel herauf das Pferd ausziehen."

Der also Angemeldete — es war wirklich Graf S. — flog
den Uferrand hinauf und jagte an das Haus hin. „T'schau!"
rief er freudig, als er die drei auf der Terrasse stehen sah,
„grüß' Euch Gott, freut mich sehr, Euch zu sehen. Wo find'

Nächte.

ich den Feldmarschall-Lieutenant? — Gleich hoff' ich zu Euch
zu kommen, hebt mir ein Glas Wein auf."

„Reite nur ein paar tausend Schritte rechts hinüber,"
antwortete der Husaren-Offizier, nachdem er die Grüße herz-
lich und freundlich erwidert, „da wirst du auf der Anhöhe
einen Bauernhof finden, dort ist er, wenn er nicht schon nach
San Basano hinein geritten ist. Seh' aber zu, daß du dich
nicht lange aufzuhalten brauchst; — müssen wir hier bleiben?"
rief er dem Davonreitenden zu, und dieser winkte ein Ja
und war bald zwischen dem hügeligen Terrain verschwunden.

Die drei setzten sich an den Tisch, ließen eine neue
Foglietta kommen und theilten sich ihre kleinen und großen
Ereignisse mit. Es dauerte nrcht eine Viertelstunde, da kam
Graf S. wieder daher gesprengt, hielt an dem Hause, sprang
behende vom Pferde und eilig die Treppe hinauf.

„Na, grüß' Euch Gott nochmals!" rief er lustig, seine
beiden Hände ausstreckend, die von den Andern herzlich er-
faßt und gedrückt wurden.

„Jetzt habe ich erst einen Augenblick Zeit, mich zu freuen,
daß ich Euch wiedersehe, nur kurze Zeit leider, denn ich
muß bald ins Hauptquartier zurück — wie ist's Euch er-
gangen? — Keine Verwundung? Heil und gesund?"

„Alles wieder in Ordnung!" lachte der andere Husaren-
Offizier, „ich habe bei Curtatone einen kleinen Streifschuß
erhalten, aber nichts von Bedeutung, war bald wieder zu-
sammengeflickt; — und du? — dich hat man ja eine Ewig-
keit nicht mehr gesehen. Weißt du noch, wo wir zuletzt
und recht vergnügt beisammen waren?"

„Ob ich's weiß?" entgegnete Graf S., „das war zu
Mailand bei dem Abschiedsdiner, das Ihr mir gegeben, als
ich nach Rom und Neapel ging. S'ist merkwürdig," setzte
er hinzu, „da sind wir jetzt wieder hier beisammen, beinahe
all' die nämlichen Leute und mitten im Kriege, den wir
damals so sehnlich gewünscht."

„Ja, wahrhaftig!" sagte der Chevauxleger und erhob sein
Glas, „es fehlen nur zwei, unser armer M. von Eurem Regi-
ment, der jetzt zu Mantua liegt und unser lustiger Dragoner."

„Letzterer," sagte der Generalstabs-Osfizier, „ist Galopin
bei d'Aspre. Aber wie geht's dem armen M. ? — Ist er
schwer verwundet?"

„Er hat einen Stich in die Seite," sagte der Husaren-Ritt-
meister, „aber sie hoffen ihn durchzubringen; trinken wir auf
sein Wohl." Alle erhoben die Gläser und tranken mit herzlichem
Wunsch auf die baldige Genesung des verwundeten Kameraden.

„Damals und jetzt!" sagte Graf S., indem er sich ein
anderes Glas eingoß, „seitdem sind nur vier Jahre verstrichen
und hat sich Manches geändert, Manches zugetragen. Damals
hatte ich eine schöne Zeit vor mir, eine herrliche, angenehme
Zeit. Obgleich Euer Wein hier nicht schlecht und die Salami
zu genießen ist, so wäre mir doch ein Diner wie damals lieber. !
Wir haben in den letzten Tagen sehr wenig gehabt. Und da-
mals meine bequeme Calesche vor der Thür, eine ruhige Nacht,
angenehm dahingestreckt zu durchfahren und heute der Sattel
meines müden Pferdes, und die Aussicht, während der Nacht
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