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zunehmen, um ihn zu versorgen, wogegen sich der Besitzer natür-
lich lebhaft sträubte, indem er gleichzeitig den lhut hinter einen
massiven Armleuchter legte. Man setzte sich, aß, trank und
unterhielt sich, wie cs eben bei solchen Gelegenheiten üblich ist,
nur daß der Legationsrat das Gespräch mit seiner reizenden
Tischgenossin etwas mehr „illustrierte". Alles ging entzückend,
bis zum Pückler-Eis. Da blickte der Lcgationsrat zufällig nach
dem Spiegeltisch, woselbst er seinen Alapphut deponiert hatte.
Das Blut in seinen Adern erstarrte zn Eis, als er gewahrte,
daß der entsetzliche Ejut sich von der ihm gewordenen Mißhandlung
erholt hatte und mit sichtbarem Erfolg bestrebt
mar, seine frühere Form zn gewinnen I I Die Unter-
haltung mit Baronesse Lilli geriet in's Stocken; er
sah nur das schnelle Wachsen des Zylinders; sie
aber deutete glücklicherweise die plötzliche Wort-
kargheit ihres Nachbars anders, und als im Übermaße seiner
Beklemmung sich ein Seufzer seiner Brust entrang, streifte ihr
Händchen leise seine ksand mit einem flüchtigen, aber nicht miß-
zuverstehcnden Drucke.
Endlich erhob inan sich, um draußen iin Garten beim voll-
mondschein zu pronienieren und dann eine Bowle zu trinken:
die warme Nacht legte dicseni Unternehmen nichts in den Weg.
Der Legationsrat, dein schrecklichen Anblick entrückt, gewann seine
Fassung wieder; er war wieder der Alte, plauderte, rauchte und
trank. Er hatte aber seinen Plan gefaßt. Als eine geraume
Zeit verstrichen war, gelang es ihm, sich wegzustehlen und er
schlich — wie ein Dieb —in den Speisesaal zurück. Die Diener-
schaft war vollauf im Garten beschäftigt, niemand beobachtete
ihn. 3»i 5peisesaal war es dunkel; man hatte die elektrische
Beleuchtung ausgeschaltet.
Der Baron wußte aber
wohin; er eilte zum
Spiegeltisch, ergriff den
jetzt wieder beinahe steifen
lhut, drückte ihn energisch
zusammen, trat mit beiden
Füßen darauf und schob
ihn dann so hinter die
auf dem Tisch stehende
Vase, daß nichts mehr
passieren konnte.
Unbemerkt gesellte er
sich dann wieder zuin
fröhlichen Zecherkreise und
genoß, was der Augenblick bot, bis das Zeichen zum Aufbruch
gegeben wurde. Der Präsident von Uneppich, ein alter jovialer
lherr, war es, der sich zuerst erhob; die andern karren folgten
seinem Beispiel; inan begab sich wieder in den Speisesaal,
der natürlich aufs neue in glänzendster Beleuchtung erstrahlte.
Baron Fluigenhorsts erster Blick suchte beit Tisch mit dem Corpus
delicti. Welch ein' Schrecken I Sein entsetzlicher lhut stand dort in
halber kjöhe, anzusehen wie eine halbgeöffnete Ziehharmonika!
ksatte er ihn nicht hinter eine Vase —??
Da überkam cs ihn wie eine Ohnmacht; er hatte in der
Dunkelheit die Tische verwechselt! Dort
am andern Tisch stand die Vase und
der Präsident war eben daran, seinen
lsut zu suchen! Lr teilte den dienst-
fertig sich um ihn drängenden verren mit,
daß er einen hohen, steifen lsut mitge-
bracht und hier abgelegt habe. Fluigen-
horst benützte den Moment allgemeiner
Verwirrung, uni seinen Unglückshut an
sich zu nehmen und ihn unter dem Arm
zu versorgen. Eben zog man den fjut
des Präsidenten hinter der Vase hervor
— aber wie sah der aus!! Allgemeines
Entsetzen bemächtigte sich der Versamm-
lung. Exzellenz überbot sich in Entschul-
digungen und schwor, daß er den Fall
strengstens untersuchen, daß er die ganze
Dienerschaft zum Teufel schicken werde.
In unsagbarer Beklemmung trennte
sich die Gesellschaft. Nachdem die Exzellenz dem Legationsrat zum
Abschied die chand geschüttelt, entfiel dem letzteren der krampf-
haft gehaltene laut. Ehe er es verhindern konnte, hatte ihn
ein Diener aufgehoben. Als er ihm den chut überreichte, rief
die Exzellenz entsetzt aus: „Himmel! Ihr Hut auch?" — „(D,
Exzellenz, bitte" — stammelte der Unglückliche — „das macht
nichts — im Gegenteil — empfehle mich ergebenst" — und weg
war er.
Am andern Tage legte er beim Präsidenten Generalbeichte
ab, der ihm lachend verzieh und alles wieder in die besten Wege
lenkte I L). Roilchenegger.
zunehmen, um ihn zu versorgen, wogegen sich der Besitzer natür-
lich lebhaft sträubte, indem er gleichzeitig den lhut hinter einen
massiven Armleuchter legte. Man setzte sich, aß, trank und
unterhielt sich, wie cs eben bei solchen Gelegenheiten üblich ist,
nur daß der Legationsrat das Gespräch mit seiner reizenden
Tischgenossin etwas mehr „illustrierte". Alles ging entzückend,
bis zum Pückler-Eis. Da blickte der Lcgationsrat zufällig nach
dem Spiegeltisch, woselbst er seinen Alapphut deponiert hatte.
Das Blut in seinen Adern erstarrte zn Eis, als er gewahrte,
daß der entsetzliche Ejut sich von der ihm gewordenen Mißhandlung
erholt hatte und mit sichtbarem Erfolg bestrebt
mar, seine frühere Form zn gewinnen I I Die Unter-
haltung mit Baronesse Lilli geriet in's Stocken; er
sah nur das schnelle Wachsen des Zylinders; sie
aber deutete glücklicherweise die plötzliche Wort-
kargheit ihres Nachbars anders, und als im Übermaße seiner
Beklemmung sich ein Seufzer seiner Brust entrang, streifte ihr
Händchen leise seine ksand mit einem flüchtigen, aber nicht miß-
zuverstehcnden Drucke.
Endlich erhob inan sich, um draußen iin Garten beim voll-
mondschein zu pronienieren und dann eine Bowle zu trinken:
die warme Nacht legte dicseni Unternehmen nichts in den Weg.
Der Legationsrat, dein schrecklichen Anblick entrückt, gewann seine
Fassung wieder; er war wieder der Alte, plauderte, rauchte und
trank. Er hatte aber seinen Plan gefaßt. Als eine geraume
Zeit verstrichen war, gelang es ihm, sich wegzustehlen und er
schlich — wie ein Dieb —in den Speisesaal zurück. Die Diener-
schaft war vollauf im Garten beschäftigt, niemand beobachtete
ihn. 3»i 5peisesaal war es dunkel; man hatte die elektrische
Beleuchtung ausgeschaltet.
Der Baron wußte aber
wohin; er eilte zum
Spiegeltisch, ergriff den
jetzt wieder beinahe steifen
lhut, drückte ihn energisch
zusammen, trat mit beiden
Füßen darauf und schob
ihn dann so hinter die
auf dem Tisch stehende
Vase, daß nichts mehr
passieren konnte.
Unbemerkt gesellte er
sich dann wieder zuin
fröhlichen Zecherkreise und
genoß, was der Augenblick bot, bis das Zeichen zum Aufbruch
gegeben wurde. Der Präsident von Uneppich, ein alter jovialer
lherr, war es, der sich zuerst erhob; die andern karren folgten
seinem Beispiel; inan begab sich wieder in den Speisesaal,
der natürlich aufs neue in glänzendster Beleuchtung erstrahlte.
Baron Fluigenhorsts erster Blick suchte beit Tisch mit dem Corpus
delicti. Welch ein' Schrecken I Sein entsetzlicher lhut stand dort in
halber kjöhe, anzusehen wie eine halbgeöffnete Ziehharmonika!
ksatte er ihn nicht hinter eine Vase —??
Da überkam cs ihn wie eine Ohnmacht; er hatte in der
Dunkelheit die Tische verwechselt! Dort
am andern Tisch stand die Vase und
der Präsident war eben daran, seinen
lsut zu suchen! Lr teilte den dienst-
fertig sich um ihn drängenden verren mit,
daß er einen hohen, steifen lsut mitge-
bracht und hier abgelegt habe. Fluigen-
horst benützte den Moment allgemeiner
Verwirrung, uni seinen Unglückshut an
sich zu nehmen und ihn unter dem Arm
zu versorgen. Eben zog man den fjut
des Präsidenten hinter der Vase hervor
— aber wie sah der aus!! Allgemeines
Entsetzen bemächtigte sich der Versamm-
lung. Exzellenz überbot sich in Entschul-
digungen und schwor, daß er den Fall
strengstens untersuchen, daß er die ganze
Dienerschaft zum Teufel schicken werde.
In unsagbarer Beklemmung trennte
sich die Gesellschaft. Nachdem die Exzellenz dem Legationsrat zum
Abschied die chand geschüttelt, entfiel dem letzteren der krampf-
haft gehaltene laut. Ehe er es verhindern konnte, hatte ihn
ein Diener aufgehoben. Als er ihm den chut überreichte, rief
die Exzellenz entsetzt aus: „Himmel! Ihr Hut auch?" — „(D,
Exzellenz, bitte" — stammelte der Unglückliche — „das macht
nichts — im Gegenteil — empfehle mich ergebenst" — und weg
war er.
Am andern Tage legte er beim Präsidenten Generalbeichte
ab, der ihm lachend verzieh und alles wieder in die besten Wege
lenkte I L). Roilchenegger.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Klapphut"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 123.1905, Nr. 3138, S. 130
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg