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„Elendige Zeiten kommen jetzt für »ns Hausherrn! Jeder bessere Mensch
zieht hentig'ntags '»ans ans der Stadt!" - „Die notigsten Lent' schon geh'»
über ’it Sommer aufs Land - - und alles wegen der dalketen Hygiene!" -
„I' Hab' g'hvrt, de Wissenschaft soll's beantragt hab'n, daß ma' de zukünftigen
Großstadt' überhaupt nur mehr ans 'in Land dranßtcn bauen soll!"
„ ■ . . Ein Rezept haben Sie nicht mitgebracht? . . . Ja was
sollen denn das für Pillen sein, die Ihre Frau haben will?" —
„Dees weiß i’ an' net. . . Sie könna mir ja verschied'ne zur
Auswahl mitgeb'n!"
Ein kluger Ausweg.
)^err Finderling will am morgigen Sonntag mit
seiner Braut und ihrem Bruder einen Gebirgs-
ausflug unternehmen, Fatal ist dabei nur, daß er
gerne lang schläft und der Zug schon früh halb
fünf Uhr abgeht. Mas tun, um nicht zu spät zu
kommen? In dem Geschäftshaus, wo er kürzlich
Wohnung genommen, logiert außer ihm nur der
alte Bausherr mit seiner Frau — sie beide kann er
nicht belästigen. Seinem Wecker traut er nicht;
hie und da ist so ein Ding ans Bosheit schon nicht
abgelaufen und, ivenn's wirklich abläuft, kann
inan's trotzdem überhören.
Da fällt ihm eine geniale Idee ein. Vis-a-vis
ist die „Goldene Sonne". Sie hat einen Bausknecht
und der muß täglich früh heraus. Ihm übergibt
Finderling den Torschlüssel mit dem Auftrag, am
nächsten Morgen früh halb vier Uhr damit aufzu-
sperren, die drei Treppen heraufzusteigen und so
lange an der Mohnungstüre zu läuten, bis Minder-
ung öffnet. Der Bausknecht verpflichtet sich hiezu
feierlich. Sein Auftraggeber aber freut sich der
genialen Idee und schläft seelenvergnügt ein. - Doch
die freudige Erwartung weckt ihn schon um drei
Uhr auf. Ein herrlicher Tag steigt empor. In
gehobener Stimmung kleidet er sich an, frühstückt
und harrt vergnügt auf den Triumph, wenn er
dem Bausknecht schon gestiefelt und gespornt cnt-
gegentreten kann. Aber es schlägt Halbvier, drei-
viertelvier, vier Uhr . . . der Erwartete kommt nicht.
Minderung stürmt zwanzig Mal an's Fenster . .
Biemand zu sehen; er ruft hinunter. . . Totenstille.
Er rennt in seiner Verzweiflung in den zweiten Stock
zu seinen Bausleuten. Aber sein stürmisches Klingeln
stört den Schlummer der schwerhörigen Alten nicht.
Er wütet gegen das Baustor. Doch die schweren
Eichenläden und das massive Schloß halten stand.
So muß er verzweifelnd, händeringend, außer sich
halb fünf Uhr schlagen und den wegfahrenden Zug
aus der Ferne pfeifen hören, zu dem er sich schon
vor anderthalb Stunden gerüstet hat! Wenn er
an den Groll seiner Braut und an den verlorenen
Ausflug denkt, möchte er an der Wand hinauflaufen
vor ohnmächtigem Grimm, und aus seinem sonst so
gutmütigen Berzen steigt eine schwarze Verwünschung
gegen den unseligen Bausknecht auf.
Und doch hatte dieser sein Versprechen nicht
vergessen, sondern war schon um .V/4 Uhr vor die
„Goldene Sonne" getreten und hatte zu den —- bereits
beleuchteten Fenstern Finderlings hinaufgesehen.
„Ah, da schau her!" schmunzelte er vergnügt. „Der
ist schon auf und braucht 's lvecken nicht mehr!
Da kann ich mich ja selber noch ein Stündl auf's
(Uhr legen am Sonntag pressiert's nicht sol"
Und schlief den Schlaf des Gerechten, wobei er
bloß die Kleinigkeit vergaß, daß er den lfaustor-
schlüssel des anderen in der lfosentasche trug.
So geht's oft mit den genialen Ideen!
G. A.
„Elendige Zeiten kommen jetzt für »ns Hausherrn! Jeder bessere Mensch
zieht hentig'ntags '»ans ans der Stadt!" - „Die notigsten Lent' schon geh'»
über ’it Sommer aufs Land - - und alles wegen der dalketen Hygiene!" -
„I' Hab' g'hvrt, de Wissenschaft soll's beantragt hab'n, daß ma' de zukünftigen
Großstadt' überhaupt nur mehr ans 'in Land dranßtcn bauen soll!"
„ ■ . . Ein Rezept haben Sie nicht mitgebracht? . . . Ja was
sollen denn das für Pillen sein, die Ihre Frau haben will?" —
„Dees weiß i’ an' net. . . Sie könna mir ja verschied'ne zur
Auswahl mitgeb'n!"
Ein kluger Ausweg.
)^err Finderling will am morgigen Sonntag mit
seiner Braut und ihrem Bruder einen Gebirgs-
ausflug unternehmen, Fatal ist dabei nur, daß er
gerne lang schläft und der Zug schon früh halb
fünf Uhr abgeht. Mas tun, um nicht zu spät zu
kommen? In dem Geschäftshaus, wo er kürzlich
Wohnung genommen, logiert außer ihm nur der
alte Bausherr mit seiner Frau — sie beide kann er
nicht belästigen. Seinem Wecker traut er nicht;
hie und da ist so ein Ding ans Bosheit schon nicht
abgelaufen und, ivenn's wirklich abläuft, kann
inan's trotzdem überhören.
Da fällt ihm eine geniale Idee ein. Vis-a-vis
ist die „Goldene Sonne". Sie hat einen Bausknecht
und der muß täglich früh heraus. Ihm übergibt
Finderling den Torschlüssel mit dem Auftrag, am
nächsten Morgen früh halb vier Uhr damit aufzu-
sperren, die drei Treppen heraufzusteigen und so
lange an der Mohnungstüre zu läuten, bis Minder-
ung öffnet. Der Bausknecht verpflichtet sich hiezu
feierlich. Sein Auftraggeber aber freut sich der
genialen Idee und schläft seelenvergnügt ein. - Doch
die freudige Erwartung weckt ihn schon um drei
Uhr auf. Ein herrlicher Tag steigt empor. In
gehobener Stimmung kleidet er sich an, frühstückt
und harrt vergnügt auf den Triumph, wenn er
dem Bausknecht schon gestiefelt und gespornt cnt-
gegentreten kann. Aber es schlägt Halbvier, drei-
viertelvier, vier Uhr . . . der Erwartete kommt nicht.
Minderung stürmt zwanzig Mal an's Fenster . .
Biemand zu sehen; er ruft hinunter. . . Totenstille.
Er rennt in seiner Verzweiflung in den zweiten Stock
zu seinen Bausleuten. Aber sein stürmisches Klingeln
stört den Schlummer der schwerhörigen Alten nicht.
Er wütet gegen das Baustor. Doch die schweren
Eichenläden und das massive Schloß halten stand.
So muß er verzweifelnd, händeringend, außer sich
halb fünf Uhr schlagen und den wegfahrenden Zug
aus der Ferne pfeifen hören, zu dem er sich schon
vor anderthalb Stunden gerüstet hat! Wenn er
an den Groll seiner Braut und an den verlorenen
Ausflug denkt, möchte er an der Wand hinauflaufen
vor ohnmächtigem Grimm, und aus seinem sonst so
gutmütigen Berzen steigt eine schwarze Verwünschung
gegen den unseligen Bausknecht auf.
Und doch hatte dieser sein Versprechen nicht
vergessen, sondern war schon um .V/4 Uhr vor die
„Goldene Sonne" getreten und hatte zu den —- bereits
beleuchteten Fenstern Finderlings hinaufgesehen.
„Ah, da schau her!" schmunzelte er vergnügt. „Der
ist schon auf und braucht 's lvecken nicht mehr!
Da kann ich mich ja selber noch ein Stündl auf's
(Uhr legen am Sonntag pressiert's nicht sol"
Und schlief den Schlaf des Gerechten, wobei er
bloß die Kleinigkeit vergaß, daß er den lfaustor-
schlüssel des anderen in der lfosentasche trug.
So geht's oft mit den genialen Ideen!
G. A.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Gehupft wie gesprungen" "Gefährliche Probe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1906 - 1906
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 124.1906, Nr. 3169, S. 188
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg