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Prinz Kaktus.
Golde, und an den einfachsten Wochentagen stand auf ihrem Tische
siebenerlei Eingemachtes.
Auch unser Prinz war geladen, und wohl oder übel mußte er
Folge leisten; denn die Königin war eine gefährliche Hexe, mit
der man's nicht völlig verderben durfte; aber cut§ Ärger und um
die sieben Töchter des Hauses von vornherein abzuschrecken, kam
er unrasiert wie ein Igel.
Er wurde mit Auszeichnung empfangen, mit den rarsten Lecker-
bissen gefüttert und mit den edelsten Weinen in sanftes Feuer
versetzt, dabei auch allmählich mit den leiblichen und geistigen
Reizen der Töchter bekannt gemacht.
Aber es war alles umsonst, und die alte Königin fand keine
Verwendung für den mütterlichen Segen, den sie in einem goldenen
Kübel schon bereitgestellt hatte.
Da ergrimmte sie und verwandelte den borstigen Gesellen in
einen Kaktus. „So!" zischte sie — „und jetzt in den Kehricht mit
dir!" —
Als er nun kläglich im Hofwinkel lag, erbarmte sich seiner
das älteste Töchterchen. Sei es aus einem allgemeinen Bedürf-
nisse nach Zärtlichkeit, das seit dreißig Jahren ihr Herz immer
heißer bedrückte, sei es (da auch sie am Kinne mit einigen Borsten
geziert war) ans einem dunklen Gefühle der Wahlverwandtschaft,
sei es aus berechtigter Verehrung des Ewig-Männlichen, das sie
auch im stacheligsten Gewächse noch zu schätzen wußte: sie ließ ihn
heimlich vom Hausknechte ans der Asche angeln, eintopfen und in
ihrem Kämmerlein ans Fenster stellen.
Dort mußte das Stubenmädchen ihn recht in die Sonne
rücken, ihn pflegen und brav begießen.
Sie aber machte sich täglich in seiner Nähe zu schaffen, drehte
sich vor ihm und lächelte ihn an. Manchmal auch in der Dämme-
rung setzte sie sich zu ihm hin, sang zur Laute und seufzte.
Und ivirklich .... eines Morgens trug er eine flammende
Blüte, und ihr Herz sprang hochauf, und sie beugte sich nieder,
ihn mit ihren jungfräulichen Lippen zu berühren.
Aber sie war noch nicht völlig dazu gekommen, als es einen
mächtigen Krach gab, daß sie mit bangem Aufschrei zurückfuhr.
Der Zauber tvar gelöst und der Königssohn wieder ein
Menschenkind.
Er stieg aus den Topfscherben, machte ihr einen Bückling,
küßte ihr die Hand, und dann, dann heiratete er.das
Stubenmüdel.
Jokel aber knallte mit der Peitsche und lachte.
Reinhard Volker.
—...$==§. Im Vorstadttheater.
Ausseher: „Das Mitsingen ist verboten, meine Herren!" —
'was ander's!"
Studiosus: „O bitte, wir singen ja ganz
Prinz Kaktus.
Golde, und an den einfachsten Wochentagen stand auf ihrem Tische
siebenerlei Eingemachtes.
Auch unser Prinz war geladen, und wohl oder übel mußte er
Folge leisten; denn die Königin war eine gefährliche Hexe, mit
der man's nicht völlig verderben durfte; aber cut§ Ärger und um
die sieben Töchter des Hauses von vornherein abzuschrecken, kam
er unrasiert wie ein Igel.
Er wurde mit Auszeichnung empfangen, mit den rarsten Lecker-
bissen gefüttert und mit den edelsten Weinen in sanftes Feuer
versetzt, dabei auch allmählich mit den leiblichen und geistigen
Reizen der Töchter bekannt gemacht.
Aber es war alles umsonst, und die alte Königin fand keine
Verwendung für den mütterlichen Segen, den sie in einem goldenen
Kübel schon bereitgestellt hatte.
Da ergrimmte sie und verwandelte den borstigen Gesellen in
einen Kaktus. „So!" zischte sie — „und jetzt in den Kehricht mit
dir!" —
Als er nun kläglich im Hofwinkel lag, erbarmte sich seiner
das älteste Töchterchen. Sei es aus einem allgemeinen Bedürf-
nisse nach Zärtlichkeit, das seit dreißig Jahren ihr Herz immer
heißer bedrückte, sei es (da auch sie am Kinne mit einigen Borsten
geziert war) ans einem dunklen Gefühle der Wahlverwandtschaft,
sei es aus berechtigter Verehrung des Ewig-Männlichen, das sie
auch im stacheligsten Gewächse noch zu schätzen wußte: sie ließ ihn
heimlich vom Hausknechte ans der Asche angeln, eintopfen und in
ihrem Kämmerlein ans Fenster stellen.
Dort mußte das Stubenmädchen ihn recht in die Sonne
rücken, ihn pflegen und brav begießen.
Sie aber machte sich täglich in seiner Nähe zu schaffen, drehte
sich vor ihm und lächelte ihn an. Manchmal auch in der Dämme-
rung setzte sie sich zu ihm hin, sang zur Laute und seufzte.
Und ivirklich .... eines Morgens trug er eine flammende
Blüte, und ihr Herz sprang hochauf, und sie beugte sich nieder,
ihn mit ihren jungfräulichen Lippen zu berühren.
Aber sie war noch nicht völlig dazu gekommen, als es einen
mächtigen Krach gab, daß sie mit bangem Aufschrei zurückfuhr.
Der Zauber tvar gelöst und der Königssohn wieder ein
Menschenkind.
Er stieg aus den Topfscherben, machte ihr einen Bückling,
küßte ihr die Hand, und dann, dann heiratete er.das
Stubenmüdel.
Jokel aber knallte mit der Peitsche und lachte.
Reinhard Volker.
—...$==§. Im Vorstadttheater.
Ausseher: „Das Mitsingen ist verboten, meine Herren!" —
'was ander's!"
Studiosus: „O bitte, wir singen ja ganz
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Im Vorstadttheater"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1907
Entstehungsdatum (normiert)
1902 - 1912
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)