Fliegende Blätter (127.1907 (Nr. 3232-3257))

40

| —ig D er Gelehrte.

wallender Bart mir Ehrfurcht einflößt, warum eigentlich knackst
Du so viele Nüsse?"

„Weil es das heilige Werk meines Lebens ist!" erwiderte
feierlich jener mit nach innen gekehrten Augen.

„Warum aber, Verehrungswürdigster, dessen Scheitel mit
dem Schnee der Weisheit geschmückt ist, warum verzehrst Du
nicht die Kerne, sondern wirfst sic achtlos beiseite?"

„Die Kerne?" antwortete ganz erstaunt der Gelehrte.
„Kann man die denn essen?" Reinhard voU-cr.

mnter einem alten, uralten Baume, von den dicht herab-
hängenden Zweigen umschattet und wie mit grünen
Schleiern von der Welt abgeschlossen, saß Sakja-Muni. Sieben
Monde schon saß er dort, schweigend, und knackte Nüsse.

Saß und knackte, daß ihn Zähne und Finger schmerzten,
und knackte doch immer weiter, obwohl schon ganze Haufen sich
um ihn getürmt hatten.

Ein Knäblcin, das just vorüberlief, sah ihm voll Ver-
wunderung zu, neigte sich schließlich artig und fragte bescheiden:
„O Perle der Gelehrsamkeit, dessen bis zum Gürtel hernieder-