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Fliegende Blätter — 130.1909 (Nr. 3310-3335)

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https://doi.org/10.11588/diglit.6267#0054
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48

Der Brunnen der Schönheit.

Wonnegefühl heimlich genosse-
ner Frucht erhob er sich drauf
und schritt unter den Palmen
umher mit dem Antlitz, mit dem
Siegerblick dessen, der die ewige
Schönheit sein Eigen nennt.

Der Sultan hatte seinen ersten wahnwitzigen
Zorn beherrscht. Leise zog er die Türe zu und sann.

wie? Dschaffar, dieses Scheusal, hatte aus
dem Brunnen getrunken und blieb das Scheusal
Dschaffar? Er hatte aus dem Brunnen getrunken
mit der Ruhe eines Menschen, der sich um diese
Stunde sicher wußte — der täglich um diese Stunde
aus dem Brunnen trank — ja, ja, gewiß war
es so l Und Dschaffar war trotzdem Dschaffar ge-
blieben? Er war trotzdem häßlich wie die Nacht,
wenn er es in seiner Dummheit auch nicht zu sehen
schien?

Eine brennende Neugierde erfaßte den Sultan.

Er räusperte sich, sperrte das Schloß lärmend
auf und trat in den Ljof. Der Sklave warf sich
auf den Boden und berührte mit seiner Stirne den
Marmor.

„Gehl" sagte sein Gebieter. „Ich will allein
sein!"

Schleppenden Schrittes schlich er davon zu Suleima, die im
schattigen Gemach süßer Ruhe pflegte.

„Aomm' mit mir!" sagte er heiser zu ihr. Und als sie an
das Licht traten, streifte sein Blick mißtrauisch ihr Gesicht und
ihre Gestalt. Schien es ihm nicht heute zum erstenmal, als hätte
sie Arähenfüßchen unter den Augen, als seien ihre Lippen welker,
ihre Gestalt voller geworden?

Der Schlauen war sein Argwohn nicht entgangen. Sie lauschte
und lauerte seinen Gedanken nach.

„Gib mir zu trinken!" sagte er lechzend, als sie an den
Brunnen traten. „Gib Du mir zu trinken! Mich dürstet!"

haglichem Schmatzen das köstliche heilige
Naß in sich. Dann beugte er sich breit
und lüstern über das kristallene Becken,
aus dessen sanft gewellter Flut ihm sein
schwarzes Gesicht lachend entgegen-
grinste. Stolz und glücklich im

Dschaffar ging. Aber noch an der Türe sah er sich grinsend
um — er, der Mitbesitzer der ewigen Schönheit.

Zagenden Fußes, in der Sonnenglut von geheimem Schauer
durchfröstelt, trat der Sultan auf das Becken zu, an dem er
schon so oft selige Augenblicke genossen. Mit zitternder bsand
ergriff er den goldenen Becher, füllte ihn und schlürfte das
klare erfrischende Naß, zum erstenmal nicht mit dem vollen Be-
hagen, das es sonst stets dem nach Labe und Schönheit Dür-
stenden bereitet. Dann beugte er sich langsam über das Wasser
und schaute.

Er hatte das noch nie getan.

Sein kjals wurde lang, seine Finger krallten sich in das
Becken, wer war dieser alte runzlige Mann mit den buschigen
Brauen über den stechenden Augen, mit der krummen Nase,
den harten Backenknochen und dem weißbärtigen Kinn? Das
war er, er, der Sultan, er, der Besitzer des Brunnens ewiger
Schönheit?!

Sie reichte ihm den Becher, den er gierig leer sog. Dann
füllte er ihr das goldene Gefäß.

„Nun sieh!" murmelte er, als sie beide getrunken hatten.

Sie beugten sich über das Becken.

„Ach I" schrie sie laut auf.

„was hast Du?" frug er mißtrauisch. „Ist es nicht der
Unterschied zwischen Dir und mir, der Dich so rufen läßt? Ist
es nicht meine Häßlichkeit?"

„<D Herr I“ lächelte sie und schüttelte das Haupt. „Ich habe
mich nicht gesehen. Ich habe nur Dein holdes Bild in der
kristallklaren Flut erblickt, und das Entzücken über Deine männliche
Schönheit, das freudige Staunen und die Bewunderung des Zauber-
brunnens haben mir die Lippen geöffnet! CD, Gebieter, wie edel
wie erhaben, wie schön bist Du."

Sie sank vor ihm auf das Anie und reichte ihm den Becher
zum zweitenmal.

Einen Augenblick sah er wirr um sich. Darauf blickte er sie
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Brunnen der Schönheit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Vogel, Hermann
Entstehungsdatum (normiert)
1908 - 1908
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 130.1909, Nr. 3313, S. 48
 
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