25
Das Aorp
oben am Absturz genau durch, ob es ihm nicht gelingen könnte,
ein Aorpusdelikti zu stnden.
Plötzlich stieß er einen halb unterdrückten Iuhschrei aus und
bückte sich in das dürre Gras.
„Bürscherl!" murmelte er. „Iatzt hab'n wir dich! Iatzt
g'hörst d' scho' mein aa'l"
Dabei hob er die Lnzianstasche, die vor ihm lag, sorgfältig
wie einen gefundenen Schatz auf und wog sie in der Hand. „Fast
noch voll!" sagte er und strich sich unwillkürlich mit der Rechten
den Schnurrbart vom Mund. Ls war ja bekannt, daß kein
Mensch in der ganzen Gegend einen so guten Schluck führte wie
der Arawutzen-Toni. „Muß doch amal seh'n," brummte der Hias
und näherte die Flasche seinen allezeit durstigen Lippen, „ob's
wirklich von ihm is 1"
Unb er tat einen langen, langen Zug. „Sarendi," sagte er
neidig und bewundernd zugleich, als er wieder auf die Erdenwelt
zurückkehrte, „faxend!, is dös a' Tröxferl!"
Dann erschrak er plötzlich. Die Flasche war ganz leicht
geworden. Mit zwei Schritten stand er an dem nahen (Duell und
füllte ein bißl nach. „So," brummte er dann vergnügt, „iatzt
g'schwind hinunter zum Herrn Förster — der wird schaug'nl"
Und der Förster machte in der Tat große Augen, als ihm
der Hias die Lnzianstasche und damit die Überführung Toni's in
die Hand lieferte. Denn keinem anderen so wie ihm war sie die
unzertrennliche Begleiterin, und zudem hatte der Forstgehilfe mit
Augenzwinkern versichert, da müßt' schon ein Tropfen d'rin sein,
wie es einen solchen sonst nimmer geben tat . . .
Unterwegs zum Gendarmen, konnte der Förster der Versuchung
nicht widerstehen, durch eine persönliche Probe festzustellen, ob der
verdacht wirklich begründet wäre. Lr nahm einen gehörigen
Schluck, brummte etwas vor sich hin und hielt die Flasche einen
Augenblick unter den Brunnen, an dem er vorüberkam.
Der Wachtmeister machte sich freudestrahlend mit dem Aorxus-
delikti auf den Weg zum Gericht und barg es sorgfältig unter
dem Mantel, nachdem auch er den Inhalt sachverständig geprüft
und das Manko wieder etwas gedeckt hatte. Ganz heimlich sollte
die Sache gemacht werden. Gar nichts sollte der Arawutzen-Toni
vorher wissen. Ahnungslos sollte er zum Gericht kommen und
dort sollte ihm der Herr Landrichter plötzlich mit donnernder
Stimme das Aorpusdelikti Vorhalten — dann würde auch er, so
ein großer Planer er war, nicht mehr leugnen können. Schon
sah der Wachtmeister die Verdienstmedaille auf seine würdige Brust
herabschweben.
Auch auf dem Landgericht war eitel Freude und Triumph.
Denn jeder gönnte es dem Arawutzen-Toni, der schon alle Behörden
genarrt hatte. Natürlich ging die Flasche von Hand zu Band
und mancher betrachtete sie auch noch allein genauer. —
Am nächsten Morgen war es. Ls klopfte bescheiden an der
^l-üre und der Toni trat ein. Der Herr Landrichter, der Herr
Assessor, der Herr Aktuar, der fjerr Förster, der Herr Forstgehilf'
und der Herr Wachtmeister waren zugegen.
„Hm," sagte der Herr Landrichter, „erzähl' doch einmal, Toni,
wer den Sechserbock g'schossen hat an der Bärenwand droben!"
Der Toni lachte. „Glei' nachal" dachte er sich. Laut aber
meinte er: „Dös woaß i' net, Gnaden Herr Landrichter! I' war
fcho' drei Jahr' nimmer droben!"
„So —und die Flasch' da?" donnerte der Herr Landrichter
und hielt ihm das Aorpusdelikti, das er hinter dem Rücken ver-
borgen gehalten, jählings dicht vor die Augen. „Das is Dei'
u s d e l i k t i.
Flasch'nl" — „G'fehlt is’sl" dachte der Toni; „jatzt kriagst d'
lang koan' Schluck mer davon, Bua — schaug wenigstens, daß d'
no' oan' derwischstl"
Mit einem raschen Griff nahm er die Flasche und setzte sie
an den Mund.
„Pfui Teifil" rief er im nächsten Augenblick und spuckte
mächtig aus. „Gnaden Herr Landrichter, dös is mei' Flasch'n
net — i’ trink' koa' Wasser I Sollen die Herren selber sagen, ob
mi' scho' oaner hat a' Wasser trinken seh'nl"
„Na," murmelten sie alle, „Wasser trinkt er koansl"
Verblüfft starrten die Herren einander an. Dann wurde der
Inhalt in ein Glas geleert und sachverständig untersucht. Wahr-
haftig, es war reines, pures Wasser, kaum noch mit einem leichten
Lnzianbeigeschmack. Liner schaute den anderen an. Schließlich
schüttelte jeder den Aoxf — und der Toni wurde entlassen. „Lin
nettes Aorpusdelikti!" sagte der Herr Landrichter hierauf würdevoll
mit einem vernichtenden Blick zu den versammelten, die mit
gesenktem Aopf auseinanderschlichen. „Merkwürdig I" dachte jeder
von ihnen. „Und ich Hab' doch bloß so a' Schlückerl davon
verkost't!"
„Sarendi I" murmelte der Toni auf dem Heimweg. ,,A' teurer
Schuß dösmall 's Flaschl hin, und den ganzen famosen Enzian
hab'n s' mir aa' no' ausg'soffen l" w. y.
„Armer Wurm, da d'rin jewiß
Sind dir Lust und Freud' zer-
ronnen ;
Kann mir's denken, wie's dir
is —
Ick war ooch schon injesponnen!"
Das Aorp
oben am Absturz genau durch, ob es ihm nicht gelingen könnte,
ein Aorpusdelikti zu stnden.
Plötzlich stieß er einen halb unterdrückten Iuhschrei aus und
bückte sich in das dürre Gras.
„Bürscherl!" murmelte er. „Iatzt hab'n wir dich! Iatzt
g'hörst d' scho' mein aa'l"
Dabei hob er die Lnzianstasche, die vor ihm lag, sorgfältig
wie einen gefundenen Schatz auf und wog sie in der Hand. „Fast
noch voll!" sagte er und strich sich unwillkürlich mit der Rechten
den Schnurrbart vom Mund. Ls war ja bekannt, daß kein
Mensch in der ganzen Gegend einen so guten Schluck führte wie
der Arawutzen-Toni. „Muß doch amal seh'n," brummte der Hias
und näherte die Flasche seinen allezeit durstigen Lippen, „ob's
wirklich von ihm is 1"
Unb er tat einen langen, langen Zug. „Sarendi," sagte er
neidig und bewundernd zugleich, als er wieder auf die Erdenwelt
zurückkehrte, „faxend!, is dös a' Tröxferl!"
Dann erschrak er plötzlich. Die Flasche war ganz leicht
geworden. Mit zwei Schritten stand er an dem nahen (Duell und
füllte ein bißl nach. „So," brummte er dann vergnügt, „iatzt
g'schwind hinunter zum Herrn Förster — der wird schaug'nl"
Und der Förster machte in der Tat große Augen, als ihm
der Hias die Lnzianstasche und damit die Überführung Toni's in
die Hand lieferte. Denn keinem anderen so wie ihm war sie die
unzertrennliche Begleiterin, und zudem hatte der Forstgehilfe mit
Augenzwinkern versichert, da müßt' schon ein Tropfen d'rin sein,
wie es einen solchen sonst nimmer geben tat . . .
Unterwegs zum Gendarmen, konnte der Förster der Versuchung
nicht widerstehen, durch eine persönliche Probe festzustellen, ob der
verdacht wirklich begründet wäre. Lr nahm einen gehörigen
Schluck, brummte etwas vor sich hin und hielt die Flasche einen
Augenblick unter den Brunnen, an dem er vorüberkam.
Der Wachtmeister machte sich freudestrahlend mit dem Aorxus-
delikti auf den Weg zum Gericht und barg es sorgfältig unter
dem Mantel, nachdem auch er den Inhalt sachverständig geprüft
und das Manko wieder etwas gedeckt hatte. Ganz heimlich sollte
die Sache gemacht werden. Gar nichts sollte der Arawutzen-Toni
vorher wissen. Ahnungslos sollte er zum Gericht kommen und
dort sollte ihm der Herr Landrichter plötzlich mit donnernder
Stimme das Aorpusdelikti Vorhalten — dann würde auch er, so
ein großer Planer er war, nicht mehr leugnen können. Schon
sah der Wachtmeister die Verdienstmedaille auf seine würdige Brust
herabschweben.
Auch auf dem Landgericht war eitel Freude und Triumph.
Denn jeder gönnte es dem Arawutzen-Toni, der schon alle Behörden
genarrt hatte. Natürlich ging die Flasche von Hand zu Band
und mancher betrachtete sie auch noch allein genauer. —
Am nächsten Morgen war es. Ls klopfte bescheiden an der
^l-üre und der Toni trat ein. Der Herr Landrichter, der Herr
Assessor, der Herr Aktuar, der fjerr Förster, der Herr Forstgehilf'
und der Herr Wachtmeister waren zugegen.
„Hm," sagte der Herr Landrichter, „erzähl' doch einmal, Toni,
wer den Sechserbock g'schossen hat an der Bärenwand droben!"
Der Toni lachte. „Glei' nachal" dachte er sich. Laut aber
meinte er: „Dös woaß i' net, Gnaden Herr Landrichter! I' war
fcho' drei Jahr' nimmer droben!"
„So —und die Flasch' da?" donnerte der Herr Landrichter
und hielt ihm das Aorpusdelikti, das er hinter dem Rücken ver-
borgen gehalten, jählings dicht vor die Augen. „Das is Dei'
u s d e l i k t i.
Flasch'nl" — „G'fehlt is’sl" dachte der Toni; „jatzt kriagst d'
lang koan' Schluck mer davon, Bua — schaug wenigstens, daß d'
no' oan' derwischstl"
Mit einem raschen Griff nahm er die Flasche und setzte sie
an den Mund.
„Pfui Teifil" rief er im nächsten Augenblick und spuckte
mächtig aus. „Gnaden Herr Landrichter, dös is mei' Flasch'n
net — i’ trink' koa' Wasser I Sollen die Herren selber sagen, ob
mi' scho' oaner hat a' Wasser trinken seh'nl"
„Na," murmelten sie alle, „Wasser trinkt er koansl"
Verblüfft starrten die Herren einander an. Dann wurde der
Inhalt in ein Glas geleert und sachverständig untersucht. Wahr-
haftig, es war reines, pures Wasser, kaum noch mit einem leichten
Lnzianbeigeschmack. Liner schaute den anderen an. Schließlich
schüttelte jeder den Aoxf — und der Toni wurde entlassen. „Lin
nettes Aorpusdelikti!" sagte der Herr Landrichter hierauf würdevoll
mit einem vernichtenden Blick zu den versammelten, die mit
gesenktem Aopf auseinanderschlichen. „Merkwürdig I" dachte jeder
von ihnen. „Und ich Hab' doch bloß so a' Schlückerl davon
verkost't!"
„Sarendi I" murmelte der Toni auf dem Heimweg. ,,A' teurer
Schuß dösmall 's Flaschl hin, und den ganzen famosen Enzian
hab'n s' mir aa' no' ausg'soffen l" w. y.
„Armer Wurm, da d'rin jewiß
Sind dir Lust und Freud' zer-
ronnen ;
Kann mir's denken, wie's dir
is —
Ick war ooch schon injesponnen!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schicksalsgenossen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1912
Entstehungsdatum (normiert)
1907 - 1917
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 136.1912, Nr. 3468, S. 25
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg