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soeben vermählt."
Chef:
„Sie müssen doch
überall dabei sein!"
Die Seherin,
' ibylle, die berühmte Wahrsagerin, lehnte sich erschöpft in
die schwellenden Kissen zurück. — Das war heute ein
heißer Tag! — Könige und Bettler. Dichter und reiche
Kauflcute, Mann und Weib, alle waren zu ihr gewallt, einen
l^llck in die Zukunft zu tun. Und fcdem hatte sie das Seine
Zugeteilt: Dem König ruhmreiche Taten und weise Ratgeber,
dem Bettler offene Lsände und das große Los, dem Dichter einen
Derleger und dein Kaufmann reiche Kunden, Mann und Weib
aber ohne Unterschied des Ranges Glück in der Liebe. So hatte
Sibylle die Zukunft für heute vergeben. Sic sah in die fernsten
fernen. Ihr Ruhm erfüllte Orient und Okzident.
Reiche Geschenke hatten ihre Besucher zurückgelassen: Der
König goldenes Geschmeide, der Bettler tausend Segenswünsche,
der Dichter einen Band hausgemachter Lyrik (das Köstlichste, sagte
er) und der Kaufherr zwanzig Ellen kostbaren blauseidenen Luches.
Träumerisch ließ Sibylle den Stoff durch die Finger gleiten,
strich zärtlich darüber hin, und dann sagte die berühmte Seherin,
deren Ruhm Grient und Okzident erfüllte —, leise zu sich selbst:
„Wenn ich nur wüßte, ob blau im nächsten Frühjahr die Mode-
farbe wird!" — ü Kreis.
ÖXinÜEtmnf.
_ca•, ^Lnübenwilldkan. «v»—
'S/ l'ird irgend jemand üb erfahren,
ganz lieber großen Schmerz er spürt,
(Jedoch oft großem Schmerz verursacht
6s dem, der — übergangen wird. o. joicpb
ML
Dörfer ducken sich arm und bleich
ln der leider flimmerndes Jlockenreicb.
Die Kälte kriecht an die Kalen heran.
Rührt grinsend Core und Ciiren an.
Kein Kinderlied lacht, keine Blocke klingt,
Dur der Sturm in den Rauchfängen surrt und singt.
klm Jeldrain flattert ein graues Kleid-
Iran Herzeleid. B. uirid>.
Der kleine Kontrolleur.
Frau Schmidt weiß, daß ihr Ehegatte gern eins über den
Durst trinkt — besonders ivenn sie als schützende Begleiterin nicht
dabei ist. Darum gibt sie ihm an einem heißen Sommertag den
kleinen Max mit ans den Bierkeller. Sic hat ihir genau instruiert,
wie er sich's merken kann, wieviel Bier der Papa vertilgen wird.
Der Trinkfeste trifft seine Freunde, und im Eifer des Gespräches
rutscht ein Glas nach dem andern hinunter. „Aber Donnerwetter,
jetzt ist es Zeit zum Heimgehen! Wo ist denn der Maxl?" — Der
sitzt ganz still unter dem Tisch und zieht gerade einen Stiefel ans.
— „Ja, ivas soll denn das heißen?" — Unter dem Gelächter der
Freunde erklärt der Kleine seine Mission: ,,D' Mutter hat mir an
Farbstift mit'geb'n und hat g'sagt, i' soll mir auf jed'n Finger
einen Tupfer mach'n, wenn Du Dir frisch einschenken laßt — und
da hätt' i' jetzt g'rad' bei die Zeh'n ang'fangen."
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soeben vermählt."
Chef:
„Sie müssen doch
überall dabei sein!"
Die Seherin,
' ibylle, die berühmte Wahrsagerin, lehnte sich erschöpft in
die schwellenden Kissen zurück. — Das war heute ein
heißer Tag! — Könige und Bettler. Dichter und reiche
Kauflcute, Mann und Weib, alle waren zu ihr gewallt, einen
l^llck in die Zukunft zu tun. Und fcdem hatte sie das Seine
Zugeteilt: Dem König ruhmreiche Taten und weise Ratgeber,
dem Bettler offene Lsände und das große Los, dem Dichter einen
Derleger und dein Kaufmann reiche Kunden, Mann und Weib
aber ohne Unterschied des Ranges Glück in der Liebe. So hatte
Sibylle die Zukunft für heute vergeben. Sic sah in die fernsten
fernen. Ihr Ruhm erfüllte Orient und Okzident.
Reiche Geschenke hatten ihre Besucher zurückgelassen: Der
König goldenes Geschmeide, der Bettler tausend Segenswünsche,
der Dichter einen Band hausgemachter Lyrik (das Köstlichste, sagte
er) und der Kaufherr zwanzig Ellen kostbaren blauseidenen Luches.
Träumerisch ließ Sibylle den Stoff durch die Finger gleiten,
strich zärtlich darüber hin, und dann sagte die berühmte Seherin,
deren Ruhm Grient und Okzident erfüllte —, leise zu sich selbst:
„Wenn ich nur wüßte, ob blau im nächsten Frühjahr die Mode-
farbe wird!" — ü Kreis.
ÖXinÜEtmnf.
_ca•, ^Lnübenwilldkan. «v»—
'S/ l'ird irgend jemand üb erfahren,
ganz lieber großen Schmerz er spürt,
(Jedoch oft großem Schmerz verursacht
6s dem, der — übergangen wird. o. joicpb
ML
Dörfer ducken sich arm und bleich
ln der leider flimmerndes Jlockenreicb.
Die Kälte kriecht an die Kalen heran.
Rührt grinsend Core und Ciiren an.
Kein Kinderlied lacht, keine Blocke klingt,
Dur der Sturm in den Rauchfängen surrt und singt.
klm Jeldrain flattert ein graues Kleid-
Iran Herzeleid. B. uirid>.
Der kleine Kontrolleur.
Frau Schmidt weiß, daß ihr Ehegatte gern eins über den
Durst trinkt — besonders ivenn sie als schützende Begleiterin nicht
dabei ist. Darum gibt sie ihm an einem heißen Sommertag den
kleinen Max mit ans den Bierkeller. Sic hat ihir genau instruiert,
wie er sich's merken kann, wieviel Bier der Papa vertilgen wird.
Der Trinkfeste trifft seine Freunde, und im Eifer des Gespräches
rutscht ein Glas nach dem andern hinunter. „Aber Donnerwetter,
jetzt ist es Zeit zum Heimgehen! Wo ist denn der Maxl?" — Der
sitzt ganz still unter dem Tisch und zieht gerade einen Stiefel ans.
— „Ja, ivas soll denn das heißen?" — Unter dem Gelächter der
Freunde erklärt der Kleine seine Mission: ,,D' Mutter hat mir an
Farbstift mit'geb'n und hat g'sagt, i' soll mir auf jed'n Finger
einen Tupfer mach'n, wenn Du Dir frisch einschenken laßt — und
da hätt' i' jetzt g'rad' bei die Zeh'n ang'fangen."
8*
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Vergnügungssüchtig"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1912
Entstehungsdatum (normiert)
1907 - 1917
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 136.1912, Nr. 3474, S. 91
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg