Das Schienbancl.
^ivia Poppäa, eine Jungfrau,
Liebte einstmals einen schönen Jüngling.
Quintus Fiavius Macer hiess sein Name.
Schreiber war er der Quästur und geistvoll.
Er nun — Macer — liebte gleichfalls jene
Livia Poppäa, und zwar sehr.
Arm in Arm beim Fest der Saturnalien
Wandelte Poppäa einst mit Macer.
Viele Menschen gingen ambulantes —
Schimmernd blinkten Tunika und Toga —
Patres, matres, kritisch äugelnd, tantae,
Pueri modesti, immodesti
Und puellae, süsse zarte Mädchen,
Lalage, kriseis und Sabina.
Auch Prätoren und der Zensor Appius,
Selbst der Freund des Konsuls Decius Pülcher,
Der Senator — ha! — und seine conjunx,
Dichter, Sklaven, mimi ac latrones ....
O Ihr Götter! Himmlisches Gewimmel!
Plötzlich löste von des Beines Wölbung
Sich dem Jüngling tückisch ab das Schienband,
Knuddelte sich los und sank hernieder.
Aus dem Kreis der Toga floß es abwärts
Schlangengleich in eines Meters Länge.
Und die hinter Macern kamen, sah’n es —
Sahen es, die matres und die tantae,
Zischelten sich zu und lachten boshaft —
Sahen es, die pueri ac puellae,
Lalage, kriseis und Sabina;
Selbst der Freund des Konsuls Decius Pülcher,
Der Senator sah’s und seine conjunx.
Macer nur, der Jüngling sah es nicht.
Plötzlich wandte Livia Poppäa
Ahnungsvoll des Hauptes Glanz nach rückwärts,
Und nun sah auch sie es und erbleichte.
Macer aber, dieses merkend, fragte:
„Quid habes, dulcissima puella?“ —
„Nihil!“ hauchte sie und starb beinahe.
Jäh entfloh vor Scham aus ihrem Herzen
Alle Liebe — ja, sie hasste Macern
Und sie schrieb ihm ab am selben Abend.
Macer schrie, als er’s gelesen, grässlich:
„O dii deaeque!“ — rang die Hände,
Rauft’ das Haar und schlug sich, wo sein Herz war.
Und er knüpfte ein Schienband an’s and’re,
Schlang das Ganze daun um einen Haken
Und erhung sich nächtlich, statt zu schlafen.
F. K. B.
Verantwortlicher Redakteur: I. Schneider in München. — Verlag von Braun & Schneider in München. — In Österreich-Ungarn für Herausga
u. Redaktion verantwortlich: Oskar Lechner in Wien I. — E. Mühlthaler's Buch- u. Kunstdruckerei A.G. in München. — Hierzu das Beiblai
^ivia Poppäa, eine Jungfrau,
Liebte einstmals einen schönen Jüngling.
Quintus Fiavius Macer hiess sein Name.
Schreiber war er der Quästur und geistvoll.
Er nun — Macer — liebte gleichfalls jene
Livia Poppäa, und zwar sehr.
Arm in Arm beim Fest der Saturnalien
Wandelte Poppäa einst mit Macer.
Viele Menschen gingen ambulantes —
Schimmernd blinkten Tunika und Toga —
Patres, matres, kritisch äugelnd, tantae,
Pueri modesti, immodesti
Und puellae, süsse zarte Mädchen,
Lalage, kriseis und Sabina.
Auch Prätoren und der Zensor Appius,
Selbst der Freund des Konsuls Decius Pülcher,
Der Senator — ha! — und seine conjunx,
Dichter, Sklaven, mimi ac latrones ....
O Ihr Götter! Himmlisches Gewimmel!
Plötzlich löste von des Beines Wölbung
Sich dem Jüngling tückisch ab das Schienband,
Knuddelte sich los und sank hernieder.
Aus dem Kreis der Toga floß es abwärts
Schlangengleich in eines Meters Länge.
Und die hinter Macern kamen, sah’n es —
Sahen es, die matres und die tantae,
Zischelten sich zu und lachten boshaft —
Sahen es, die pueri ac puellae,
Lalage, kriseis und Sabina;
Selbst der Freund des Konsuls Decius Pülcher,
Der Senator sah’s und seine conjunx.
Macer nur, der Jüngling sah es nicht.
Plötzlich wandte Livia Poppäa
Ahnungsvoll des Hauptes Glanz nach rückwärts,
Und nun sah auch sie es und erbleichte.
Macer aber, dieses merkend, fragte:
„Quid habes, dulcissima puella?“ —
„Nihil!“ hauchte sie und starb beinahe.
Jäh entfloh vor Scham aus ihrem Herzen
Alle Liebe — ja, sie hasste Macern
Und sie schrieb ihm ab am selben Abend.
Macer schrie, als er’s gelesen, grässlich:
„O dii deaeque!“ — rang die Hände,
Rauft’ das Haar und schlug sich, wo sein Herz war.
Und er knüpfte ein Schienband an’s and’re,
Schlang das Ganze daun um einen Haken
Und erhung sich nächtlich, statt zu schlafen.
F. K. B.
Verantwortlicher Redakteur: I. Schneider in München. — Verlag von Braun & Schneider in München. — In Österreich-Ungarn für Herausga
u. Redaktion verantwortlich: Oskar Lechner in Wien I. — E. Mühlthaler's Buch- u. Kunstdruckerei A.G. in München. — Hierzu das Beiblai
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Schienband"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1912 - 1912
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 136.1912, Nr. 3476, S. 124
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg