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O"'ft entrüsteten sich die Leute, wen» sie in den: einsamen Stadt-
teil an dem düsteren Gefängnis vorübergingen und Abu,
der Kerkermeister, saß behaglich vor der Türe, schmauchte in
aller Seelenruhe sein Pfeifchen oder summte wohl gar ein munteres
Lied vor sich hin.

„Seht ihn an, den Herzlosen, den Gefühlsrohen I" murrten
sie dann heimlich unter sich mit einem scheuen Blick nach dem
finstern Gebäude. „Da schmachten nun Hunderte und Tausende
in den entsetzlichen unterirdischen Gelassen bei Ratten und Molchen
ohne einen wärmenden erquickenden Strahl der goldenen Sonne .. .
und er, der täglich all dies Elend, alle diese Verzweiflung mit an-
sehen muß, lacht auch noch dazu und freut sich mit schwellendem
Schmerbauch all der Gaben des Daseins, die er den anderen
versagt!"

„Ja, er ist ein entsetzlicher Burschei" hieß es in der Volks-
menge, die zusammenlief, so oft die Scharwächter neue Dpfer
brachten. Mit gewaltigem Kettenrasseln und allerhand schlechten
lvitzen stieß er dann die Gefangenen vor sich her. Fürwahr,
wenn die Leute nicht vor dem Kerker so mächtiges Grauen emp-
funden hätten, würden sie wohl schon längst einmal gegen Abu
aufgestanden sein und ihm seine Gefühllosigkeit übel vergolten
haben. So aber wagte es keiner von ihnen, offen gegen ihn her-
vorzutreten. Die Gcldboten jedoch, die ihm allwöchentlich aus der
Kaffe des Kalifen seinen Lohn und die Summe für Beköstigung
der Gefangenen brachten, zuckten die Schultern und sagten zu ihren
Bekannten: „Was wollt Ihr? Der kann leicht lachenl Weiß einer,
was er den Gefangenen zu effen und zu trinken gibt. .. und er
bekommt bares Gold dafür!"

Allmählich aber war das Gerücht von dem fröhlichen Kerker-
meister, der sich durch nichts feine Laune verderben ließ, bis zu beit
Mhren des Kalifen gedrungen. Er empfand lebhafte Neugierde,
zu wissen, wie Abu es machte, daß er sich trotz seines bitteren
Amtes den Humor nicht rauben ließ. Insgeheim drückte den
Kalifen dabei aber auch das Gewissen, wenn er daran dachte,
daß ein so gefühlloser selbstsüchtiger Mensch den Kerker verwaltete;
denn es schmachtete manch einer da drunten, den der Fürst in der
zornigen Wallung des Augenblicks in das Gefängnis hatte werfen
lassen und am liebsten überhaupt längst wieder in der Freiheit ge-
sehen hätte.

Die Zweifel steigerten sich bei dem Kalifen im Laufe der Zeit
derart, daß er sich zu einem ungewöhnlichen, aber sicheren Mittel
entschloß, um sich über die Amtsführung des Kerkermeisters Ge-
wißheit zu verschaffen. Er verkleidete sich eines Abends als Land-
streicher und fing in einer Herberge des fahrenden Volkes Streit
an. Der lvirt holte eilig die Scharwache herbei und diese machte
kurzen Prozeß und schleppte den Widerspenstigen nach dem Ge-
fängnis.

Das war es aber gerade, was der Kalif gewollt hatte.

„Ei, sieh dal" lachte Abu, als sie den Häftling brachten, und
raffelte mächtig mit einem gewaltigen Schlüsselbunde. „Ei, sieh da,
was für ein feines Vögelchen haben wir denn hier wieder einge-
fangen? Lin leckeres Bürschchen! Ein sauberes Herrchen! Nur
hereinspaziert, mein süßes Kolibrichen I Wir werden Dich hier schon
kirre machen I Wir werden Dich schon zahm kriegen I"

Der Herbergswirt und die Scharwächter schmunzelten befriedigt
über den höhnischen Empfang, den der Übeltäter erfuhr, und nickten
sich verständnisinnig zu, als sie vernahmen, wie Abu die schwere
eiserne Gittertüre aufschloß und den Angekommenen in ein finsteres
modriges Gelaß hinunterstieß.

Der Kalif, dem es beinahe um sein eigenes Leben bange
wurde, bereute schon den Schritt, den er unternommen. Zugleich
aber empörte ihn der kalte Witz des grausamen Kerkermeisters
auf das heftigste. Schon wollte er rufen und sich zu erkennen
geben. Da aber überlegte er sich, daß er ja auf diese Weise den
eigenen Plan vereiteln würde, und er nahm sich vor, die verhäli-
nisse genau zu erforschen; denn er trug ja sein silbernes Pfeifchen
bei sich, dessen Ton durch jede Mauer drang und sofort seine Wachen
herbeirief, wo immer er sich auch befinden mochte.

So suchte er denn, als sich sein Auge einigermaßen an die
Dunkelheit gewöhnt hatte, seine Umgebung ausznkunden und durch
vorsichtige Rufe die Gefährten seines Leides auf sich aufmerksam
zu machen.

Aber niemand antwortete ihm. Die Unglücklichen schliefen
wohl alle längst schon und suchten, in der wohltätigen Nacht des
Schlummers ihren Jammer zu vergessen. Langsam erhob er sich
und tappte prüfend rings in die Runde, mit Grauen darauf gefaßt,
jeden Augenblick an ein menschliches Wesen zu stoßen.

Aber der Grausame schien ihn in einen leeren Kerker ge-
worfen zu haben, damit er in der Einsamkeit sein Elend noch
um so schwerer empfinden müßte.

An der Wand hi» tappte er sich vorwärts, bis er an eine
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Abu, der lustige Kerkermeister"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Verschlagwortung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Storch, Carl
Entstehungsdatum
um 1914
Entstehungsdatum (normiert)
1909 - 1919
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 141.1914, Nr. 3620, S. 284
 
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