Feinet eine zugkräftige Idee mehr? Seit vierzehn Tagen rund elf
Seelen I"
»Elf Seelen in vierzehn Tagen", wiederholte er schauerlich und
rollte furchtbar mit den Augen.
Tin beängstigendes Schweigen lastete im Raume. Ron den
vorhin apostrophierten Teufeln war keiner anwesend und die
anderen, die die Suppe auszulöffeln hatten, senkten die Köpfe und
Zitterten.
Da erhob sich eine zage Stimme: „Wenn mir Tw. Majestät
gestatten wollten —"
-Den Engel will ich dir gestatten", brüllte Satanas.
Der schlanke, junge Teufel, der etwas hervorgetreten war, zog
s'ch gekränkt zurück.
Aber nun legte sich die Großmutter ins Mittel: „Segne doch
nicht inuner so abscheulich!" sagte sie. „Auch im gerechtfertigsten Un-
gute darf man jcine gute Kinbetftube nicht verleugnen. Übrigens
anhören hättest du ihn wohl können."
Satan maß den jungen Sprecher mit bösem Blicke.
Aber der hatte bei der Großmutter einen Stein im Brett.
Sie rief ihn wieder vor: „Komm' her, Spekulazins, und sage, was
lür Ratschläge du machen wolltest!"
S. M. hatte kein Liduz auf Spekulazius.
Er brummte unwirsch: „Der Schafskoxf wird was Gescheites
wissen!"
„®," erwidert der Gekränkte, „wo ich doch
lchon früher so nette Erfolge gehabt habe."
„Nette Erfolge I" höhnte Satanas. „Nette
erfolge, das sagt gar nichts. Wenn du nicht
gleich ein paar Hunderttausend beibringst, dann
j'leif ich drauf. Nette Erfolge hat jeder An-
länger einmal!"
-Wenn man mich machen ließe nach meiner
Methode" — stotterte Spekulazius.
»kaß ihn halt einmal drangehen," warf die
Großmutter ein. „Du riskierst ja nichts, schlimmsten-
lolls bleibt alles beim alten."
Satan knurrte. Dann gab er sich einen Ruck
und sagte zu Spekulazius: „Meinetwegen, geh
Knauf und versuch's mit deiner Methode! Das
nber sag' ich dir," fuhr er drohend fort, „wenn
ä» bloß Sprüche gerissen hast und bringst nicht
binnen acht Tagen fünfhundert Seelenk— fünfhundert
Seelen — bei, laß ich dich bei den Hörnern an dem
Tugendxfahl aufhängen."
(Das ist die schandvollste Strafe, die einen Teufel
treffen kann.)
Damit entließ Satanas sein Gefolge.
Spekulazius ging in sein Laboratorium und züch-
tete einen Bazillus. Lr züchtete ihn auf einem Ge-
misch von vorwiegend Habgier, der er einige Lebsucht-
tabletten beifügte, dann vier Tßlöffel Egoismus, eine
gute Prise Gedankenlosigkeit, etwas Spielwutpulver
und zuletzt einige Tropfen Raterlandsverrat. Auf
diesem Nährboden gediehen die Bazillen vortrefflich,
so daß er bald eine große Reinkultur beisammen
hatte. Und damit begab er sich aus die Erde und
impfte sie den Menschen ein. Die Wirkung war ver-
heerend. Lin Lieber packte die Menschheit, daß sie
an nichts anderes mehr denken konnte als an das,
was Spekulazius ihr eingeimpft. Schon an, dritten
Tage klopfte es ans Höllentor und hereinkam ein Geheimrat,
drei Schauspieler, zwei Kellner, ein Baron, zwei Ministersgattinnen,
vier Landwirte, zwei Schriftsteller und fünf Beamte; alle mit dem
gleichen Ausweise von Spekulazius. Also bereits in zwei Tagen
um rund neun Seelen mehr, als die ganze Hölle in den letzten
vierzehn Tagen überhaupt beigebracht hatte. Und bald ergoß sich
ein Seelenstrom über die Hölle. Alle Altersklassen, alle Stände,
alle Parteien, alle Landstriche waren vertreten. Das Höllentor
mußte ausgehoben werden, da die Angeln sich bei dem fort-
gesetzten (öffnen ausgeleiert hatten. In acht Tagen waren die be-
fohlenen fünfhundert Seelen längst eingebracht und überholt. Ls
war wieder ein großartiger Betrieb in der Hölle und S. M. lächelte
sein teuflischstes Lächeln. Lr klopfte Spekulazius des öfteren wohl-
wollend auf die Schulter und sagte nie mehr „Schafskopf", sondern
immer „mein lieber Spekulazius". Ja, er verlieh ihm sogar die
höchste Auszeichnung, die ein Teufel erhalten kann, den (Orden
Pom- le diable.
Augenblicklich wird fieberhaft in der Hölle gearbeitet, denn es
soll doch Raum sür all die Ankömmlinge geschaffen werden. Auf
dem großen Platze zwischen dem Wucherpalast und dem Spielhotel
wird ein kolossaler Neubau aufgeführt, der den Namen Spekulier-
bau bekommen soll. Lr wird eine funkelneue, höchst sinn- und
listenreiche Heizvorrichtung erhalten, damit die Insassen ganz beson-
51
Seelen I"
»Elf Seelen in vierzehn Tagen", wiederholte er schauerlich und
rollte furchtbar mit den Augen.
Tin beängstigendes Schweigen lastete im Raume. Ron den
vorhin apostrophierten Teufeln war keiner anwesend und die
anderen, die die Suppe auszulöffeln hatten, senkten die Köpfe und
Zitterten.
Da erhob sich eine zage Stimme: „Wenn mir Tw. Majestät
gestatten wollten —"
-Den Engel will ich dir gestatten", brüllte Satanas.
Der schlanke, junge Teufel, der etwas hervorgetreten war, zog
s'ch gekränkt zurück.
Aber nun legte sich die Großmutter ins Mittel: „Segne doch
nicht inuner so abscheulich!" sagte sie. „Auch im gerechtfertigsten Un-
gute darf man jcine gute Kinbetftube nicht verleugnen. Übrigens
anhören hättest du ihn wohl können."
Satan maß den jungen Sprecher mit bösem Blicke.
Aber der hatte bei der Großmutter einen Stein im Brett.
Sie rief ihn wieder vor: „Komm' her, Spekulazins, und sage, was
lür Ratschläge du machen wolltest!"
S. M. hatte kein Liduz auf Spekulazius.
Er brummte unwirsch: „Der Schafskoxf wird was Gescheites
wissen!"
„®," erwidert der Gekränkte, „wo ich doch
lchon früher so nette Erfolge gehabt habe."
„Nette Erfolge I" höhnte Satanas. „Nette
erfolge, das sagt gar nichts. Wenn du nicht
gleich ein paar Hunderttausend beibringst, dann
j'leif ich drauf. Nette Erfolge hat jeder An-
länger einmal!"
-Wenn man mich machen ließe nach meiner
Methode" — stotterte Spekulazius.
»kaß ihn halt einmal drangehen," warf die
Großmutter ein. „Du riskierst ja nichts, schlimmsten-
lolls bleibt alles beim alten."
Satan knurrte. Dann gab er sich einen Ruck
und sagte zu Spekulazius: „Meinetwegen, geh
Knauf und versuch's mit deiner Methode! Das
nber sag' ich dir," fuhr er drohend fort, „wenn
ä» bloß Sprüche gerissen hast und bringst nicht
binnen acht Tagen fünfhundert Seelenk— fünfhundert
Seelen — bei, laß ich dich bei den Hörnern an dem
Tugendxfahl aufhängen."
(Das ist die schandvollste Strafe, die einen Teufel
treffen kann.)
Damit entließ Satanas sein Gefolge.
Spekulazius ging in sein Laboratorium und züch-
tete einen Bazillus. Lr züchtete ihn auf einem Ge-
misch von vorwiegend Habgier, der er einige Lebsucht-
tabletten beifügte, dann vier Tßlöffel Egoismus, eine
gute Prise Gedankenlosigkeit, etwas Spielwutpulver
und zuletzt einige Tropfen Raterlandsverrat. Auf
diesem Nährboden gediehen die Bazillen vortrefflich,
so daß er bald eine große Reinkultur beisammen
hatte. Und damit begab er sich aus die Erde und
impfte sie den Menschen ein. Die Wirkung war ver-
heerend. Lin Lieber packte die Menschheit, daß sie
an nichts anderes mehr denken konnte als an das,
was Spekulazius ihr eingeimpft. Schon an, dritten
Tage klopfte es ans Höllentor und hereinkam ein Geheimrat,
drei Schauspieler, zwei Kellner, ein Baron, zwei Ministersgattinnen,
vier Landwirte, zwei Schriftsteller und fünf Beamte; alle mit dem
gleichen Ausweise von Spekulazius. Also bereits in zwei Tagen
um rund neun Seelen mehr, als die ganze Hölle in den letzten
vierzehn Tagen überhaupt beigebracht hatte. Und bald ergoß sich
ein Seelenstrom über die Hölle. Alle Altersklassen, alle Stände,
alle Parteien, alle Landstriche waren vertreten. Das Höllentor
mußte ausgehoben werden, da die Angeln sich bei dem fort-
gesetzten (öffnen ausgeleiert hatten. In acht Tagen waren die be-
fohlenen fünfhundert Seelen längst eingebracht und überholt. Ls
war wieder ein großartiger Betrieb in der Hölle und S. M. lächelte
sein teuflischstes Lächeln. Lr klopfte Spekulazius des öfteren wohl-
wollend auf die Schulter und sagte nie mehr „Schafskopf", sondern
immer „mein lieber Spekulazius". Ja, er verlieh ihm sogar die
höchste Auszeichnung, die ein Teufel erhalten kann, den (Orden
Pom- le diable.
Augenblicklich wird fieberhaft in der Hölle gearbeitet, denn es
soll doch Raum sür all die Ankömmlinge geschaffen werden. Auf
dem großen Platze zwischen dem Wucherpalast und dem Spielhotel
wird ein kolossaler Neubau aufgeführt, der den Namen Spekulier-
bau bekommen soll. Lr wird eine funkelneue, höchst sinn- und
listenreiche Heizvorrichtung erhalten, damit die Insassen ganz beson-
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"In Teufels Küche"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1922
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1927
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 156.1922, Nr. 3994, S. 51
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg